Donnerstag, 15. September 2011

Anschläge und Gewalt gegen Moscheen und Muslime

Diese Berliner Moschee wurde gleich
mehrfach Ziel eines Brandanschlages
Schon vor mehr als einem Jahr fragte ich mich, ob es denn nicht eine spezifische und detailliertere Untersuchung zu Gewalt gegen Muslime oder zu Anschlägen auf muslimische Einrichtungen wie zum Beispiel Moscheen gäbe.

Ich musste bei meinen Internetrecherchen schnell feststellen, das zwar die Gewalt durch Rechtsradikale zumeist auf Migranten durchaus untersucht und auch quantifiziert wurde, auch bezogen auf Gewalt gegen jüdische Einrichtungen, Friedhöfe, und dergleichen, jedoch speziell Gewalt gegen Muslime und deren Einrichtungen eher nicht erfasst oder untersucht wurde.

Und dies verwunderte mich, höre ich doch immer mal wieder seit Jahren von diversen Anschlägen gegen Moscheen, oder Kultureinrichtungen von Muslimen, von Brandsätzen angefangen, bis hin zu Attacken mit Schweineblut oder Hakenkreuz-Schmierereien. Wieso wird dieses nicht gesondert betrachtet, sondern verschwindet meist - wenn überhaupt - in irgendwelchen Lokalseiten kleiner Tageszeitungen? Müssen erst wieder Menschen verbrennen, bis ein öffentliches Bewusstsein geschaffen wird, und verstärkte Anstrengungen und geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden?

Ich sprach im Blog schon einmal von dem vielleicht zunehmenden Unwohlsein von hiesigen Muslimen, und dem wohl oft geäußerten Wunsch, dieses im Einzelfall subjektiv als zumindest gastunfreundlich empfundenes Land zu verlassen - wenn man denn gut ausgebildet ist, also genau zu jenen Fachkräften gehört, die Deutschland so dringend benötigt - nicht zuletzt auch um dadurch weitere Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor zu schaffen:

Brandanschlag auf Moschee und das Unwohlsein von Muslimen


Bekanntlich führt ja "hate speech" zu "hate crime".
Dies sollte eigentlich auch dem letzten Hinterbänkler nicht erst seit dem Terroranschlag des Rechtspopulisten Anders Breivik in Oslo bewusst sein.

Schauen wir also mal in diesem Blogposting, ob es da einigermaßen valide Daten zu einem eventuellem Anstieg von islamophober Gewalt gibt.
Passend dazu folgender Artikel:

Wenn erst die Moscheen brennen, will es wieder keiner gewesen sein!
(Hagen Rether)
Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.
(Heinrich Heine)

Es herrscht Pogromstimmung
[...]

.... Nicht einmal das Faktum, dass ein Bundesbanker sich an die Spitze der antiislamischen Hetze in Deutschland stellt, scheint als entlarvendes Warnsignal über Ziel und Zweck der Strategie wirklich ernst genommen zu werden. [...]

Dass viele aber im 21. Jahrhundert immer noch so tun, als wäre nicht bekannt, dass hate speech zu hate crime führt, ist beunruhigend. Nun hat es in den USA einen muslimischen Taxifahrer erwischt, der knapp eine Messerattacke überlebte, im ganzen Land werden seit Monaten Moscheen angegriffen [...]
In Deutschland werden kopftuchtragende Frauen Opfer von Anfeindungen, Moscheen werden attackiert, muslimische Gräberfelder verwüstet – wie jüdische Friedhöfe weiterhin. Während letzteres zumindest die Geschichtsbewussten auf den Plan bringt, scheinen die anderen „Einzelfälle“ bis hin zum Mord an Marwa El-Sherbini vor einem Jahr in Dresden weniger zu beunruhigen – von Regierungsseite gibt es nach wie vor keine Erklärungen, auch andere Stellen öffentlicher Empörung tun sich schwer mit der Anerkennung dieser neuen Form von Rassismus. Von Bekämpfung des Phänomens scheint man erst recht nichts wissen zu wollen.
[...]

