Montag, 12. September 2011

Mustafa Kemal Atatürk - 1. Teil

Besuch Atatürks in der juristischen Fakultät der Istanbuler Universität 1930
Merkwürdigerweise gibt es im Internet kaum brauchbare deutschsprachige Informationen, wenn man etwas zu einem sehr wirkmächtigem Mann des 20. Jahrhunderts finden möchte: Mustafa Kemal Atatürk.

Dabei bezog sich sein Einfluss nicht nur auf die Türkei, die er vom zusammenbrechenden Osmanischem Reich nach dem 1. Weltkrieg und dem Unabhängigkeitskrieg in die moderne türkische Republik überführte, sondern weit darüber hinaus. Denn sein Wirken wurde in allen antikolonialen Bewegungen wahrgenommen und rezipiert, von Pakistan, über Ägypten, bis zu zahlreichen afrikanischen Staaten.
Immerhin war die Türkei zusammen mit Japan eines der wenigen Länder der Erde, die nicht kolonialisiert wurden oder unter starkem kolonialem Einfluss gerieten. Insofern als Vorbild für andere dienten.
Dabei ist mir bewusst, dass wenn die Großmächte sich hätten einigen können, das Osmanische Reich sicher nicht einer Kolonialisierung auf Dauer hätte standhalten können, sondern das Schicksal gedroht hätte, das den ehemaligen Provinzen des Osmanischen Reiches an der Peripherie widerfahren ist.

Viele Staatsmänner haben ihn gepriesen, und dies war durchaus nicht einem Opportunismus geschuldet, dass man zum Beispiel bei Besuchen in der Türkei mit warmen Worten gegenüber Atatürk so manche Punkte beim Gastgeber machen kann.

So würdigte der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy, zum 25. Todestag 1963 ihn mit den Worten:
Der Name „Atatürk“ erinnert mich an die historischen Siege eines der größten Männer dieses Jahrhunderts, an seine schöpferische Fähigkeit zu regieren, an seine Weitsicht, an seinen großen Mut und an sein Können als Soldat.
Der ägyptische Staatspräsident Anwar as-Sadat bekannte noch im Jahr seiner Ermordung durch radikale Islamisten 1981:
Er war die Quelle des Lichts für jedes Land, das sich gegen den Imperialismus auflehnte und für die Freiheit kämpfte. Schließlich haben auch wir, die jungen Offiziere der ägyptischen Revolution, unsere Revolution gemacht, indem wir Atatürk genau gelesen und verstanden haben. Er wurde uns zum Wegweiser.
Erstaunliche Aktualität der Worte, angesichts des arabischen Frühlings.

Jedenfalls möchte ich hiermit einige westliche Informationen zu diesem Staatsgründer geben, die auch einer seriösen Betrachtung einigermaßen standhalten. Denn im Internet gibt es zwar alles, aber das Problem besteht darin erkennen zu können, was seriös ist und was eher nicht, oder was zu einseitig, zu schönfärberisch, daherkommt.
Und bei Mustafa Kemal Atatürk musste ich feststellen, dass es bei deutschsprachigen Seiten nicht so einfach ist, die Spreu vom Weizen zu trennen.



Wer mehr über ihn lesen möchte, dem seien diese vier Bücher empfohlen - sie sind auch nicht so unerträglich lobhudelnd, wie manche populärwissenschaftliche Werke:


Die hier empfohlenen Informationen gliedern sich wie üblich von wenig Infos, bis zu ausführlicheren Infos wie folgt:


GLIEDERUNG:


  1. ganz kurze Info aus: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: Beck 2001
  2. Prof. Dr. Udo Steinbach: Bedeutung Atatürks aus dem BpB mit weiterführendem Link
  3. Prof. Dr. Jürgen Paul aus Vorlesungsmaterial mit Karten
  4. Prof. Dr. Klaus Kreiser aus dem Brockhaus
  5. Audio: Prof. Dr. Klaus Kreisers Interview auf dem Blauen Sofa anlässlich seiner Buchvorstellung und Rezensionen mit einigen Inhalten des Buches.


1.

