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Sollten sich "anständiger Bürger" wegen der Überwachung sorgen? – Ein Erfahrungsbericht aus den Schattenkriegen
von Michael Blume, 06. Juli 2013, 13:52
	
Wir sollen uns doch bitte nicht 
so aufregen. Vor ein bisschen  Überwachung und ausufernden 
Sicherheitsbehörden hätten "anständige Bürger" doch gar nichts zu 
befürchten. Wir  sollten doch laut Sylvia Braun auf FOCUS.de
 einfach einsehen, dass "es gut ist, bestimmte Daten der User im Netz zu
  speichern." Wenn es beim Fangen von Terroristen und Kriminellen hilft,
  sollte es uns doch Recht sein! Und es übertreiben halt mal wieder die 
 USA, vielleicht auch Chinesen und Russen – aber wir feinen Europäer doch  nicht.
 So klingt es beschwichtigend in vielen Texten und Gesprächen in  diesen
 Tagen und es ist klar: in wenigen Wochen werden wieder andere  Themen 
die Medien und Politikforen dominieren.
Manchmal, wenn ich dieses 
leichtfertige Verspielen unserer  Bürgerrechte nicht mehr aushalte, 
erzähle ich von dem, was ich selbst  erlebt habe. Und das will ich, aus 
Respekt vor dem Mut von Edward  Snowden, heute erstmals auch online tun.
Es geschah im Jahr 2003 – wie inzwischen aufflog, zog damals der NSU auch nach allerlei Hinweisen unbehelligt von Sicherheitsbehörden mordend durch die Republik und den Südwesten und ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg warnte eine Zelle des Ku-Klux-Klans
 vor einer anstehenden Polizeiaktion. Statt dieser und anderer 
Extremisten bekam ich das "Vergnügen" der "Aufmerksamkeit" von Akteuren,
 die doch angeblich unsere Sicherheit und Verfassung beschützen.
Ich war damals Mitte 20 und darf wohl 
behaupten, so ziemlich das  Musterbeispiel eines „anständigen Bürgers“ 
abgegeben zu haben:  Abiturient und Scheffelpreisträger mit blütenweißem
 Führungszeugnis,  aktiv als Orts- und Kreisvorstand der Jungen Union, 
ehemaliger  Jugendgemeinderat sowie gewählter Jung-Stadtrat (CDU) in 
meiner  Heimatstadt Filderstadt. Hinzu kam eine Finanzausbildung mit  
Auszeichnung („Spitzenazubi“) bei der Landesbank Baden-Württemberg, 
gefolgt von einem Studienstipendium der Begabtenförderung der 
Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Ich  war (und bin) praktizierender 
Christ in der evangelischen Landeskirche,  Gründungsvorsitzender einer 
jungen, interreligiösen Initiative aus  Christen, Muslimen und Juden, 
Magister der Religions- und  Politikwissenschaft in Tübingen, jung 
verheiratet mit einer  Deutsch-Türkin und frisch Vater einer süßen 
Tochter. Auch, dass ich die Welt nur in rosarot gesehen hätte, lässt 
sich schlecht behaupten: Die Bilder von den  Flugzeugattentaten des 11. 
September 2001 erreichten mich an der  Evangelischen Akademie Bad Boll, 
in der wir gerade eine Sommerakademie  vorbereiteten mit dem Titel: 
„Christen und Muslime – Gemeinsam Gewalt  verhindern“. Und dann hatte 
ich mit einer Ausarbeitung über „Heimat und Identität“ auch noch einen 3. Preis des Bundesministerium des Inneren gewonnen; die vom damaligen Minister Otto Schily (SPD) unterzeichnete Urkunde bewahre ich bis heute auf.
Über diese Auszeichnung hatte der 
damalige baden-württembergische  Staatsminister Dr. Christoph Palmer 
(CDU) in der "Stuttgarter Zeitung"  gelesen – und so bekam ich einen 
Anruf seines Büros, ob ich nicht Lust  und Zeit hätte, mit dem mir bis 
dahin persönlich unbekannten Minister  einen Kaffee zu trinken. 
