Donnerstag, 19. Dezember 2013

Fethullah Gülen - Geschichte und Analyse

Fethullah Gülen beim Papst 1998


Wer hätte das gedacht? Nun eskaliert der schon seit einigen Jahren schwelende innermuslimische Disput in der Türkei zwischen den Anhängern des geistlichen Führers Fethullah Gülen und den AKP Politikern. Da die Informationen in den Zeitungen zu einem der weltweit einflussreichsten islamischen Prediger Fethullah Gülen naturgemäß recht spärlich sind, hier nun eine Analyse vom Türkei Experten Dr. Günter Seufert, die er noch vor der jüngsten Eskalation auf der SWP Internetseite veröffentlicht hatte. Er geht allerdings auch schon auf die Vorgeschichte der Entfremdung beider islamischer Machtblöcke seit 2010 ein.
Die Beurteilung von Gülen gestaltet sich schwierig. Man muss wohl jede Facette dieses Phänomens einzeln und differenziert betrachten. Einerseits die Positionen die er in früheren Jahren vertreten hatte, und anderseits diejenigen, die er heute hat. Einerseits die undurchsichtigen, intransparenten und geheimnistuerischen Strukturen, andererseits die guten Taten von vielen Anhängern an der Basis der Bewegung. Einerseits die Ziele und die Mittel zur Durchsetzung der Ziele in der Türkei, andererseits die in der Diaspora. Dabei gibt es eher weniger differenzierte Untersuchungen, entweder wird Fethullah Gülen verherrlicht oder verdammt. Daher nun diese Studie als PDF, die ein wenig Licht ins Dunkel bringen kann, ohne kritische Fragen auszublenden, aber auch nicht in islamophobe Panik bei der Beurteilung zu verfallen.



SWP-Studie
Stiftung Wissenschaft und Politik
Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit

Günter Seufert
Überdehnt sich die Bewegung von Fethullah Gülen? 
Eine türkische Religionsgemeinde als nationaler und internationaler Akteur 
Dezember 2013 Berlin

Hier nun ein Auszug, der der Frage nachgeht:  NGO - Netzwerk, Religionsgemeinde oder politischer Geheimbund?