Atatürk

A. (türk.: "Vater der Türken", 1881-1938). Mustafa Kemal, der seit 1934 den Familiennamen A. trug, wurde als Sohn eines kleinen Beamten in Saloniki geboren. Nach dem Besuch der Militärakademie (1904) in Istanbul übernahm er Posten in Damaskus und Saloniki, wo er sich dem "Komitee für Einheit und Fortschritt" (Jungtürken) anschloß, zu dem er indes später auf Distanz ging. Zu Ruhm gelangte er im Ersten Weltkrieg durch seine erfolgreiche Verteidigung der Dardanellenfestungen gegen die Alliierten. Nach der Niederlage des Osman. Reiches wurde er von Sultan Mehmed VI. Vahdettin mit der Wiederherstellung der zusammengebrochenen staatlichen Ordnung in Ostanatolien beauftragt. Tatsächlich begann er jedoch mit dem Aufbau einer Widerstandsbewegung mit dem Ziel, Alliierte, Armenier und Griechen, die Teile Anatoliens besetzt hatten, zu vertreiben. Im Unabhängigkeitskrieg (1919-1922) avancierte Mustafa Kemal zum unangefochtenen Führer dieser Bewegung. Seit April 1920 war er Präsident der "Großen Türk. Nationalversammlung", die sich in Ankara als Gegenregierung etabliert hatte. Mit der Gründung der Türk. Republik (1923) wurde der polit. Visionär zu deren erstem Staatspräsidenten gewählt. Die stark auf seine charismat. Persönlichkeit zugeschnittene, autoritäre Führung und das Monopol der von ihm gegründeten Republikan. Volkspartei sicherten A. bis zu seinem Tode eine einzigartige Machtposition. Die geradezu religiös anmutende Verehrung A.s, die in islam. Kreisen seit jeher Anstoß erregte, ist in den letzten Jahren zurückgegangen; gleichzeitig hat eine verhaltene, vorsichtige Diskussion über seine histor. Leistungen eingesetzt.

Autor: Martin Strohmeier, Prof. Dr., University of Cyprus, Turkologie


2.

Grundlagen und Anfänge der Republik

Udo Steinbach
Inhalt

Einleitung
Kampf um einen souveränen Staat
Innerstaatliche Reformen
Bedeutung Kemal Atatürks

Bedeutung Kemal Atatürks
Die Reformmaßnahmen bringen drei grundsätzliche Folgerungen zum Ausdruck, die Atatürk aus dem Niedergang des Osmanischen Reiches und dem Scheitern des Modernisierungsprozesses gezogen hatte. Die europäische Zivilisation hatte sich der des Osmanischen Reiches überlegen gezeigt. Um die Türkei aus Unterlegenheit und Abhängigkeit zu befreien, hielt Atatürk eine konsequente Verwestlichung von Staat und Gesellschaft für geboten. Atatürk folgte damit einem Trend unter den Jungtürken, den einer ihrer Vertreter 1913 so beschrieben hatte: „Es gibt keine zweite Zivilisation; Zivilisation bedeutet europäische Zivilisation, und sie muss eingeführt werden - mit ihren Rosen und ihren Dornen.”

Zum zweiten beendete er die Diskussion um die Identität der Türken und die Grundlagen ihres Staates durch Propagierung eines ausgeprägten Nationalismus. Das Türkentum wurde zur Nationalität der auf dem Gebiet des türkischen Staates lebenden Menschen erklärt. „Ne mutlu Türküm diyene” (wie erhaben ist es zu sagen: Ich bin ein Türke), galt als zentrales Bekenntnis. Noch wenige Jahre zuvor hatte eine sich als „osmanisch” fühlende Elite die „Türken” unter den Untertanen als unwissende Bauern und Hirten verachtet. Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts hatten türkische Intellektuelle und Literaten begonnen, Stolz auf ihr Volkstum zu entwickeln - wie es Untertanen anderer Ethnien längst getan hatten.

Die Entdeckung der „türkischen Kultur” und die Reinigung der türkischen Sprache bildeten Kernelemente der Kulturpolitik des neuen türkischen Staates. Der radikale Anspruch des neuen Nationalismus zeigte sich unter anderem in der 1935 verkündeten Theorie der „Sonnensprache”. Danach sollen alle Sprachen von einer einzigen in Zentralasien gesprochenen Ursprache abgeleitet sein. Ihr sei das Türkische am nächsten, und alle Sprachen hätten sich aus der Ursprache heraus durch das Türkische hindurch gebildet. Trotz ihrer wissenschaftlichen Fragwürdigkeit genoss die Theorie eine Zeitlang politische Unterstützung von allerhöchster Stelle.