So wird aus diesem Konflikt, wie aus vielen anderen auch, ein Religionskonflikt – zunächst herbei geredet und dann realiter, denn das ist die faktizierende Kraft der Worte. Wie die Progrome, die den jetzigen mehr oder weniger expliziten Aufrufen zu Hass und Gewalt folgen werden.
Komplett:
S. Schiffer: Es herrscht Pogromstimmung, 02.09.2010 (Friedensratschlag)


Nun kommen einige meiner eigenen früheren Recherchen, bevor ich aus einem brandaktuellen Artikel zitiere, der der eigentliche Grund meines heutigen Postings hier ist.

Es gab ja durchaus mal Anschläge auf Moscheen, usw. - die Frage ist: Gibt es einen Zusammenhang mit öffentlicher (Ausländer-/Islam-)Debatte und Medienhype und diesen Anschlägen, oder ist es eher zufällig und diese Pogrom-Stimmungsthese von oben ist übertrieben und ohne Grundlage?

Fangen wir mal mit einer wissenschaftlichen Studie an, die die Anschläge der 90er Jahre untersuchte: Fremdenfeindliche Brandanschläge: eine kriminologisch-empirische ... von Frank Neubacher Googlebooks

Leider ist diese Studie von '97, untersucht also nicht mögliche Tendenzen nach dem 11. September.

Trotzdem ist es erstaunlich, wieviel Brandanschläge es gab, die einen ausländerfeindlichen Hintergrund hatten:

 1990: 50 (Tatmotiv unbekannt, der Rest in den folgenden Jahren mit ausländerfeindlichem Tatmotiv. Laut Verfassungsschutz)
1991: 354
1992: 656
1993: 284
1994: 80
1995: 37

Gibt es für diese Kurve eine Erklärung? Korreliert sie vielleicht mit einem Medienhype, also angeblicher "Asylantenflut" in den Medien? Korreliert sie vielleicht mit einer politischen Debatte? Wer waren eigentlich die Täter? Neonazis? Oder kamen sie aus der Mitte der Gesellschaft? Lest selber die Ergebnisse der Studie nach.


Nur zur Erinnerung, damit nicht alle "Spätgeborenen" denken würden, die Thilo Sarrazin-Debatte, die Minarett-Verbotsdebatte, und, und, und, wäre sooo neu:

Unter anderem unter dem damaligen Innenminister Manfred Kanther wurde in den Jahren 1991 und 1992 eine polemische Ausländer- und Asyldebatte geführt:
Hoyerswerda in den Köpfen  
Vor der Asyldebatte: Der Terror gegen Ausländer ist ein Anschlag auf unseren Verfassungsstaat

Die geeinten Deutschen? Im Osten wie im Westen, von Hoyerswerda über Saarlouis bis nach Freiburg machen rechtsextremistische Jugendliche Hätz auf Asylbewerber, oft genug unter dem Beifall der gaffenden Nachbarn. Die Ausländerfeindlichkeit schlägt um in Rassenhaß und Terror. Wer aber Hand an auch nur einen Ausländer legt, verübt einen Anschlag auf unseren liberalen Rechtsstaat und unsere freiheitliche Ordnung, der nicht minder schwer wiegt als das Attentat auf einen Politiker. ...
Weiter in der ZEIT.

Willkür, Demütigung und Gewalt in Abschiebehaft  
25.01.1996  
»Abschiebedefizit« war 1993 ein zentrales Schlagwort der herrschenden Asyldebatte.1993 wurde mit den Stimmen der SPD, FDP, CDU und CSU der Grundgesetzartikel 16 (Asylrecht) geändert und damit, in der politischen Kontinuität der letzten 15 Jahre, ein weiterer Schritt zur Beseitigung dieses elementaren Menschenrechts beschlossen. »Abschottung« und »Abschiebung«, zwei Begriffe die den gesamten Inhalt der derzeitigen »Asyl«-Praxis bestimmen. Im weiteren soll die Abschiebehaft näher untersucht werden. ...
weiter auf Abschiebehaftgruppen-Vernetzung


