Dienstag, 18. Januar 2011

Sarrazin der Rattenfänger von Deutschland tritt wieder ins Fettnäpfchen - Goethe und mehr

Thilo Sarrazin hört nicht auf in fremden Gefilden zu wildern

Heute möchte ich einfach auf einen sehr lesenswerten Artikel verweisen, sowie einige weitere Artikel empfehlen, die die jüngste Debatte über Goethe und die Deutung durch Sarrazin diesbezüglich beleuchten. Es zeigt sich mal wieder, dass Sarrazin es nicht lassen kann, in seiner laienhaften Art, die schon sein Buch "Deutschland schafft sich ab" kennzeichnete, wieder und wieder seine Unkenntnis in aller Öffentlichkeit zu belegen. Natürlich ist es nicht so peinlich, seine Unkenntnis jenseits der Finanzpolitik zu dokumentieren, auch wenn es durchaus Sinn macht sich als öffentliche Person erst einmal kundig zu machen, was dank Internet nie einfacher als heute ist. Sehr peinlich und lächerlich ist es jedoch, auf seine Unkenntnis zu bestehen, sich nicht lernbereit zu zeigen, sich bockig wie ein Kind zu geben, kritikresistent bis zur Hybris zu sein, einfach nicht anzuerkennen, dass man sich irrte. Damit schafft sich Sarrazin endgültig selber ab. Den ersten Preis für die Veräppelung der Leser Deutschlands bekommt 2010 eindeutig Sarrazin - seit den gefälschten Hitler-Tagebüchern des Sterns haben wir nicht mehr so viel gequirlten Schwachsinn um die Ohren bekommen, und Teile von uns es anfangs auch noch geglaubt. Mir scheint, dass nach und nach selbst von konservativer Medienseite eingesehen wird, dass Sarrazin einfach ein Falschspieler ist und war, der mit gezinkten Karten spielen wollte, und nun jammert, dass niemand mehr mit seinem Kartensatz spielen möchte.

Abschliessend möchte ich noch auf ein aktuell erstelltes Islam-Dossier am Ende meines Post hinweisen. Auch darin spielt Goethe eine Rolle, vielleicht auch eine überraschende...



Goethe war Araber

Goethes „West-östlicher Divan“ ist antisarrazinisch, weil dies kein Buch der Spaltung ist, sondern ein Großwerk des Dialogs. Im Einfühlungsvermögen in die islamische Kultur ist Goethe ein Gigant.
(...)
Allen Ernstes: Man kann, wenn man Sarrazins „Bilanz“ (Thilo Sarrazin: Ich hätte eine Staatskrise auslösen können) liest, nicht mehr ernst bleiben. Mir ist angesichts dieses peinlichen Auflagenstolzes, den schamlos vorgetragenen Proselyten-Anekdoten, dem realsozialistischen Gerede von „99 Prozent“ positiver Reaktionen und den mathematisch erstaunlichen „endlosen Zahlen“ von Autogrammen nach einer Portion Heiner-Müller-Zynismus zumute, der auch schon einmal die Islamisierung kommen sah und sich darauf freute, endlich einen Burnus zu tragen, vier Ehefrauen zu haben und den ganzen Tag Wasserpfeife zu rauchen. (...)
Wer sich für die Probleme von Migration und Immigration interessiert, findet genügend sachlichere Bücher und menschenfreundlichere Experten. Eine Million Leser kann man nur dem detaillierten achten Bericht des Migrationsbeauftragten der Bundesregierung wünschen oder dem im Oktober 2010 erschienenen Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“. Beide benennen die Probleme der Migration, zeigen aber auch die Fortschritte. Auch nur ein Viertel der Medienaufmerksamkeit für Sarrazin wünscht man den zahlreichen (um nicht zu sagen „endlos vielen“) Menschen, die sich in diesem Land seit Jahren und Jahrzehnten um Integration bemühen, mit Rückschlägen und Resignation, aber auch mit vorzeigbaren Ergebnissen.
Auch was den klassischen und modernen Islam angeht, haben wir in Deutschland ausgezeichnete Experten und deren Bücher, die nicht fortwährend Islam und Islamismus, Koranverse und außenpolitischen Direktiven konkreter Nahost-Staaten durcheinanderzuwerfen drohen. Und nun gar noch über Goethe wollte ich nichts von einem Mann lesen, der dem Bundespräsidenten nachträglich empfiehlt, er hätte in Istanbul den türkischen Staatspräsidenten Erdogan mit einem in der Mitte abgebrochenen West-östlichen-Divan-Zitat über die „dumpfe Beschränktheit des Islam“ erfrischen sollen. Ist es nicht fürchterlich ersichtlich, was hier versucht wird? Den ständigen Skandal zu erzeugen, um noch mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen.
(...)
Ihn [Goethe] deshalb zu einem harschen modernen Islamkritiker umzuföhnen, wie es auch Necla Kelek in ihrer Erwiderung auf Sarrazin (Goethes Islambild: Der Prototyp des prophetischen Genies!) unternimmt, entbehrt der Sorgfalt und des tieferen Verständnisses. Goethe war weder Muslim, wie einige orientalische Sarrazin-Pendants behaupten, obwohl er geschrieben hat, dass wir alle im Islam leben und sterben, noch hätte er es sich herausgenommen, mit den religiösen und metaphysischen Grundlagen einer Weltkultur bloß ironisch zu spielen (oder sie gar simpel zu verdammen).
(...)
Allein schon im Verstehen- und Nachempfinden-Wollen ist Goethe ein Gigant, wo Sarrazin ein Zwerg ist, der nicht versuchen sollte, einen Weltdichter für seine Polemik dienstbar zu machen.