Gülen und seine Anhänger: Versuch einer
Bestimmung
NGO
-
Netzwerk, Religionsgemeinde oder
politischer Geheimbund?
Als Reaktion auf Kritik an mangelnder Transparenz
gesteht die Gülen-Bewegung seit etwa zwei Jahren zu,
dass sie mehr ist als eine Reihe nebeneinander existie-
render Institutionen. In internationalen Publikationen
bezeichnet sie sich mittlerweile als »Gesellschaft«
(society) und weist gleichzeitig den Begriff »Gemeinde«
(community/cemaat) für sich zurück. Die Selbstdefini-
tion als Gesellschaft dient zwei Zwecken: Erstens will
die Bewegung damit suggerieren, es gebe keine feste
Mitgliedschaft (und damit auch keine feste innere
Struktur) und keine Abgrenzung nach außen. Zwei-
tens soll der Eindruck erweckt werden, die eigene
(ethische und politische) Orientierung decke sich voll-
kommen mit den Orientierungen des Mainstreams der
türkischen Gesellschaft, man repräsentiere diese und
gehe gleichzeitig in ihr auf. 108  In der aktuellen Selbst-
darstellung einer Institution des Netzwerks, in der der
Vorwurf zurückgewiesen wird, man verfolge eigen-
nützige politische Ziele, heißt es, man sei eine »demo-
kratische, zivilgesellschaftliche Bewegung«. 190
Von Religion ist in keiner der beiden angeführten Schlüssel-
dokumente die Rede. Tatsächlich spielen Missionie-
rung oder auch nur der Unterricht von Religion in den
offiziellen Institutionen der Bewegung keine Rolle. 
Die Bewegung macht jedoch gleichzeitig kein Hehl
daraus, dass ihre zivilgesellschaftlichen Aktivitäten
aus einem religiösen Antrieb heraus erfolgen. Die
entsprechenden Überlegungen ihres Spiritus Rector
dazu werden offen vorgetragen, und es ist kein Ge-
heimnis, dass die große Zahl der in Schulen und
Vereinen arbeitenden Ehrenamtlichen, aber auch die
Lehrer, die der Bewegung angehören, ihr pädagogi-
sches Engagement als gottgefälliges Handeln per se
verstehen. Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass die
Aktivisten von einem starken Gefühl der Zugehörig-
keit zur Bewegung und der Loyalität mit ihr erfüllt
sind. Darüber hinaus ist ein gemeinsamer Habitus der
Gefolgsleute Gülens nicht zu übersehen.
Wo aber bilden sich diese Merkmale heraus? Als
Antwort darauf wird meist auf die Wohngemeinschaf-
ten der Bewegung verwiesen, die auf die Frühzeit von
Gülens Wirken zurückgehen und »Lichthäuser«
genannt werden. Ihr Alltag ist durch strikte Verrich-
tung der Ritualgebete, repetitives Gottesgedenken,
Koranlesen und die Lektüre von Schriften Gülens
gekennzeichnet. Hinzu kommen soziale Kontroll-
mechanismen, die das Verhalten der Aktivisten prägen
sollen, wie zum Beispiel Gruppendiskussionen und
das Gebot der gegenseitigen Übernahme von Verant-
wortung für das Handeln des jeweils anderen WG-Mit-
glieds. All dies führt zu einer Verstetigung von intel-
lektuellen, emotionalen und handlungsleitenden
Dispositionen, die den genannten Habitus hervor-
bringen. 111  Gülen selbst sieht in den Wohngemein-
schaften den dynamischen Kern seiner religiösen
Gemeinde. Deren ganze Energie soll nach ihm auf
weiteres Wachstum gerichtet sein und – als Fernziel –
auf die Versittlichung der Gesellschaft, was in Gülens
Denken im Hinblick auf die muslimischen Länder mit
einer zivilgesellschaftlichen Re-Islamisierung zusam-
menfällt. Um den Einzelnen zum »Soldaten des Lichts«
zu machen, der all sein Trachten auf diese Aufgabe
richtet, gelte es, die »leeren Köpfe« einer »nach inhalts-
losen Schablonen lebenden Generation« mit den Wahr-
heiten des Glaubens zu füllen. 112
Die Anhänger der Bewegung sind davon überzeugt,
dass sie einen offenbarten göttlichen Auftrag erfüllen
und beziehen sich dabei auf einen Ausspruch des
Propheten (Hadith), mit dem dieser auf die Frage nach
seinen treuesten Gläubigen Folgendes geantwortet
habe: »Meine aufrichtigsten Gefolgsleute befinden sich
nicht hier bei mir. Sie werden in einer Zeit hervor-
treten, in der der Islam von innen und von außen
angegriffen wird. Es werden ihre Tugend und ihr
mustergültiges Verhalten sein, die die Botschaft Gottes
stärken.« 113  Gülen gilt seinen Anhängern deshalb als
der erwartete Erneuerer des Glaubens, 114  und vielen
sind sein Wissen und seine Predigten Ausdruck gött-
licher Inspiration. 115
Die innere Struktur der Religionsgemeinde kann
man sich als eine Reihe konzentrischer Kreise vor-
stellen. 116  