Wenn sich dieses Zitat anschaut, dann hatte wir alles schon einmal in ähnlicher Weise:
Medien fungieren dabei als Bindeglieder zwischen institutionellem (strukturellem, staatlichem), intellektuellem (pseudowissenschaftlichem) und individuellem bzw. Alltagsrassismus. Sondergesetze für und behördliche Willkürmaßnahmen gegen Migrant(inn)en, die man „institutionellen Rassismus“ nennen kann, kennen deutsche „Normalbürger/innen“ hauptsächlich aus den Massenmedien. Sie bestätigen meist ihre eigenen Klischeevorstellungen über Ausländer/innen. Umgekehrt benutzt der Staat durch Medien millionenfach verbreitete Ressentiments gegenüber „den Ausländern“, um diese strukturell benachteiligen zu können. Im Rahmen der 1991/92 kampagnenartig zugespitzten Asyldebatte rechtfertigten Politiker die Änderung des Artikels 16 Grundgesetz mit der „Volksmeinung“. Schließlich erhalten Rechtsextremismus und Rassismus durch die Medien teilweise ein öffentliches Forum, was ihre hohe Massenwirksamkeit mit erklärt.



aus dem längeren Artikel:

Christoph Butterwegge:
Migrationsberichterstattung – Massenmedien als Motoren der Ethnisierung

Über die Ausländer/innen in der Bundesrepublik berichten Massenmedien ganz ähnlich wie über das Ausland, nämlich praktisch nur im Ausnahmefall, der möglichst spektakulär sein und katastrophische Züge tragen sollte, wodurch Zuwanderer mit Unordnung, Chaos und Gewalt in Verbindung gebracht werden. Der medial konstruierte und auf diese Weise deformierte „Fremde“ ist überflüssig oder gefährlich, zu bedauern oder zu fürchten – meistens allerdings beides zugleich. Das gilt vor allem im Hinblick auf Musliminnen und Muslime aus der Türkei, die mit Abstand größte Zuwanderergruppe Deutschlands. Die aktuelle Migrationsberichterstattung reproduziert, forciert und zementiert jenen Trend zur sozialen Polarisierung, den die Globalisierung bzw. neoliberale Modernisierung erzeugt.
Droht uns diese Welle erneut? Haben wir erste Anzeichen dafür? Oder findet sie bereits still und leise abseits des medialen Mainstreaminteresses statt?

Oder ist dieses "nur" der übliche Bodensatz an Idioten und Kriminellen jeder Bevölkerung, der sich mal gegen Ausländer richtet, mal gegen Juden, mal gegen Muslime, mal gegen Autos von vermeintlich Reichen, mal sind die Obdachlosen dran oder gegen Tankstellen, die vermeintlich eine Ölkatastrophe zu verantworten haben, und so weiter?

Nach einer Kurzrecherche eine Auflistung von Anschlägen in den 2000ern (meist Brandanschläge):

  2002 Moschee in Wolfenbüttel

2004 auf eine Moschee im baden-württembergischen Sinsheim

2008 Moschee in Sittensen

2008 Moschee in Wülfrath

2009 Moschee in Elsenfeld

2009 Moschee in Stadtallendorf

2010 Moschee in Rheinfelden

2010 Moschee in Bruchsaal

2010 in Berlin auf eine Moschee

2010 Moschee in Berlin zum zweiten Mal

2010 Moschee in Brackwede

2010 Moschee in Bad Lippspringe

Und das sind nur die Moscheen!

(Nun ist es aber so, dass nicht alle Fälle vergleichbar sind, und ich möchte hier anfangs nicht den Eindruck erwecken, dass alle Taten restlos geklärt seien, dass alle Taten gleich ein ganz "immenser Terrorakt" oder ein Brandanschlag seien, oder dergleichen. Später unten mehr und genaueres und seriöseres Datenmaterial, es geht hier erstmal nur um antimuslimische Tendenzen, die ich vor Jahren mal recherchieren wollte.)

Ich breche hier mal ab nach konkreten Fällen mittels google zu suchen, denn es gibt offenbar schon Listen mit ähnlichen Fällen:
TGN - Türkische Gemeinde in der Metropolregion Nürnberg :: Willkommen auf www.tgmn.de
Nun fragt mich nicht, wie seriös diese Liste ist.
Ist erstmal auch egal, es soll nur verdeutlichen, dass wir hier vielleicht doch keine Phantomdebatte führen? So wie es ja durchaus auch Parallelgesellschaften von Migranten in Deutschland gibt, gibt es wohl ein "nervöses" Klima? (Nicht nur Deutschtürken übrigens, geht mal in ein japanisches Viertel und versucht mit denen Deutsch zu sprechen...)