Der dritte Grundsatz war eine konsequente Säkularisierung. Der Islam trat als Identifikationsmerkmal in den Hintergrund. Die Religion hatte den Modernisierungsprozess des Reiches blockiert. Die islamische Reichsidee hatte darüber hinaus das osmanische Staatswesen in immer neue militärische Auseinandersetzungen verwickelt. Nun sollte Religion zur Privatangelegenheit des einzelnen werden. Der Abschaffung des Kalifats entsprach die Abschaffung des Islam als Staatsreligion in der Verfassung von 1928. 1937 wurde das Prinzip des Laizismus - der Trennung von Religion und Staat - in die Verfassung übernommen: „Der Türkische Staat ist republikanisch, nationalistisch, volksverbunden, etatistisch, laizistisch und revolutionär.”

Der „Kemalismus” ist weder eine Ideologie noch ein detailliertes Programm für gesellschaftliche Umgestaltung, kann jedoch als erster Versuch eines „eigenen Entwicklungsweges” bezeichnet werden, der späteren Reformern und Revolutionären im Nahen und Mittleren Osten als Vorbild gedient hat. Zu ihnen gehören Schah Reza Pahlawi (Persien), Präsident Habib Bourguiba (Tunesien), Präsident Gamal Abdel Nasser (Ägypten) und Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi (Libyen). Nirgendwo sonst aber ist die Transformation so radikal erfolgt, hat sie so anhaltende Wirkung gezeigt und wurde sie so kompromisslos durchgesetzt wie in der Türkei.

Widerstand und Aufstände, vornehmlich unter den Kurden, wurden unterdrückt. Zwei Experimente mit einem Zwei-Parteien-System wurden rasch beendet (zuletzt 1930/31), als sie außer Kontrolle zu geraten schienen.

Das neben dem Charisma Atatürks wirksamste Instrument zur Durchsetzung der kemalistischen Reformen wurde die 1923 gegründete „Republikanische Volkspartei” (CHP). In ihr organisierte sich die neue Elite seiner Anhänger. Sie setzten sich zum Teil aus ehemaligen Militärs zusammen. Ein 1923 erlassenes Gesetz verlangte, dass diese den Dienst quittierten, bevor sie sich politisch betätigten. Andere große Gruppen stellten die städtische Schicht von Bürokraten sowie lokale Eliten in Anatolien.

Kemal Atatürk ist zu seiner Zeit von den meisten Türken tief verehrt worden. Sein Todestag (10. November 1938) wurde bis 1987 als Tag der Staatstrauer und seit 1988 als Atatürk-Gedenktag begangen. Atatürks Büste steht an zahlreichen öffentlichen Plätzen in Stadt und Land, sein Porträt bzw. sein Foto hängen in allen Amtsstuben, und es gibt kaum eine öffentliche Veranstaltung, auf der er nicht in der einen oder anderen Weise bildhaft vertreten ist.


mehr Infos - besonders als Einführung geeignet - in:
Steinbach, Udo: Geschichte der Türkei, München 2000 (C.H. Beck Wissen in der Beck’schen Reihe ; 2143)
(in googlebooks weithin einsehbar)