Natürlich hatte ich! Nach einem ausführlichen,  intensiven und guten 
Gespräch kam er zur Sache: Es mache ihm Sorgen,  dass es bislang in der 
Landesverwaltung praktisch nur Islamexperten aus  dem Sicherheitsbereich
 gebe; aber noch keinen zivilgesellschaftlichen  Dialog mit der großen, 
friedliebenden Mehrheit der Muslime. Wann ich  denn mit dem Studium 
fertig sei?
Und so trat ich also 2003 meine erste,
 halbe und befristete Stelle  an – überglücklich und noch überhaupt 
nicht ahnend, dass ich damit  Interessengruppen in den Weg geraten war, 
die es gar nicht toll fanden,  dass ein „ziviler Grünschnabel“ und 
„Moslemversteher“ ihre Pfründe  bedrohen könnte. Ich war insofern 
tatsächlich "naiv", dass ich meinte,  jede(r) müsse Dialog, 
Verständigung und den Abbau von gegenseitigen  Vorurteilen und Ängsten 
doch letztlich gut finden. Nun sollte ich auf  die harte Tour lernen, 
dass ganze Institutionen und Karrieren auch genau  von Ängsten leben!
Während ich also noch völlig 
ahnungslos meinen Arbeitsbereich  aufbaute, begannen "Kollegen" der 
Sicherheit schon auf eigene Faust  "belastendes" On- und Offlinematerial
 (einschließlich eMails) zusammen  zu tragen und schließlich 
Journalisten sowie Oppositionsabgeordnete  damit „zu füttern“. Ich weiß 
bis heute nicht, auf welcher Rechtsgrundlage diese Leute überhaupt gegen
 einen unbescholtenen Mitarbeiter "ermittelten" - und dann Auswahlen 
ihrer "Funde" auch noch weitergaben! Nun, sie taten es einfach - und 
eröffneten damit die Jagd.
Ich werde nie den Anruf eines 
Journalisten von den „Stuttgarter  Nachrichten“ vergessen, in dem mich 
dieser allen Ernstes fragte, ob ich  ihm denn „beweisen“ könne, Christ 
zu sein – schließlich sei ich „doch  mit einer Muslimin verheiratet“. Ob
 ich nicht zugeben wolle, „heimlich  konvertiert“ und in die 
Landesverwaltung „eingeschleust worden“ sei?  Ob ich denn "ausschlien 
könne", dass ein muslimischer Freund "Mitglied bei Milli Görüs war oder 
noch ist?" (War er nie - aber da schlucken Sie erstmal...) Ob meine Frau
 eigentlich Kopftuch trägt? (Nein. Und wenn?)
.
Immerhin: Seitdem kann ich 
existentiell nachvollziehen, was es für  religiöse Minderheiten 
bedeutet, von Verschwörungstheorien eingedeckt zu  werden...
In einem großen – inzwischen vom Netz 
genommenen – Artikel mit  bedrohlich inszeniertem Foto wurde ich sodann 
zum „umstrittenen  Islamberater“ ernannt, gestützt auf 
Verfassungsschutzquellen, die sich  verächtlich über mein 
interreligiöses Engagement, meine Magisterarbeit  und meine mutmaßliche 
„Naivität“ im Umgang mit Muslimen ausließen. Auch  der Verweis auf meine
 „türkische Ehefrau“ durfte selbst in "seriösen" Zeitungen damals  nicht
 fehlen. (Dass auch sie in Deutschland geboren und längst deutsche  
Staatsbürgerin war, ihr Abi an einem katholischen Gymnasium gemacht 
hatte etc. interessierte dabei naturgemäß überhaupt nicht. Mit 
"türkischer Ehefrau" wurden die entsprechenden Bilder beschworen - und 
eine  Prise Rassismus macht so eine Story ja nur noch würziger. 
Vergleiche: "Dönermorde"...)
.
Weitere  Zeitungen wie die rechtsgerichtete „Junge Freiheit“ – Storytitel: „Mit Allah in die Staatskanzlei“
 - und die türkisch-kemalistische „Cumhurriyet“ stiegen begeistert ein. 