Dieses berichteten übrigens auch "einheimische" Deutsche, die aber im muslimischem Umfeld tätig sind, und zwar bereits 2007:
Auch Islam-Gegner werden radikal

Berlin - Die Szene der Islam-Gegner wird zunehmend militant. Islamwissenschaftler und Juristen, die sich für einen Dialog mit Muslimen aussprechen, haben mit Morddrohungen und Hasspost zu rechnen. So hatte der Juraprofessor und Islamexperte Mathias Rohe kürzlich, ..., eine Mail bekommen, in der gedroht wird, ihn an einer Straßenlaterne aufzuknüpfen. Zudem wurden Besucher der einschlägig bekannten Website Politically Incorrect aufgefordert, Rohes Vorträge nur noch mit "schönen scharfen Messern" und Kameras zu besuchen. ...
Morddrohungen gegen Juristen, der den Dialog mit den Muslimen will: Auch Islam-Gegner werden radikal - Die Welt

Abgesehen von obigen Moscheen, gibt es natürlich immer wieder mal rassistisch motivierte Übergriffe, Gewalt, Mord, usw.
Alles Einzelfälle?

MUT gegen rechte Gewalt ~ Chronik rechtsextremer Gewalt 2007 bis 2009
 

Und hier eine weitere Dokumentation:
Rassistische und rechtsextremistische Taten in Deutschland - alltägliche Einzelfälle

Jetzt mal ehrlich:

Wer fühlt sich wohl "unwohler" in der Nachbarschaft:

Der "Türke", dessen Moschee in seiner Nachbarschaft Ziel eines Brandanschlages wurde (egal ob es danach zu großen oder kleinen Schäden kam)?
Oder der "Deutsche", in dessen Nachbarschaft ein Dönerladen und eine türkische Schneiderei und ein Obsthändler aufmachte?

Kommen wir nun zu einem Artikel aus heise.de, der mich dazu brachte meine alten Recherchen hervorzukramen, und durch diesen neuen Artikel zitatweise zu ergänzen. Er ist wesentlich genauer, zeitintensiver und detaillierter in seiner Recherche als meine obigen ersten Versuche. Dadurch auch seriöser.


Moscheeanschläge: 
schleichende Kristallnacht 

Gerhard Piper 10.09.2011 
Nach den Anschlägen von Oslo wähnen sich die Islamkritiker wieder auf dem Vormarsch. Das Abendland soll gerettet werden, notfalls mit Gewalt. Dabei sind ausländer- und islamfeindliche Aggressionen keineswegs neu 