3.
Mustafa Kemal, genannt Atatürk (durch Beschluss des türkischen Parlaments 1934), auch genannt „der Gazi“ (wegen seiner militärischen Aktivitäten gegen nichtmuslimische Gegner, besonders die Alliierten im 1. Weltkrieg, aber auch die Griechen im Befreiungskrieg), ist geboren 1881 in Selanik und gestorben 1938 (10. November, Staatsfeiertag) im Dolmabahçe-Palast in Istanbul, an den Folgen langjährigen Alkoholabusus (Leberzirrhose). Sein Vater war niederer Zollbeamter. Kemals Schulausbildung fand in Selanik und Monastir statt, er erreichte einen Abschluss 1904 von einer Militärschule. Er schloss sich bald dem Ittihad ve Terakki an, seit 1909 zählte er zum inneren Kreis dieser Gruppe. Er hatte Kriegseinsätze im osmanisch-italienischen Krieg 1911 in Tripolitanien (Libyen), 1912-13 in den Balkankriegen. 1913-14 war er Militärattaché an der osmanischen Botschaft in Sofia. Seine Beteiligung am Ersten Weltkrieg (Gelibolu) war schon erwähnt worden; er wurde 1916 zum.. Brigadegeneral 1916 befördert (daher Titel Paşa). Bei Kriegsende war er Kommandierender der osmanischen Truppen an der syrischen Front.
Nach Kriegsende kam er in die Hauptstadt zurück und versuchte erfolglos, eine politische Karriere zu starten. Dann ging er nach Anatolien, zunächst als Inspekteur der Dritten Armee, die kontrolliert zu demobilisieren seine offizielle Aufgabe war; er nutzte dies aber, sich an die Spitze der bereits weitgehend konstituierten nationalistischen Bewegung zu setzen. Seit September 1919 war er Sprecher und Chef dieser Bewegung, ab April 1920 Präsident der Nationalversammlung in Ankara. In dieser Eigenschaft führte er die diversen regionalen nationalistischen Bewegungen in eine einheitliche Struktur zusammen. Dies war eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Sieg im Befreiungskrieg (1920-22).
1923-25 etablierte er sich als zunehmend alleiniger Machthaber innerhalb seiner neu gegründeten Partei. Außerdem beseitigte er die konkurrierenden Machtzentren Sultanat (1922), besiegelt durch die Ausrufung der Republik (1923, 29. Oktober) und Kalifat (abgeschafft 1924, 1. März).
Atatürk war der erste Präsident der Türkischen Republik (1923-38). Unter seiner Präsidentschaft fanden ehrgeizige und weitreichende Reformen statt, dazu später.
Atatürk wurde erst 1953 im eigens zu diesem Zweck errichteten „Nationalheiligtum Anıtkabır (in Ankara) beerdigt.
Er wird heute noch als Gründungsvater der Türkischen Republik, als Begründer der modernen türkischen Nation, als Exponent der Prinzipien des Kemalismus verehrt. Sein Bild ziert jede Amtsstube, sein Denkmal befindet sich auf jedem oder annähernd jedem Dorfplatz.
Sprüche von ihm sind allgegenwärtig und werden immer wieder auswendig gelernt. Die türkei-typischen Nationalfeiertage (19. Mai, 29. Oktober, 10. November) sind mit seiner
Biographie und seinen Taten verknüpft. Atatürk ist daher ein wesentlicher Bestandteil der modernen türkischen nationalen Identität.

Kemalismus
Es gibt keine ausformulierte Ideologie „Kemalismus“. Versuche, eine solche zu formulieren, sind gescheitert bzw. waren von der kemalistischen Führung selbst nicht erwünscht. Grob gesprochen ist die kemalistische Politik im Inneren stark, nach außen gemäßigt nationalistisch ausgerichtet; sie hält die Mitte zwischen liberaler und interventionistischer Wirtschaftspolitik, indem sie das Privateigentum und die wirtschaftliche Privatinitiative schätzt, aber staatlichen Interventionismus bei Investitionen, im Außenhandel, in der Devisenbewirtschaftung, in einer Reihe von staatlichen Monopolen durchaus kennt oder doch lange Zeit kannte; staatliche Kontrolle und „Entwicklung von oben“ sind weitere Merkmale, die sich auch auf Demokratie, Menschenrechte usw. beziehen. Die Türkei war lange Zeit (nämlich von der Gründung der Republik bis nach dem Zweiten Weltkrieg) im wesentlichen, ab 1931 tatsächlich ein Ein-Parteien-Staat. Diese Periode endet erst 1946, als am 7. Januar die Demokrat Parti registriert wird.
Kemalismus ist in seiner Selbstauskunft gegründet auf die sog. „Sechs Pfeile“ (tü. altı ok).
Diese sind:
Republikanismus, Laizismus, Nationalismus, Populismus, Etatismus und Revolutionär-Sein.
Diese Prinzipien sind nicht alle neu. Vielmehr gehen sie im Politikverständnis insgesamt und in vielen Einzelpunkten auf die „Jungtürken“ und ihre Partei İttihad ve Terakki zurück. Das betrifft die beiden ersten Punkte in besonderer Weise, aber auch das Konzept einer Transformation der Gesellschaft „von oben“. Weder İttihad ve Terakki noch die CHP waren jemals „Massenparteien“ im Sinne der kommunistischen oder faschistischen Parteien der Zwischenkriegszeit, sie waren beide „Staatsparteien“, im Falle von CHP wurde mit Beginn der 30-er Jahre sogar eine weitgehende Fusion von Staats- und Parteifunktionen beschlossen (der Gouverneur einer Provinz war dadurch gleichzeitig der Parteivorsitzende in dieser Provinz usw.).
Der Nationalismus ist in gewisser Weise neu, er konnte in dieser Form im viel stärker multiethnisch zusammengesetzten Osmanischen Reich auch in seinen letzten Jahren nicht
funktionieren. Die Grundidee Atatürks war es, sich vom Osmanischen Reich in dieser Hinsicht zu verabschieden. Die „Identität“, auf welcher der neue Staat errichtet werden sollte, war eben die nationale türkische: das Staatsgebiet wurde auf die turkophonen (und Teile der kurdischen!) Gebiete des Osmanischen Reiches beschränkt. Innerhalb dieser Grenzen war das Staatsvolk die türkische Nation.
Nach außen hat die Türkei ihre nationalistische Politik nur an wenigen Fragen in Ansprüche auf Territorien usw. umgesetzt. Das betrifft den „Sancak von Alexandrette“, der mit Ablauf des dort zunächst geltenden französischen Mandats 1938 an die Türkei kam; weiter gilt das für die Region Mosul, die dem britischen Mandat in Irak angegliedert wurde, obwohl sie sich zum Zeitpunkt des Waffenstillstands 1918 noch unter Kontrolle der Osmanischen Armee befand. Diese territoriale Frage ist bis heute nicht endgültig geklärt, immer wieder einmal flammen in der Türkei Vorstellungen auf, dass die Türkei Rechte im nördlichen Irak habe.