 Obskure deutsche und türkische „Journalisten“ tauchten auch bei uns  
daheim auf und boten an, mich zu „beschützen“, wenn ich ihnen nur „mehr 
 Material“ gäbe. Äußerte ich mich nicht, so wurde mir das negativ 
ausgelegt ("...verweigerte jede Auskunft."). Äußerte ich mich, nicht 
weniger. ("...stritt alles ab.") Wir erhielten Drohanrufe und –mails, so
 dass wir die  Polizei einschalten und eine nichtöffentliche 
Telefonnummer beantragen  mussten. Der Abgeordnete Stephan Braun (SPD) 
assistierte mit einer Landtagsanfrage zum „Fall Michael B.“, die zur Diskussion meiner Magisterarbeit im Landtag führte.
Ein „anständiger Bürger“ blickt plötzlich in den Abgrund
Vielleicht wollen Sie einen Moment 
innehalten und sich vorstellen,  wie (auch) Sie sich gefühlt hätten: als
 völlig unbescholtener,  „anständiger“ Jungbürger, der vielfach belobigt
 und nie mit dem Gesetz  in Konflikt geraten, nun aber über Nacht zur 
Jagd freigegeben war.  Abgesehen davon, was das emotional und sozial mit
 einem macht – ich  hatte eine Frau, ein kleines Kind und nur eine 
befristete, halbe Stelle.  Familie, Freunde und auch unser damaliger 
Vermieter fragten, ob ich „in  Schwierigkeiten“ sei. Und das war eben 
nicht nur ich, das waren wir  ohne Zweifel. Hätten die selbsternannten 
Jäger damals Erfolg gehabt, so  hätte ich meine Anstellung verloren und 
wir wären noch dazu ein Leben  lang beruflich und öffentlich 
gebrandmarkt gewesen – ohne jedes faire  Gerichtsverfahren, ohne jede 
rechtsstaatliche Verurteilung und  gezeichnet für das gesamte, restliche
 Leben. Und es war den  Jägern völlig egal. Aus ihrer Sicht hatte ich 
mich für die falschen  Themen engagiert, die falsche Frau geheiratet und
 vor allem das falsche  Stellenangebot angenommen. Das reichte schon.
Doch nach dem ersten Schrecken 
sammelten sich damals auch  couragierte Demokraten. Minister Palmer 
wollte von mir wissen, ob „sie“  denn noch „etwas finden“ würden – was 
ich aus Überzeugung verneinen  konnte. Dann stellte er sich hinter mich,
 ebenso wie Freundinnen und  Freunde aus verschiedenen demokratischen 
Parteien, aus Kirchen, islamischen und  jüdischen Gemeinden, aus der 
Universität Tübingen und der Bürgerschaft.  Das war politisch, aber auch
 emotional und sozial wichtig – ich geriet trotz allem nicht in Panik 
(dass ich manche Nacht wach lag und wie es mir und meiner Familie ging, 
können Sie sich sicher vorstellen). Als die „Jäger“ auch nach intensiven
 und teilweise  abenteuerlichen Recherchen partout nichts  „Belastendes“
 mehr finden konnten, brach die Sache schließlich in sich  zusammen.
Im Juli 2003 veröffentlichten Staats- 
und Innenministerium B.-W.  dann eine gemeinsame Freispruch-Erklärung, 
die freilich von keiner  Zeitung jemals wiedergegeben, sondern am Ende „nur“ auf islam.de eingestellt wurde:
„Als „abwegig und an den Haaren herbeigezogen“ weisen das Staatsministerium und das Innenministerium die Veröffentlichung einer Tageszeitung zur Beschäftigung des Islam-Experten Michael Blume im Staatsministerium zurück. Der Verfasser werfe sogar spekulativ Behauptungen in Frageform auf, für die er jeglichen Beleg schuldig bleibe und erwecke so den falschen Eindruck, als würden seitens des Landes islamistische Bestrebungen toleriert.Das vom Verfasser vielfach ins Feld geführte Landesamt für Verfassungsschutz habe zu keinem Zeitpunkt Bedenken gegen die Verfassungstreue von Herrn Blume selbst geltend gemacht: “Weder er noch die von ihm mitinitiierte und -gegründete Christlich-Islamische Gesellschaft - so das Landesamt für Verfassungsschutz – „waren und sind Beobachtungsobjekte.“Aufgabenbedingt könne es naturgemäß unterschiedliche Einschätzungen zu Chancen und Risiken des interreligiösen Dialogs im muslimischen Umfeld geben. [Das ist mein Lieblingssatz!, Anm. Blume] Während Herr Blume den Auftrag habe, Politikberatung zu betreiben, sei es Auftrag des Landesamtes für Verfassungsschutz, verfassungsfeindliche Bestrebungen öffentlich aufzudecken und die Bekämpfung von Gefahren zu ermöglichen. Der interreligiöse Dialog müsse ein kritischer Dialog sein. Einerseits sei es zwingende Aufgabe der Politik, durch den interkulturellen und interreligiösen Dialog die Integration von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Daueraufenthaltsrecht in Deutschland zu befördern. Gleichzeitig müsse die Politik aber auch mit Nachdruck darauf achten, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen frühzeitig erkannt und unterbunden würden.“
So weit, so klar. Nach einigen harten 
Monaten war es einigermaßen  überstanden. Zwei hochrangige Kollegen der 
Sicherheit entschuldigten  sich schließlich, wenn auch zähneknirschend. 