In den letzten dreißig Jahren hat es allein in der Bundesrepublik ein Dutzend Bombendrohungen und über hundert kleinere und größere Anschläge gegen Moscheen mit Steinen, Brandsätzen und Schusswaffen gegeben. Hinzu kommen fast fünfzig Schändungen von Moscheen durch Hakenkreuz-Schmierereien, Scheiße oder Schweineblut. Der folgende Artikel ist die z. Zt. umfassendste, aber dennoch unvollständige Darstellung der Moscheeangriffe in insgesamt 106 Städten und Gemeinden in Deutschland.
Nun folgt im Artikel eine kurze Darstellung des Islams in Deutschland, und der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, und dem Hinweis, dass es schon 1981 eine Attacke gegen eine Moschee gegeben habe.
2. Schwierige Datenlage
Die Einschätzung der genauen Datenlage ist schwierig. Die Liste der Moscheeanschläge ist unvollständig und die Schilderung der Einzelfälle lückenhaft: Das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden konnte auf Anfrage des Fernsehmagazins "Monitor" nicht mitteilen, ob die islamfeindlichen Anschläge in Deutschland in den letzten Jahren zugenommen haben oder nicht, weil man - trotz der gemeinen behördlichen Datensammelwut - diese Kategorie gar nicht erfassen würde. ...
Die wichtigsten Informationsquellen sind nach wie vor die Lokalzeitungen. ...
Eine weitere wichtige Informationsquelle sind nicht zuletzt die Betroffenen selbst. ...
Nach der Reichskristallnacht von 1938 sollte man meinen, dass die deutsche Bevölkerung besonders sensibel auf solche Anschläge reagiert, damit sich die Geschichte nicht in ähnlicher Weise wiederholt. Stattdessen ist das Gegenteil der Fall. Die Angriffe sind jeweils eine kurze Zeit Stadtgespräch, aber danach kaum noch Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit. So ist es nach zwanzig, fünfundzwanzig Jahren überaus mühselig herauszufinden, wer damals irgendwo in Deutschland die Fensterscheibe einer Moschee eingeworfen hat, und nicht immer hat man Erfolg. Dennoch wäre eine vollständige Auflistung unerlässlich.
Die folgende (unvollständige) Übersicht bietet eine Auflistung der physischen Gewaltakte gegen Moscheen, die im Folgenden als "Anschlag" bezeichnet werden:
  • Steinwürfe (o. ä.)
  • Einbrüche mit Vandalismus
  • Brandanschläge
  • Schusswaffengebrauch
  • Bombendrohungen
  • "Bomben"-Anschläge (o. ä.)
Ausgeklammert wurden alle Fälle einer "bloßen" Schändung von Moscheen oder Morddrohungen gegen muslimische Einzelpersonen.
Juristisch geht es u. a. um folgende Straftatbestände des Strafgesetzbuches: Störung des öffentlichen Friedens (§ 126 StGB), Bedrohung (§ 241), Sachbeschädigung (§303), schwere Brandstiftung (§ 306), besonders schwere Brandstiftung (§ 307), gefährliche Körperverletzung (§ 223), Mord (§ 221), Landfriedensbruch (§ 125), etc..
Dann listet der Autor geordnet nach geographischen Gesichtspunkten alle Anschläge auf Moscheen in Deutschland nach obiger Definition auf. Vorbildlich ist, dass er gleich Gegenargumentationen den Wind aus den Segeln nimmt, indem er auch exemplarisch einige Fälle aufzeigt, die eben nicht in die Liste Eingang fanden, da sich im Laufe der Ermittlungen herausstellte, dass es zum Beispiel technische Defekte waren die zu einem Brand führten, und wo zuerst seitens der Polizei von einem antimuslimischen Hintergrund ausgegangen wurde, und dieses auch durch die Presse kommuniziert wurde. So dass sich diese Fälle in anderen Listen durchaus finden lassen. Hier aber nicht.


Darüber hinaus haben sich mehrere Fälle einer religiösen "Schändung" der Moscheegebäude durch Hakenkreuzschmierereien, Farbbeuteln mit Schweineblut oder das Beschmieren mit menschlichem Kot oder Schlachtabfällen ereignet, die hier nicht im Detail erfasst wurden:

Bad Lippspringe (16.3.2010), Bergheim (21.9.2001), Berlin (29.9.2004 / 1.10.2004 / 3.7.2008 / 5.9.2010), Bielefeld (1.5.2010), Bitburg (1.5.2004), Bonn (19.11.2006), Buchloe (3.1.2008), Colmar (2005), Datteln (25.12.2006), Dillingen (19.2.2011), Dortmund (23.12.2006), Dresden (17.5.2011), Düren (23.4.2006), Elsenfeld (21.10.2009), Frankfurt/Main (2.-3.7.2011), Gießen (7.11.2010), Hameln (28.4.2006), Hannoversch Münden (11.11.2010), Hilden (7.-8.3.2009), Hürth (28.3.2006), Idstein (20.3.2008), Köln (16.12.2009), Konstanz (22.10.2001), Lauingen (10.12.2007), Lindau (11.-12.12.2007 / Dez. 2008), Ludwigshafen (18.4.2007), Offenburg (22.12.2001), Osterode (1.7.2011), Pulheim (29.5.2007), Rheinfelden (2.5.2010), Sankt Ingbert (2008), Schondorf (Sept. 2001), Sittensen (22.3. 2008), Üpach-Palenberg (18.10.2001 / 17.11.2006), Wasserburg (27.2.2008 / 3.3.2008), Wipperfürth (2008 / 4.1.2011), Wörth (13.2.2011), Wolfenbüttel (19.8.2006 / 16.3.2008), Wülfrath (19.4.2008), ... ...

Hinzu kommen die Morddrohungen gegen die Funktionäre der in Deutschland tätigen Moschee- und Moslemverbände. ...
Wer die Ausländerfeindlichkeit in der BRD mit der Situation im europäischen Ausland vergleichen möchte, sei auf die Jahresberichte des früheren European Monitoring Centers on Racism and Xenophobia (EUMC) bzw. der jetzigen European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) in Wien und ihre jährlichen MIDIS-Berichte verwiesen. ...