Direkt mit Fethullah Gülen in Verbindung
steht der innerste Kreis oder Kern der Bewegung,
dessen ältere Mitglieder (abi = älterer Bruder) stark
konservativ-national denken und öffentliche politi-
sche Diskussionen meiden. Seine jüngeren Mitglieder
dagegen treten viel forscher und selbstbewusster auf,
wohl auch deshalb, weil sie meist in gewinnbringen-
den Institutionen der Bewegung tätig sind. Zu ihnen
sollen Ekrem Dumanlı, leitender Redakteur der Tages-
zeitung Zaman, Mustafa Yeşil, Präsident der Journalis-
ten- und Schriftsteller-Stiftung, und Rıza Nur Meral,
der Vorsitzende von TUSKON gehören. 117 Die älteren
Mitglieder arbeiten ganztags und mit festen Gehältern
in der Leitung der Gemeinde und liefern sich zuneh-
mend Strategiedebatten mit den jüngeren Angehöri-
gen dieses Führungszirkels. Der zweite Kreis besteht
aus regionalen Leitungspersonen, die vom Kern der
Bewegung eingesetzt werden. Ihnen obliegen auch die
Konzeptionalisierung und der Aufbau neuer Projekte
und Institutionen. Regelmäßige Rotation der regio-
nalen Leitungspersonen und Kontrolle ihrer Tätigkeit
gehört (ganz ähnlich wie in der türkischen Bürokratie)
zu den auffälligen Organisationsprinzipien der Be-
wegung. Der dritte und größte Kreis wird von all
jenen gebildet, die als Beschäftigte oder Sympathisan-
ten in den Institutionen des Gülen-Netzwerks tätig
sind. Während es nach Hakan Yavuz an den Rändern
der Bewegung fließende Übergänge vom Anhänger
zum fest integrierten Mitglied gibt und individuelle
Entscheidungsfreiheit möglich ist, herrsche in den
beiden inneren Zirkeln eine »dem Militär ähnliche
Disziplin«. Allerdings hätten sich in den letzten Jahren,
ausgelöst durch das rasante Wachstum und die geo-
graphische Ausbreitung der Bewegung, die Entschei-
dungsbefugnisse mehr und mehr auf die regionale
Ebene verlagert. Was diese betrifft, kommt Yavuz zu
dem Schluss: »Aufgrund ihrer Kontrolle über enorme
Finanzmittel und Immobilien, inklusive Schulen,«
sind die regionalen Leiter heute »weniger Abis [ältere
Brüder], sondern haben sich zu selbstherrlichen Ge-
bietern entwickelt«. 118
Die Gülen-Bewegung ist demnach eine hierarchisch
strukturierte religiöse Gemeinde mit einer zivilgesell-
schaftlichen Mission, die zudem einen ausgeprägten
politischen Gestaltungswillen hat. Ihr Wachstum und
ihre soziale Dynamik resultierten aus dem Spannungs-
verhältnis zwischen dem Wunsch nach Bewahrung
der eigenen religiösen Identität und dem Streben nach
gesellschaftlichem Aufstieg in einer modernen Gesell-
schaft. Ihre gesellschaftspolitischen Positionen ent-
springen der erzwungenen Säkularisierung und der
damit einhergehenden sozialen Marginalisierung der
Frommen in der Türkischen Republik auf der einen
Seite und einer von den Mitgliedern selbst angestreb-
ten Säkularisierung ihrer Vorstellungswelten auf der
anderen Seite. 
  
Die ursprünglich strikte Hierarchie der Bewegung
weicht mehr und mehr auf, wofür es neben dem
Generationswechsel mehrere Gründe gibt: Die Be-
wegung ist außerordentlich schnell gewachsen und
hat sich über eine stetig größer werdende Anzahl von
Ländern ausgedehnt. Damit einher ging die Integra-
tion ihrer Anhänger in äußerst unterschiedliche
berufliche und wirtschaftliche Zusammenhänge. Im
Gefolge dessen verschaffen sich die objektiv gegebe-
nen unterschiedlichen Interessenlagen zunehmend
stärkeren Ausdruck. Der Zusammenhalt der Bewegung
ist ohne ihre charismatische Führerfigur nicht denk-
bar. Er wird aber auch durch den Nutzen gesichert,
den die Ressourcen der Bewegung ihren Mitgliedern
bieten. Darüber hinaus sind die politischen und wirt-
schaftlichen Attacken, denen die Bewegung in der
Türkei ausgesetzt ist, und die gesellschaftspolitische
Kritik an ihr in den USA und Europa ein Faktor, der
ihre Angehörigen stets neu zusammenschweißt. Diese
Umstände erklären warum sich in der Türkei die
Aktivisten in den Bildungseinrichtungen der Bewe-
gung und die Gülen nahestehenden Unternehmer, die
beide kein Interesse an einem Konflikt mit der Regie-
rung haben können, noch immer zu den Seilschaften
der Bewegung in der Bürokratie stehen, die direkten
politischen Einfluss suchen. 119
Was bedeutet diese Analyse der Struktur der
Bewegung für ihre Zukunft in der europäischen Diaspora?
Und welche Handlungsempfehlungen lassen sich gegenüber
Entscheidungsträgern in Deutschland formulieren?