Ob es wenigstens eine interne Aufarbeitung oder Disziplinarmaßnahmen 
gab, habe ich nie erfahren - ich bezweifele es auch, zumal ich damals 
selbst noch der Meinung war, hier liege nur ein unglücklicher, 
bedauerlicher Einzelfall vor. Immerhin: Der (inzwischen leider  aus dem 
Parlament geschiedene) Abgeordnete Braun merkte auch ganz ohne  Order 
von weiter oben, dass er für eine miese Sache eingespannt worden  war 
und suchte das klärende Gespräch – was ich ihm bis heute politisch  und 
auch menschlich hoch anrechne. Kein Wort des Bedauerns und keine  
Klarstellung gab es dagegen bis heute von den beteiligten Journalisten –
  für einen eingefleischten Zeitungsleser wie mich war das die 
vielleicht  härteste Enttäuschung. Schade.
Denn selbstverständlich verschwanden 
die Anschuldigungen jener Zeit  nie wieder ganz aus dem Netz, sondern 
werden seitdem (seit 10 Jahren!)  von Rechtsextremen immer wieder 
vorgebracht und weiter gesponnen. Auf  der rechtsgerichteten Prangerseite „Nürnberg 2.0“ habe ich inzwischen sogar einen eigenen „Steckbrief“,
  der mir und weiteren Demokratinnen, Wissenschaftlern, Politikerinnen  
usw. für die Zukunft eindeutig Gewalt androht – dessen Betreiber von den
  weiter wachsenden Sicherheitsapparaten aber leider, leider irgendwie  
nie ausfindig gemacht werden konnten.
 
Die Sache ist überstanden – oder!?
Zehn Jahre sind seit dieser Vorfälle 
vergangen – aber  selbstverständlich sind sie nie vorbei, denn das 
Internet vergisst  nicht. Immer mal wieder werde ich auch heute noch 
darauf angesprochen,  manchmal versucht noch ein Journalist darauf „aufzubauen“
 ("Islamexperte im Zwielicht") und manchmal versucht sich, etwa beim 
Anruf eines Redakteurs zu einem  ganz anderen Thema, die existentielle 
Angst und das Misstrauen jener  Monate in mein Leben zurück zu 
schleichen.
Daher entschied ich so ab 2004, mich 
einfach nie wieder  einschüchtern zu lassen und gerade auch die Netzwelt
 nicht den Jägern  und Hatern zu überlassen; ich begann zu bloggen und zu schreiben,
  Freiheiten mit mehr Lust denn je auszufüllen. Beruflich habe ich nicht
 nur  überlebt, sondern unfreiwillig reifer und gestählter die Karriere 
 fortsetzen können – inzwischen bin ich Referatsleiter und Landesbeamter
  im höheren Dienst und arbeite zudem wann immer möglich auch forschend,
  schreibend und lehrend wissenschaftlich weiter. Gerade der damalige, 
so  plötzliche Blick in den Abgrund hat mich gelehrt, die guten Tage  
bewusster zu erleben und zu gestalten – man weiß nie, wie viele man noch
  hat.