Da das Informationsaufkommen lückenhaft ist, ist eine exakte Auswertung der Daten nicht möglich, aber immerhin sind Tendenzaussagen möglich. Obwohl eine Gesamtdarstellung nicht möglich ist, umfasst die obige Auflistung immerhin 122 Vorfälle (ohne die Zusatzkategorie "Sonstige"), die sich gegen mindestens 92 Moscheen in 82 Städten und Gemeinden richteten. Zwölf Moscheen wurden gleich mehrfach angegriffen. Außerdem wurde einmal ein Moschee-Verband (DITIB) direkt attackiert. Glücklicherweise haben die Angriffe keine Menschenleben gefordert...
Der historische Vergleich mit der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 wirkt zunächst stark übertrieben; auch fehlt die Schockstarre, die der damalige Gewaltexzess auslöste. Heute ist es eher ein leiser Zerstörungsprozess, der wie eine Krebsgeschwulst das Land allmählich mit Gewalt-Metastasen überzieht und überall seine Spuren hinterlässt....
In den letzten Jahren war viel vom "islamistischen Terrorismus" die Rede. Schaut man sich die empirischen Befunde für die BRD an, dann bezieht sich dies weniger auf einen Terrorismus von Islamisten, sondern vielmehr auf einen Terrorismus gegen Moslems!
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Angriffe: 
  • 29-mal Steinwürfe (o. ä.)
  • 6-mal Einbrüche mit Vandalismus
  • 58-mal Brandanschläge
  • 4-mal Schusswaffengebrauch
  • 11-mal Bombendrohungen
  • 3-mal "Bomben"-Anschläge (o. ä.)
  • 11-mal Sonstige / Unbekannt 
Hinzu kommen - gemäß Literaturlage - mindestens 47 Moschee-Schändungen in 39 Orten im gleichen Zeitraum. Rechnet man Anschläge und Schändungen zusammen, dann verteilen sich die Übergriffe - Doppelnennungen ausgenommen - in insgesamt 106 Städten und Gemeinden Vorfälle gegeben.
...
Auffallend ist, dass in 29 Fällen die Moscheegemeinden angegriffen wurden, die eine relativ gemäßigte Auffassung des Islams (DITIB, AMJ, ATIB, ADÜTDF) vertreten; allerdings sind dabei zwei politisch extremistische Gemeinden der ADÜTDF mitgerechnet. Nur achtmal wurde eine islamistische Moscheegemeinde (VIKZ, IGMG, IZM, EZP und die Al Nur Moschee in Berlin) attackiert.
Besteht ein Zusammenhang zwischen den Anschlägen gegen deutsche Moscheen und dem internationalen Terrorismus der Al-Qaida? Diese Frage muss wohl eher verneint werden. Schließlich gab es die ersten Angriffe auf Moscheen bereits 1981, also zwanzig Jahre vor dem "11. September".
Unterteilt man den Untersuchungszeitraum in Dekaden und wählt den 11. September als Stichtag, dann ergibt sich folgende Anschlagsverteilung:
  • 11.9.1971 bis 10.9.1981: 2 Vorfälle
  • 11.9.1981 bis 10.9.1991: 9 Vorfälle
  • 11.9.1991 bis 10.9.2001: 30 Vorfälle
  • 11.9.2001 bis 10.9.2011: 81 Vorfälle
  • 11.9.2011 bis 10.9.2021: ?
Die Auflistung zeigt, dass es in den zehn Jahren nach dem "11. September" mehr als doppelt so viele Anschläge gegeben hat, wie in den zehn Jahren vor dem "11. September". Allerdings ist völlig offen, ob dies eine Reaktion auf den internationalen dschihadistischen Terrorismus war, oder ob dies nur dem trendmäßigen Zuwachs entsprach. Schließlich gab es bereits in den neunziger Jahren eine Verdreifachung der Vorfälle gegenüber den achtziger Jahren. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass sich nur einer der bisher 120 Anschläge gegen eine Moschee (die Berliner Al Nur Moschee) richtete, die als Dschihadisten-Treffpunkt bekannt ist.
Die Zukunft wird zeigen, ob die von Dekade zu Dekade zunehmenden Angriffe auch in den kommenden Jahren weitern zunehmen werden oder ob dieser Trend gebrochen werden kann. ...