Reformpolitik
In vielen Punkten sind die von Atatürk und seinen Mitstreitern durchgesetzten Reformen eine Fortsetzung der Politik von İttihad ve Terakki. Und genau wie in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gab es zwei Haupttendenzen unter den Reformern: Eine Gruppe wollte eine eher liberale, nicht so stark zentralisierte, auch Impulse „von unten“ aufnehmende Reformpolitik, die daher auch ein insgesamt langsameres Tempo der Änderungen zu Grunde legte. Diese Tendenz war vor dem Ersten Weltkrieg unterlegen und unterlag auch in der republikanischen Periode. Die andere Gruppe setzte auf Reformen von oben, auf Staat und Zentralismus. Diese Gruppe war repräsentiert in den drei Haupt-Wortführern der Jungtürken (Enver, Talal und Cemal) und auch im Führungskreis um Atatürk, besonders waren es Atatürk und sein engster Mitstreiter İsmet İnönü, die hier maßgeblich waren.
Alle Oppositions-Figuren lassen sich entweder der genannten liberalen Strömung zuordnen oder einer konservativ-religiösen Strömung, die sich immer dann an die liberale anschloss, wenn diese Möglichkeiten legaler Betätigung bot; durch diese Zustimmung aus dem religiösen Lager wurden die Liberalen jedes Mal diskreditiert – man erkannte ihr Wirkungs-Potenzial – so dass ihre Gründungen auch dann, wenn sie von der kemalistischen Führung abgesegnet oder sogar initiiert waren, schnell verboten wurden.


aus:
Ergebnisse des Ersten Weltkriegs

Fortsetzung folgt...


(Bildquelle: Wikimedia Commons)

3 Kommentare:

  1. Man muss aber nicht unbedingt türkisch lernen, um sich weiter zu bilden. In englischer Sprache findet man weit mehr.

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  2. Stimmt, in englisch gibt es im Netz auch sehr gute Infos, auf deutsch sah es doch teilweise etwas mau aus. Oder aber, man konnte als Laie nicht schnell erkennen, ob denn diese Infos nun seriös sind, oder aber nationalistisch verbrämt, revisionistisch, oder gar hagiographisch. Und die Recherche eventueller Seriosität diverser Texte von Internetseiten gestaltet sich manchmal sehr schwierig. Dann doch lieber hier draufschauen... ;-)

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  3. "Immerhin war die Türkei zusammen mit Japan eines der wenigen Länder der Erde, die nicht kolonialisiert wurden oder unter starkem kolonialem Einfluss gerieten."
    Dieser Satz ist historisch überholt. Die Türkei war spätestens ab 1909 unter quasikolonialer Verwaltung der Deutschen, bis 1918 die Franzosen und Engländer das Land vollständig besetzten.

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