Ich weiger(t)e mich, Leben und 
Freiheit an die Logik aus dem Ruder  laufender Sicherheitsapparate 
abzugeben, die Bedrohungsszenarien,  Terroristen und Extremisten als 
Existenzberechtigung und Karrieretickets  geradezu benötigen. 
Strukturell ist es schon wegen dieser  Interessenskonflikte schwer zu 
vermeiden, dass sich gerade auch solche  Dienste in dubiose Koalitionen 
verwickeln, Verschwörungstheorien gegen  religiöse und ethnische Minderheiten
 schüren und die vermeintliche  „Naivität“ von Dialog- und 
Demokratieaktiven mehr oder weniger offen  verachten. Und 
selbstverständlich gibt es bewussten und vorbewussten Rassismus auch in Sicherheitsapparaten
 – dort arbeiten schließlich keine fiktionalen TV-Überhelden, sondern 
echte  Menschen, die noch dazu über Jahre hinweg auf bestimmte Milieus  
angesetzt werden und dabei Gruppendynamiken und Erfolgsdruck ausgesetzt 
 sind. Menschen mit Skrupeln oder gar Reformer geraten da schnell an den
 Rand. Wundert Sie denn wirklich noch das rechtsstaatlich dubiose Verfahren gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König, während die bundesweiten NSU-Verflechtungen noch immer nur unzureichend aufgeklärt sind?
Was wird die Zukunft bringen?
In allen demokratischen Parteien habe 
ich über die Jahre Leute  kennen gelernt, die sich über diese 
Entwicklungen wirklich Sorgen  machen, andere, die sich von den neuen 
Möglichkeiten neue Macht  versprechen (und noch nicht begreifen, dass 
auch sie selbst oder ihre  Kinder die nächsten Opfer sein können) - und 
viele, denen das Thema  einfach gleichgültig oder zu komplex ist. Die 
parlamentarische Kontrolle  der Geheimdienste ist in Europa, im Bund und
 vor allem in den Ländern  noch immer schwach bis mager – und was Dienst
 A aufgrund ärgerlicher  Bürgerrechte nicht selbst erledigen kann, lässt
 sich eben durch Kollegen  aus Staat B oder durch  „private Unternehmer“
 per  „Informationsaustausch“ einholen. "Wir" dürfen z.B. nicht foltern?
 Dann  überlassen wir halt Verdächtige diversen „Verbündeten“, die es 
dürfen  und uns danach an den „Ergebnissen“ beteiligen.
Das Recht von Nationalstaaten hält 
kaum mehr stand. Auch wir  Deutschen finden es ja mehrheitlich einfach 
super, gegen Schweizer Recht  Steuer-CDs zu kaufen; verdrängend, dass 
ebenso auch unsere eigenen,  intimsten Daten längst „auf dem Markt“ 
sind. Die „Jäger“ von 2013 haben  heute noch unendlich viel mehr 
Möglichkeiten als es jene von 2003  hatten; und wenn Sie auch noch so 
eine „anständige Bürgerin“, ein  „anständiger Bürger“ sind, so mag sich 
in Ihren wachsenden Daten schon  das blöde Bild, der blöde Text, das 
peinliche Vergehen oder auch einfach der  falsche Kontakt verbergen, den
 man eines Tages gegen Sie verwenden  kann. Dazu wird man bald auch 
nicht mal mehr eine mehr oder weniger  seriöse Zeitungsredaktion anrufen
 müssen, sondern – wie etwa in Russland  schon üblich – einfach ein paar
 anonyme Blogs „füttern“, Stalker  ansetzen und Ihre Reputation und 
Lebensbezüge aus dem Dunkel heraus  angreifen. „Etwas“ bleibt selbst 
nach einem "Freispruch" immer hängen,  liebe anständige Bürgerinnen und 
Bürger – auch das kann ich aus eigenem  Erleben leider bestätigen...