Dann stellt der Autor die Täterstruktur vor, meistens rechte, oder extrem rechte Täter, warnt aber:
Aber es wäre zu einfach, bei jedem Moscheeanschlag ein xenophobes oder islamophobes Motiv zu unterstellen. Zu den Tätern gehörten zuweilen auch linksextremistische Ausländer (Türken, Kurden oder Armenier) oder rechtsextremistische Türken. ...
Danach stellt der Autor die Strafverfolgung vor. Kritisiert wird, dass offensichtlich die meisten Gerichte "auf dem rechten Auge blind" seien:
... Stattdessen bemühten sich die Gerichte nicht nur um eine Bagatellisierung sondern auch "Depolitisierung" des Tatgeschehens. In einem Fall rief die rechtsstaatliche Laschheit der Justiz gegenüber den Neonazis sogar bei den Rechtsextremisten Kritik hervor: Die Milde des Gerichts gegenüber ihrem angeklagten "Kameraden" werteten sie als Indiz dafür, dass dieser möglicherweise ein V-Mann des Verfassungsschutzes sei, der geschont werden sollte.
Anscheinend begreift sich die Justiz als ein Instrument der Kriegführung, das bei seiner Schuldverteilung sehr wohl zwischen "Freund" und "Feind" unterscheidet: Allerdings werden in dieser verzerrten Wahrnehmung die deutschen Täter zum "Freund" und das moslemische Zielobjekt ist der "Feind". Anscheinend wollten die Richter keine Lehren aus der Geschichte der Weimarer Republik ziehen. Womöglich denkt man bei Gericht, die Geschichte sei bekanntlich schon lange her und kein Zeitzeuge könne noch vernommen werden.
Zum Schluss warnt der Autor vor einer möglicherweise zunehmenden Eskalation:

Eskalationsgefahren
Glücklicherweise haben die 122 Angriffe keine Menschenleben gefordert; ... Allerdings darf dies nicht unterschätzt werden. Die Moscheegemeinden haben i. d. R. nur eine Größe von 300 bis 400 zahlenden Mitgliedern, die alle laufenden Vereinsausgaben durch freiwillige Spenden finanzieren müssen. Wenn keine Brandschutzversicherung abgeschlossen wurde, kann die Beseitigung des Schadens das Gemeindeleben für Monate lähmen.
Dennoch sind sie Angriffe auf Moscheen nur ein kleiner Teil der Gewalt gegen Ausländer und Moslems in Deutschland. Die Brandanschläge gegen Asylbewerberwohnheime, Wohnhäuser von Ausländern oder türkische Geschäfte hatten viel gravierendere Folgen: Erinnert sei hier nur an die Anschläge auf die Wohnhäuser in Mölln am 23. November 1992 mit 3 Toten und in Solingen am 29. Mai 1993 mit 5 Toten. Bei einem Brand in einem Altbau in Ludwigshafen (Danziger Platz 2) am 3. Februar 2008 starben gleich neun Menschen, darunter mehrere Kinder. Der Brand wurde wahrscheinlich durch einen Schwelbrand im Keller ausgelöst, jedenfalls wurde keine Spuren eines Verbrechens gefunden. Allerdings konnte die genaue Ursache nie geklärt werden. ...
Man stelle sich die Reaktionen in der Öffentlichkeit vor, sollten bei einem Anschlag auf eine deutsche Moschee mehrere Gläubige ums Leben kommen. Wer heute Moscheen anzündet, der zündet morgen vielleicht auch Moslems an! Außerdem haben Angriffe auf Moscheen immer eine besondere politische Brisanz. In diesem Zusammenhang sei nur an die inszenierte Affäre um die Mohammed-Karikaturen und den versuchten Vergeltungsschlag der beiden Kölner Kofferbomber gegen zwei Regionalzüge der Deutschen Bundesbahn im Jahre 2006 erinnert. Verschiedene Szenarien sind denkbar, in denen sich Nationalsozialisten, Dschihadisten, Polizisten und Antifaschisten gegenseitig aufschaukeln. Es heißt, nach einem schweren Terroranschlag wäre die Bundesrepublik "eine andere Republik". ...
Fazit: 
Es wäre ein Fehler in Panik zu verfallen. Man sollte auch nicht als potentiell Betroffener "paranoid" werden, wie es die Rechtspopulisten und Rechtsradikalen eh schon sind, die hinter jedem Gemüsehändler einen potentiellen Terroristen in ihrem Wahn vermuten. Dennoch: Die hier aufgezeigten Fälle sind weit mehr als "nur" Einzelfälle. Doch ist ihre Unterschiedlichkeit und ihre Anzahl durchaus so gering, dass zuverlässige Aussagen oder Prognosen für eine zukünftige Entwicklung nur schwer zu treffen sind.