Zum Umgang mit der Gülen-Bewegung

Die Rahmenbedingungen

Alle Überlegungen zum Umgang mit der Bewegung
müssen von der Anerkennung einiger grundlegender
politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingun-
gen ausgehen. Dazu gehört erstens die Feststellung,
dass jede Positionierung von Entscheidungsträgern in
Deutschland der Bewegung gegenüber deren weitere
Entwicklung hier beeinflussen und mitgestalten wird.
Je ausgeprägter Abwehrhaltungen und je geringer
Kooperationsangebote sind, desto eher werden inner-
halb der Bewegung die zentralen Lenkungs- und Lei-
tungsmechanismen gestärkt. Zweitens sollte man sich
in Erinnerung rufen, dass legitimerweise alle islami-
schen Organisationen, Gemeinden und Strömungen
in Deutschland Rekrutierung betreiben und die deut-
sche Gesellschaft ein Interesse daran haben muss, dass
die junge muslimische Generation nicht in radikale
oder gar gewaltbereite, sondern in politisch gemäßig-
te Bahnen gelenkt wird. Drittens spricht alles für die
Annahme, dass die Bewegung in der Diaspora – anders
als in der Türkei – kein signifikanter politischer Faktor
ist und werden kann. Eine »Gefahr« könnte die Gülen-
Bewegung in Europa, wenn überhaupt, nur für ein-
zelne ihrer Mitglieder sein, und zwar dann, wenn
diese sich autoritären Strukturen überantworten. Von
einem direkten Zwang, gegen seinen Willen in diesen
Strukturen zu verbleiben, ist indes bisher nichts
bekanntgeworden. Viertens gilt es erneut zu unter-
streichen, dass die nach außen gerichteten zivilgesell-
schaftlichen Aktivitäten der Bewegung in Deutsch-
land, ihr Engagement im Bereich der Bildung und des
interreligiösen bzw. interkulturellen Dialogs, objektiv
der Integration von Migranten in die deutsche Gesell-
schaft dienen. Es wäre abwegig, dem Teil der Muslime
in Deutschland, die – und sei es aus religiöser Motiva-
tion – Integrationsarbeit betreiben und selbst auf den
gesellschaftlichen Aufstieg in Deutschland orientiert
sind, die Zusammenarbeit zu verweigern.