Umso mehr wir aber einander und 
unseren gewählten Abgeordneten  misstrauen, umso schwächer wird auch 
unsere Freiheit, unsere Widerstandskraft und unsere  Demokratie. Es ist 
das große Paradox unserer Zeit, dass gerade der  Individualismus unsere 
Freiheitsrechte untergräbt – denn alleine kann im  Zweifel keine(r) 
wachsenden Apparaten widerstehen. Umso mehr wir uns  alle verängstigt 
auf den Staat verlassen, umso mehr Macht übertragen wir  ihm auch.
Nicht also eine von irgendwo zentral 
gelenkte Superverschwörung,  sondern eine schleichende, rational 
interessengeleitete Verflechtung von  legaler, halb- und illegaler 
Überwachung samt ständiger Einschüchterung  der Öffentlichkeit durch 
ehren- und hauptamtlich agierende Extremisten  (so treffend die heute-show)
 führen zu einer Angst, die sich in  Ihr Leben schleicht und die Sie 
sich schließlich selbst-zensieren lässt: längst nicht mehr nur in der 
Türkei, in Russland oder China, sondern längst auch  hier, bei uns. Ob 
und wann wir merken werden, dass wir einmal freier  waren?
Und, nein, diesen Text schrieb eben 
kein utopischer Anarchist,  sondern ein braver, verfassungstreuer Christ
 und Demokrat – nicht ein sozial isolierter  Nerd, sondern ein 
glücklicher Familienvater – nicht ein beruflich  Gescheiteter, sondern 
ein leitender Beamter – nicht ein fachlicher  Dilettant, sondern ein 
seit Jahrzehnten im Dialog Aktiver und inzwischen  mehrfach 
ausgezeichneter Wissenschaftler. Ich habe damals (fürs Erste)  diese 
Verflechtungen und ihre Methoden knapp überlebt, die inzwischen zu  
einem Teil unserer gemeinsamen Realität geworden sind. Wenn Ihnen also  
das nächste Mal irgendjemand erzählt, „anständige Bürger“ hätten von den
  ausufernden Methoden „der Sicherheit“ doch überhaupt gar nichts zu  
befürchten und Bürger- und Parlamentsrechte sowie Datenschutz seien  
langweilige Sonderthemen oder blanker "Täterschutz", geben Sie ihm oder 
 ihr doch bitte den Link zu diesem Erfahrungsbericht.
Was getan werden sollte?
Am liebsten würde ich hier enden – 
aber will es natürlich nicht bei  Klagen belassen. Falls Sie noch 
interessieren sollte, was denn meines  Erachtens getan werden könnte und
 sollte, so will ich drei Punkte  nennen, die ich persönlich für zentral
 und wirkungsvoll halte. Denn ich glaube trotz allem, dass die 
Schattenkriege um unsere Bürgerrechte noch nicht völlig verloren sind.
- Getrennt werden wir geschlagen. Wir brauchen mehr interkulturellen und internationalen Dialog
 
Die ausufernden Überwachungen und 
Maßnahmen werden mit „der  Sicherheit“ gerechtfertigt – und zwar 
gegenseitig. Unter dem Label des  „Kampfes gegen den Terrorismus“ (oder 
auch gegen Steuerhinterziehung,  sexuellen Missbrauch, Cybermobbing 
etc.) verstehen die USA, China,  Russland, Israel, die Türkei, arabische
 Staaten und auch Europa dabei  auch je völlig unterschiedliche Gruppen 
und Aktionen. Des einen Oppositionellen ist des anderen Kriminellen. 
Umso wichtiger  scheint es mir zu sein, dass Demokratinnen und 
Demokraten aller Länder,  Kulturen und Religionen gegenseitige 
Feindbilder und  Verschwörungstheorien überwinden, Extremismen die Stirn
 bieten und auch  darüber sprechen, wie viel Macht und Kompetenzen wir 
unseren  Sicherheitsapparaten eigentlich übertragen wollen. Klar bleibt 
das eine  millionenfache Jahrhundertaufgabe: Aber wenn 
zwischenmenschliche Dialoge  nichts fruchten würden, würden ihre Gegner 
sie auch nicht immer wieder  verächtlich zu machen und zu unterbinden 
versuchen. Lasst uns  miteinander reden, gerade wenn wir uns noch fremd 
sind – denn getrennt  werden wir auf jeden Fall geschlagen!
