In den Spiegel der ausländerfeindlichen Deutschen geschaut
Nun stolperte ich kürzlich über ein interessantes Interview der farbigen Autorin Noah Sow. Sie geht dabei auch kritisch auf Wallraffs Film ein, zeigt methodische Schwächen, jedoch besonders interessant finde ich die Art ihrer Antworten auf die Fragen des Tagesschau-Redakteurs. Denn man erfährt dadurch teilweise mehr über den Fragenden, als über die Antwortende.
Denn ist auch die manchmal diskriminierende Alltagserfahrung von Muslimen im Lande schon traurig genug, was Menschen dunkler Hautfarbe zu berichten wissen, ist doch gelegentlich um einiges trauriger, zumal auch öfters offensichtlicher in ihren Gründen.
Einige Ausschnitte:
(...) tagesschau.de: Überraschen Sie die Erfahrungen, die Günter Wallraff als Schwarzer beschreibt?
Noah Sow: Überraschen? Nein. Woher? Ich bin ja schon länger schwarz als Wallraff. Und das Gott sei Dank auch noch wenn Karneval vorbei ist.
tagesschau.de: Muss erst ein Weißer daherkommen, damit die Öffentlichkeit wirklich glaubt, dass es weit verbreitet Rassismus gibt?
Sow: Für Weiße, die die zahlreichen schwarzen Stimmen zu dem Thema seit langer Zeit ignorieren, offensichtlich schon.(...)
tagesschau.de: Wallraff beschreibt offenen Rassismus, beispielsweise bei der Wohnungssuche oder in der Eckkneipe. Sind solche Diskriminierungen aus Ihrer Sicht alltäglich?
Sow: Natürlich, was für eine Frage. People of Color in Deutschland wissen das alles schon seit Jahrhunderten. In der Bücherei, bei Jahresberichten von Antidiskriminierungsbüros, erreichbar mit einem Klick im Internet: Überall ist Wissen über Alltagsrassismus präsent. Weiße müssen nur aufhören, dieses Wissen zu ignorieren oder anzuzweifeln oder - wie in dieser Frage - zu relativieren.
tagesschau.de: Welche Unterschiede gibt es bei den Vorurteilen weißer Deutscher gegenüber schwarzen Männern und schwarzen Frauen? Welche Stereotypen gibt es da?
Sow: Das gehört eigentlich zum Allgemeinwissen. Wenn es Sie interessiert, lesen Sie doch mal ein gutes Buch über das Thema. Da gibt es wirklich viele. Es ist nicht okay und auch nicht "normal", bei einem so wichtigen Thema, das überall präsent ist und uns alle angeht, einen so großen blinden Fleck zu haben. Ansonsten möchte ich diesen ethnologischen Blick gerne umkehren: Rassismus ist keine schwarze, sondern eine weiße Tradition. Fragen Sie daher doch ruhig mal: "Welche Unterschiede gibt es bei Dominanzpräsentationen weißer Männer und weißer Frauen? Welche Verhaltensmuster gibt es da?"
tagesschau.de: Gibt es denn regionale Unterschiede in der Ausprägung offener Diskriminierungen?
Sow: Nein. Rassismus ist ein System, in dem Weiße davon profitieren, dass sie bestimmte Privilegien haben. Es ist egal, wo diese Weißen wohnen.
tagesschau.de: Zur WM 2006 war von No-Go-Areas die Rede. Gibt es Gegenden, wo schwarze Menschen besonders gefährdet sind?
Sow: Schwarze Menschen sind überall dort besonders gefährdet, wo weiße Menschen Macht und Kontrolle haben und ein rassistischer Konsens besteht, beispielsweise in Polizeigewahrsam, wo es regelmäßig zu Misshandlungen kommt. "Gefährdung" ist ja nicht auf Körperlichkeit beschränkt. Rassismus ist als solches eine Gefährdung: des öffentlichen Friedens und des Friedens und freien Lebens aller Menschen, die nicht weiß sind. Gefährdet bin ich dann, wenn mich rassistische Willkür treffen kann. Ob bei Jobsuche, an der Bushaltestelle, an der Uni oder durch kolonialrassistische Witze im TV. Gefährlich ist es in Deutschland daher potenziell überall, weil die auf dem Papier gut aussehenden Bürgerrechte auf Schwarze nur eingeschränkt Anwendung finden. (...)
komplett:
tagesschau.de: Interview zum Film "Schwarz auf Weiß" - "Ein angemalter Weißer ist kein Schwarzer"
Mir fällt grad nichts mehr sinnvolles Ergänzendes dazu ein, ich bin müde und muss schnellstens ins Bett. :-)
(Bildquelle: Wikimedia Commons)
Ja, das wirft schon ein seltsames Licht auf uns, dass erst ein Weißer das sagen muss, was uns Schwarze seit Jahren schon erzählen.
AntwortenLöschenDer Satz: "In den Spiegel der ausländerfeindlichen Deutschen geschaut" ist trotzdem ungeschickt, weil er so klingt als wären ausnahmslos alle Deutschen Rassisten und das (ich sag das mal als nicht so ganz Deutscher) stimmt dann auch wieder nicht.
Ja, damit magst du Recht haben. Ich wollte mit dem Titel "In den Spiegel der ausländerfeindlichen Deutschen geschaut" zweierlei ausdrücken. Einerseits auf die Spiegel-Artikel aufmerksam machen, andererseits den Deutschen, die ausländerfeindliche Gedanken haben einen Spiegel vorhalten. Und eben nur denen, die sich diesen Schuh anziehen, oder denen dieses unterstellt werden kann, z.B. aufgrund von Umfragen. Nicht allen Deutschen, das ist mir schon klar. Aber nicht nur einen Spiegel vorhalten, sondern auch eine weitere selten erwähnte Begründung liefern. Denn die Vorstellung von Ethnien, Kulturen, ist offensichtlich immer noch geprägt von Vorstellungen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, und vergisst im öffentlichem Diskurs fast völlig die Erkenntnisse der Ethnienforschungen, der Kulturforschungen, und behält somit eine der falschen Prämissen, die für Fremdenfeindlichkeit überhaupt erst Voraussetzung ist. Wenn diese Voraussetzung, diese veraltete Vorstellung von Kultur, von Ethnien, nun breiter in der Öffentlichkeit aktualisiert würde, dann würde auch ein Faktor für Fremdenfeindlichkeit wegfallen. Zumindest bei dem "Bildungsbürgertum", die nun bei der Sarrazin-Debatte breit ins Rampenlicht getreten ist, eben mit diesen veralteten Vorstellungen Ende des 19. Jh., Anfang des 20. Jh., wie es immer wieder durchscheint. Aber du hast Recht, große Gedanken mache ich mir formal weder bei den Überschriften, noch bei den Texten, solange der Inhalt rüberkommt. Da kommen dann schon mal solche Sätze bei raus. :-)
AntwortenLöschen