Herausforderungen für die Gülen-Bewegung in der
Diaspora


In der Diaspora gewinnt Gülens Konzept, sich Wissen,
Handlungsformen und Habitus der Moderne anzueig-
nen, sozial aufzusteigen und gerade dadurch effektiv
zur Versittlichung der Gesellschaft beizutragen, eine
neue Dimension. Zum einen kann der eigene soziale
Aufstieg – anders als in der Türkei – nicht mit dem
Projekt der Eroberung des Staates verbunden werden.
Zum zweiten bürgt in der Diaspora – erneut anders als
in der Türkei – eine Lebenshaltung, die auf die Kon-
servierung der eigenen religiösen und nationalen
Identität gerichtet ist, nicht ohne weiteres dafür, mit
der Mehrheit der Bevölkerung in Harmonie zu leben,
sondern sie steht einer solchen Harmonie zumindest
teilweise entgegen. Die türkisch-muslimische Diaspora
steht deshalb unter dem Druck, ein neues, mit den
Haltungen der europäischen Gesellschaften kompa-
tibles Verständnis von religiöser und nationaler Iden-
tität zu entwickeln. Für die Angehörigen der Bewegung
wird dies genauso zur Voraussetzung für ihren in-
dividuellen Aufstieg wie die Versöhnung ihres religiö-
sen mit dem naturwissenschaftlich geprägten Welt-
bild. Gülens Vorgabe, dass der Dienst an der Gesell-
schaft eine wesentliche Form einer vor Gott gerecht-
fertigten Lebensführung ist, könnte in der europäi-
schen Diaspora (und in den USA) geradewegs der
Schlüssel dafür sein, den prinzipiellen Interessen-
gegensatz zwischen dem Islam und dem Westen
aufzuheben, den Gülen in seinen frühen Schriften
wiederholt mit eindringlichen Worten beschworen
hat. In der Tat ist dies auch die Richtung, in die die
sozialen Träger der Bewegung in der europäischen
Diaspora hinwirken. Denn anders als in Zentralasien,
auf dem Balkan und in den USA, wo die Bewegung in
Gestalt türkischer »zivilgesellschaftlicher Entsandter«
mit weitgehend fertigen Konzepten für Schulen,
Universitäten und Dialogzentren aufgetreten ist und
diese Pläne innerhalb kürzester Zeit und oft ohne
nennenswerte Hilfe der einheimischen Bevölkerung
realisiert hat, ruhen die Aktivitäten der Bewegung in
der türkischen Diaspora Europas auf den Migranten
selbst. 
Tatsächlich werden in der europäischen Diaspora
und in den USA die politischen und religiösen Anteile
von Gülens Lehre, die sich in diesen Gesellschaften
als dysfunktional erweisen, von den Akteuren der
Bewegung selbst in den Hintergrund gedrängt und
mit vielsagendem Schweigen bedacht, als da sind das
eher nationalistisch-autoritär konnotierte Lob der
türkischen Kultur, die eher staatszentrierten und
totalitären Aspekte von Gülens Morallehre und die
eher traditionellen Züge seines Verständnisses des
Islam.
So wurde in den Niederlanden beobachtet, dass die
Bewegung auf verstärktes Misstrauen, das ihr wegen
der allgemein gestiegenen Skepsis dem Islam gegen-
über entgegenschlug, nicht mit Rückzug oder gar
Radikalisierung reagiert hat, sondern mit einem ver-
stärkten Engagement gerade im säkularen Bildungs-
bereich. Schülerheime, von denen die Öffentlichkeit
annahm, dass in ihnen islamische Unterweisung
stattfinde, wurden geschlossen und zwei Schulen im
Rahmen niederländischer Schulnetzwerke gegründet,
eine davon als Montessori-Schule. In Belgien betrach-
tet sich das bildungspolitische Aushängeschild der
Bewegung, die Lucerna-Schule, als religiös und kon-
fessionell nicht gebunden. 120
  In der Bundesrepublik
macht die Bewegung nicht von der rechtlichen Mög-
lichkeit Gebrauch, den von ihr gegründeten Privat-
schulen ein besonderes pädagogisches, religiöses oder
weltanschauliches Curriculum zu verordnen, sondern
übernimmt die deutschen Lehrpläne.
Nimmt man alle diese Veränderungen zur Kennt-
nis, erscheint es mittelfristig unwahrscheinlich, dass
sich im Falle eines Interessenkonflikts die gegenwärtig
noch bestehenden zentralen Leitungsmechanismen
der Bewegung gegen die Interessen der Migranten
durchsetzen können. Dies gilt umso mehr für die Zeit
nach Fethullah Gülen, von dem informell berichtet
wird, dass er im inneren Zirkel der Bewegung mit
zunehmend kontroversen Interessen zu kämpfen hat
und sich immer schwerer damit tut, für Ausgleich
und Balance zu sorgen.
Entscheidungsträger und Institutionen in Deutsch-
land sollten deshalb für die Zusammenarbeit mit
Initiativen der Gülen-Bewegung in der Regel offen
sein. Gleichzeitig jedoch sollten sie bei jeder Koopera-
tion auf innerorganisatorische und finanzielle Trans-
parenz drängen und darauf hinwirken, dass Entschei-
dungen auf demokratischem Wege zustande kommen.
In der Auseinandersetzung um Inhalte muss die eigene
Position klar vertreten werden. Gleichwohl aber sollte
eine prinzipielle Achtung von Religiosität auch in den
Fällen sichtbar werden, in denen die Tiefe dieser Reli-
giosität in der stark säkularisierten deutschen Gesell-
schaft möglicherweise befremdlich wirkt.