2. Abgeordnete können mehr als Stimmvieh sein - stärken wir die Guten!
Gerade auch die internen Zerwürfnisse 
der Piraten haben gezeigt:  Individuen haben auch in der digitalen 
Welt unterschiedliche  Zeitbudgets, Kompetenzen und Interessen. Von 
potentiell allen gewählte  Abgeordnete können eben nicht durch 
Online-Debatten ersetzt werden;  sondern sollten mit ihnen verbunden 
sein. Gerade auch in der Verteidigung  unserer Bürgerrechte, in der 
Kontrolle und Aufklärung von Staatshandeln  gewinnen engagierte 
Abgeordnete und ihre Mitarbeitenden neue Bedeutung.  Niemand muss gleich
 all ihren anderen Ansichten zustimmen – aber für  glaubwürdig 
aufklärende Abgeordnete wie Sebastian Edathy (SPD), Clemens Binninger (CDU) oder auch hartnäckig "die Sicherheit" Nervende wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Christian Ströbele (Grüne)
 bin ich als Demokrat dankbar. Aktive Parlamentarier, Kontrollgremien 
und Untersuchungsausschüsse sind heute  wichtiger denn je. Umso stärker 
wie auch die entsprechenden Leistungen  einzelner Parlamentarierinnen 
und Parlamentarier über Parteigrenzen  hinweg anerkennen und würdigen, 
umso stärker und unabhängiger können  diese auch auftreten. Auch Online-Petitionen an die Parlamente halte ich für sinn- und wirkungsvoll!
3. Unabhängiger, qualitativ hochwertiger Journalismus sollte uns etwas wert sein!
Vielleicht erwarten Sie nach den o.g. 
Schilderungen von mir  wohlfeile Schelte über die „Journaille“. Aber ich
 halte gerade auch nach diesen Erfahrungen Qualitätsmedien  weiterhin 
für unverzichtbar. Und ich glaube nicht, dass dort grundsätzlich 
schlechtere  oder bessere Menschen arbeiten, sondern dass wir auch hier 
nach  Strukturen fragen müssen. Auch viele Journalistinnen und 
Journalisten  leiden unter zunehmend brutalem Zeit- und Spardruck und 
sind also auf  vorgekochte Infohappen und –quellen mehr denn je 
angewiesen; da bleibt  die eigene Recherche notgedrungen oft auf der 
Strecke, steht die  Überschrift  schon am Beginn der Story fest. Wer 
kann da schon Nein  sagen, wenn der "Freund von der Sicherheit" immer 
wieder Informationen,  Einladungen und auch mal eine "heiße Geschichte" 
parat hat? Und wo sich  Medien wirtschaftlich gar nicht mehr lohnen, 
leiden Vielfalt und  Wettbewerb – wenn sie nicht gar nur noch als 
Nebenangebote von Staats- und  Multikonzernen „gehalten“ werden, die für
 ihr Geld dann aber auch  „Gegenleistungen“ erwarten.
Hochwertiger, 
unabhängiger Journalismus ist in Zeiten der  Informationsüberfülle 
notwendiger denn je; und er darf, ja muss uns  durch alte oder neue 
Bezahlmodelle etwas kosten. Ich sehe nicht ein,  warum Sportler und 
Talkshow-Moderatoren Millionäre werden  dürfen, herausragend 
recherchierende Journalistinnen aber nicht. Auch  Whistleblower wie 
Edward Snowden brauchten stets glaubwürdige, seriös  hinterfragende und 
engagierte Journalisten – und haben sie Gott sei Dank  auch (noch) 
gefunden. Ja, ich wünsche mir natürlich, dass auch  Medienschaffende 
insgesamt fairer mit Menschen umgehen und Fehler, die  überall 
passieren, auch eingestehen oder korrigieren. Aber es liegt  gerade auch
 an uns als Kunden, dafür zu sorgen, dass sich  Arbeitsbedingungen in 
Medien wieder verbessern und sich gute,  glaubwürdige Arbeit auch für 
die Beteiligten lohnt.
So, das musste ich loswerden. Und jetzt mal schauen, was passiert… 
Falls Ihr bald nichts mehr von mir hört, wisst Ihr Bescheid! ;-)
" 
Zitat Ende. 

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