Weiter in der FAZ: Goethe war Araber

Zur Debatte um Goethe und sein Verhältnis zum Islam, zum Koran, und die Missdeutungen eines Sarrazin, siehe auch diese Artikel:

Aus der FAZ:
Mohammed war doch der Prototyp des prophetischen Genies!

Seit Sarrazins Thesen dreht sich die Integrationsdebatte auch um Goethes „West-östlichen Divan“. War der Dichter ein Feind oder Freund des Islam? Wer diese Frage ohne Verweis auf seine symbolische Religionsauffassung beantworten will, kommt zu den falschen Schlüssen.


Viel Dichtung, wenig Wahrheit

Goethe hat versucht, in poetischer Übersetzung den Geist der islamischen Kultur zu erfassen. Sein „West-östlicher Divan“ taugt nicht zur Beschreibung eines dogmatischen Islam und zur Haudrauf-Polemik.

Ich verkneife mir mal die Ansicht der Soziologin Necla Kelek zu Goethe, denn ich erfahre schliesslich in einer Abhandlung über Quantenmechanik verfasst von einem Germanisten der sich zum ersten Mal damit beschäftigt eher unkorrektes, als in einem Werk eines Fachmannes, zum Beispiel eines Quantenphysikers, Physikers.oder zumindest Naturwissenschaftlers.

Und warum Sarrazin ein Falschspieler und Rattenfänger ist, kann man hier nachlesen, ich erwähnte es im Blog bereits:

ZEIT:
Die Anti-Sarrazin-Studie
Thilo Sarrazin behauptet gern, selbst seine schärfsten Kritiker zögen sein Zahlenmaterial nicht in Zweifel. Berliner Forscher machen die Gegenrechnung auf.

Cicero:

Von Äpfeln und Birnen: Wissenschaftler entzaubern Tabubrecher Sarrazin

Süddeutsche Zeitung:

Angriff auf Sarrazins Kernkompetenz  
Eine Studie der Humboldt-Universität zeigt, dass viele von Thilo Sarrazin herangezogene Statistiken zu Migranten die Wirklichkeit verzerren. Sie wurden so lange gedreht und gedehnt, bis sie passten.

Frankfurter Rundschau:

Kleine und große Korrekturen: Sarrazin auf dem Prüfstand 
„Die von mir genannten Statistiken und Fakten hat keiner bestritten", behauptet Thilo Sarrazin. Das stimmt nicht.

Über die Rechthaberei von Sarrazin, und die Unmöglichkeit mit ihm zu diskutieren, hier eine Einschätzung in der Frankfurter Rundschau:

Die Fähigkeit zu zweifeln  
Thilo Sarrazin habe sich endgültig entzaubert. Zur Selbstkritik unfähige Menschen wie er würden zu Größenwahn neigen. Wer Kritikern die intellektuelle Augenhöhe abspreche, sei nicht aufgeklärt, sondern autoritär

Zum Schluss noch ein Schmankerl:

Wer sich mit dieser ganzen Thematik (Islam, Integration, Terror, Muslime, usw.) noch nicht so gut auskennt, und seriösere Informationen sucht, aber nicht in Informationen ertrinken möchte, der kann sich hier mal relativ kurz und knackig kundig machen, wiewohl man dabei bemerken muss, dass Aiman M. Mazyek in einem Verband ist, der für eine eher konservative und orthodoxe Ausrichtung des Islams steht, und daher seine Interpretationen sicher nicht für die Mehrheit der hiesigen Muslime gelten können, soweit sie überhaupt voneinander divergieren. Ansonsten haben eine ganze Menge Fachleute kurze Artikel lesenswerte verfasst:





Einige wenige ohne Gewichtung ausgewählte Fragen und Themen aus dem Inhalt:

  • Was glauben Muslime?
  • Jüdisches und christliches Erbe im Koran. Die Offenbarungen vorislamischer Propheten
  • Sind interreligiöse Bewegungen politisch relevant? Offene Gesellschaft, religiöse Vielfalt
  • Gewaltige Heuchelei
  • Akzeptanz und Wahrnehmung des Islams. Zu den Ergebnissen einer Studie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
  • Glauben leben, wechseln, aufgeben. Konversionen zum und aus dem Islam
  • Aufklärung und Islam. Goethe, Lessing und andere Vordenker
  • Datenfluss im Mittelalter. Die Leistungen islamischer Gelehrter neu bewerten
  • Aufgeklärte Islamophobie. Das Islambild deutscher Medien
  • Kennt man sich, so braucht man keine Schublade mehr. Brückenbauen zwischen Parallelwelten – per Mausklick
  • Scharia und Grundgesetz: Ein Widerspruch? Die islamische Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland
  • Islam-Bashing
  • Die Sehnsucht nach neuen Idealen. Von der Psychologie des Terrors
  • Islamfeindlichkeit in Deutschland. Ausgrenzende Strukturen ernst nehmen
  • und so weiter...

Hier ein Appetizer, bezogen auf Goethe:


Dichterfürst mit türkischen Genen

Das Gerücht, Goethe sei eigentlich Muslim gewesen, hält sich zäh in arabischen Ländern. Aber für diese Vermutung gibt es keinerlei Beweise. Anders sieht es bei Goethes möglichen türkischen Vorfahren aus. Der langjährige Brackenheimer Dekan Werner-Ulrich Deetjen ist überzeugt davon, herausgefunden zu haben, dass Goethes Vorfahren auf einen türkischen Hauptmann namens Sadok Selim zurückgehen, der ein Prinz der im mittelanatolischen Konya herrschenden Seldschukendynastie gewesen sein soll. Sadok Selim sei gegen Ende des 13. Jahrhunderts im Heiligen Land von Kreuzfahrern des Deutschritterordens gefangen genommen und nach Süddeutschland gebracht worden. Der türkische Offizier, so der promovierte Kirchenhistoriker Deetjen, sei nach Brackenheim in der Nähe von Heilbronn gelangt, wo er sich taufen ließ und eine Frau namens Rebekka Dobler ehelichte. Das Ehepaar hatte den Brackenheimer Quellen zufolge sechs Kinder. Unter den Nachkommen Sadok Selims sollen zahlreiche Persönlichkeiten von Rang gewesen sein, unter anderem die Familie von Johann Wolfgang von Goethe in Frankfurt.
Reinhard Baumgarten
Ich habe vergessen, ob dieses nun eine extreme Minderheitenmeinung darstellt oder nicht. Müsste dazu nochmal ins Geschichtsforum reinschauen, wo wir uns darüber schon einmal ausgetauscht haben. Wie dem auch sei, es ist eine nette Geschichte, die dazu geeignet ist in Feuilletons hochrote Köpfe zu erzeugen... Nach der Debatte zu Goethes Islambezug, nächste Runde bitte...

Deutschlandradio stellte kürzlich dieses Dossier vor, unter anderem mit der Frage: Gehört der Islam inzwischen auch zu Deutschland?:

Versachlichung der Debatte 
Deutscher Kulturrat stellt Dossier zum Islam vor 
Der Deutsche Kulturrat hat in der Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln sein Dossier "Islam Kultur Politik" präsentiert. Wissenschaftler, Journalisten, Künstler und Politiker vermitteln darin Grundwissen über den Islam und islamische Einrichtungen hierzulande.


(Bildquelle: Wikimedia Commons)

1 Kommentar:

  1. Hat der Hassprediger nicht schon genug Aufmerksamkeit erhalten? Schreib über die, von den Christen gerne als rückständig gescholtene Religion des Islam hat zumindest in Ägypten zumindest einen Sprung fast in die Gegenwart vor 20 Jahren gemacht und die Imane haben ihre Moscheen für die Demonstranten geöffnet, wie vor 20 Jahren die Pfarrer der evangelischen Kirchen in der DDR ihre Gotteshäuser geöffnet hatten

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