Fußnoten:

108  Ekrem Dumanlı, »Society, not Community«, in: Turkish
Review 2:2 (2012) 3–4, S. 8–11.
109  Erklärung der Stiftung der Journalisten und Schrift-
steller (GYV) in der Zaman vom 14.8.2013. 
110  »Somit wird auch der Physikunterricht zum Kampf
gegen die Ğāhiliya (Unkenntnis Gottes), die Schulen werden
zu den eigentlichen Gebetshäusern und der Lehrer wird zur
Kerngestalt des Glaubens«, Tobias Specker, »Fethullah Gülen:
Zur Einführung«, in: Boos-Nünning et al., Die Gülen Bewegung
zwischen Predigt und Praxis [wie Fn. 97], S. 22–23.
111  Eine wegweisende Beschreibung und Analyse des Lebens
in den Wohngemeinschaften der Bewegung in Deutschland
liefert Kristina Dohrn, Ethik und Praxis in Wohngemeinschaften
der Gülen-Bewegung, Berlin: Weißensee-Verlag, erscheint 2014. 
112  Fethullah Gülen, »Der Charakter und die Mission der
Lichthäuser« (türkisch), fgulen.com (=offizielle Gülen-Website),
27.9.2001, http://tr.fgulen.com/content/view/2628/3/
(Zugriff am 20.11.2013).
113  Übersetzt nach. M. Hakan Yavuz: Toward an Islamic
Enlightenment: The Gülen Movement, Oxford 2013, S. 71.
114  Canlı, »Eine delikateVerbindung« [wie Fn. 27], S. 89.
115  Yavuz, Toward an Islamic Enligthenment [wie Fn. 113], S. 75.
116  Vgl. zum Folgenden ebd., S. 86f. Siehe auch Dohrn, Ethik
und Praxis in den Wohngemeinschaften der Gülen-Bewegung [wie
Fn. 111], S. 65–70. Eine nach Diskursen unterscheidende Glie-
derung findet sich bei Pim Valkenberg (der seinerseits Bezug
auf Bekim Agai nimmt), »The Intellectual Dimension of the
Hizmet Movement«, in: Çelik (Hg.), Mapping the Gulen Movement
[wie Fn 17], S. 33–34.
117   Yavuz, Toward an Islamic Enligthenment [wie Fn. 113], S. 86.
118  Ebd., S. 87. Die Bildung solcher Machtzentren in der
Polizei, die von der Leitung der Gemeinde nicht kontrollier-
bar sind, schildert Hanefi Avcı, Simons im Goldenen Horn: Gestern
der Staat, heute die Gülen-Gemeinde (türkisch), Ankara 2010,
S. 557ff.
119   Vgl. dazu Ruşen Çakır in der Tageszeitung Vatan vom
15. und 16.4.2012 und Ali Bayramoğlu in der Vatan vom
23.2.2012.
120  Leman, «The Flexible and Multilayered Character of
›Hizmet‹ Movement in Immigration« [wie Fn. 94], passim.



(Bildquelle: Wikimedia Commons ,Diyar se )

1 Kommentar:

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