Man sollte aber durchaus dieses Thema breiter behandeln, auch in der Öffentlichkeit, auch in den Massenmedien. Ein öffentliches Bewusstsein dafür schaffen, was hier schleichend und fast unbemerkt vonstatten geht, welches Klima bei Muslimen hierzulande erzeugt wird, denn es braucht ja bei Muslimen meistens nur ein versuchter Brandanschlag erfolgen, ein Schweinekopf in der Moschee abgeladen werden, und alle Gemeinden in der Gegend sind in Sorge, manchmal auf Jahre hinaus. Dieses ist eigentlich skandalös. Ebenso wie die bisherige Rechtsprechung, die durch den öffentlichen Druck vielleicht etwas durchgreifendere Urteile fällen würde, die Signalwirkung hätten, dass es sich hier um versuchten Terrorismus handelt und kein Kavaliersdelikte!

Bei all dem darf aber auch nicht vergessen werden, dass die überwiegende Mehrheit der nichtmuslimischen Deutschen diese Taten zutiefst verabscheut, auch wenn die öffentlichen Personen nach einem Anschlag oft nur ein kurzfristiges Innehalten bislang praktizierten. Durch eine breitere öffentliche Debatte, noch vor den ersten Toten, könnte auch hier ein Umdenkprozess gefördert werden, und mehr Sensibilität mit diesem Thema bei den verantwortlichen Würdenträgern erzeugt werden.

P.S.:
Man mag mir vorwerfen, ich würde mit diesem Artikel "schlafende Hunde" wecken. Dazu kann ich nur sagen, dass damit die Reichweite dieses Blogs arg überschätzt würde, und außerdem die Täter bestimmt nicht diesen Artikel als Ideengeber missbrauchen würden. Denn erstens hat der Heise-Artikel eine erheblich größere Reichweite, zweitens bedarf es selbst für die dümmsten Rechtsradikalen nicht meiner Worte, um auf die Idee zu kommen Moscheen zu attackieren. Dieses zu denken wäre doch allzu naiv.


(Bildquelle: Wikimedia Commons)

2 Kommentare:

  1. Interessant. Was mir nicht klar ist, warum der Heise-Autjor VIKZ islamistisch nennt. Ich kenn den VIKZ zugegebenermaßen nur recht wenig, hatte aber nie den Eindruck die wären in irgendeiner Weise extremistisch.

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  2. Moin, ja, das ist halt oft bei diversen Moscheegemeinden so. Einerseits sind nicht alle Imame gleichzusetzen, mit der "offiziellen" "Doktrin" oder Ausrichtung eines Verbandes. Dies trifft noch viel weniger auf die Gläubigen einer Gemeinde zu, die je nach nachbarschaftlicher Zusammensetzung mal mehr, mal weniger "konservativ" oder "mystisch", oder "nationalistisch", usw. ausgerichtet ist.
    Auch gibt es mitunter Veränderungen innerhalb der religiösen Ausrichtung von oben, oder von unten nach oben.
    Ein bisschen was steht dazu in der Wiki:
    VIKZ Aktivitäten
    In diesem Googlebook gibt es eine übersichtliche Tabelle mit der generellen Ausrichtung der Verbände:
    Türkei Studien 2002/2003
    Ob nun jeder Imam ganz streng genommen, den Süleymanci-"Ausrichtung" angehört, das ist bestimmt zweifelhaft. Von den Mitgliedern ganz zu schweigen.
    Außerdem wird der Begriff "islamistisch" auch in den Medien nicht immer ganz genau sondern eher schwammig verwendet. Manchmal wird damit einfach jemand beschrieben, der besonders streng oder "orthodox" den Islam lebt, ohne dass dieser nun eine Theokratie als beste Staatsform ansieht.
    Ciao und Gruß.

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