Samstag, 23. Oktober 2010

Die Heuchelei der Politik - die Instrumentalisierung des Stammtisches

Die CDU-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl 2011
 in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner (MdB)
Es wurde in der Vergangenheit in den Medien schon öfters beschrieben, dass die so oft von Politikern in Talkshows geforderten deutschen Spracherwerbungen von Migranten, und die oft allzu leicht den Migranten zugeschriebene Schuldfrage bei der Integration, nicht der Realität entsprechen.
Es wurde von der Öffentlichkeit teilweise verdutzt festgestellt, dass es nicht an Bereitschaft fehlt die Integrationskurse zu besuchen, sondern an bereitgestellten Kapazitäten, diesen Ansturm an "Integration" auch zu bewältigen. Zehntausende warten derzeit auf einen freien Integrationskursplatz, Wartezeiten von mindestens drei Monaten bis zu einem dreiviertel Jahr sind die Folge, so berichtete schon vor einem Monat der Spiegel (leider viel zu spät, angesichts der von ihnen angefachten Integrationsdebatte mit dem unkritischen Abdrucken des Pamphlets von Sarrazins!).

Wer wissen möchte, was man aktuell erleben kann, wenn man sich um eine Integration bemüht, dem möchte ich eine lesenswerte Kolumne ans Herz legen:

Kolumne zu Deutschkursen

Liebe Aygül Özkan!


Ein Kampagne von der Deutschlandstiftung Integration will Menschen mit Migrationshintergrund motivieren, Deutsch zu lernen. Die Plakat-Aktion ist praktisch und kostengünstig - Deutschkurse sind das nicht. 
(...)

Ich rief etwa zehn Schulen an. (...) Die Ausländerbehörde konnte nicht helfen, ich rief sogar im Innenministerium und beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an. Kurz: Ich fand keinen geeigneten Deutschkurs.

Der Markt reagiert nicht auf die politischen Forderungen an Migranten, besseres Deutsch zu lernen. Die Politik findet ebenfalls keine Lösungen. Und Sie? Modeln für die Imagekampagne einer Wirtschaftsvereinigung und strecken den Migranten die Zunge heraus!"

komplett lesen:
FR: Liebe Aygül Özkan!


Angesichts obiger Erfahrungen, angesichts der inzwischen auch in der Öffentlichkeit bekannten Probleme bei der Kursbereitstellung, ist es für mich (fast) unverständlich, wie manche Politiker immer noch auf der Welle der Ressentiments bzw. der implizierten Schuldzuweisungen an die Migranten denken sich profilieren zu können.

So versucht sich neben Kristina Schröder eine ebenfalls junge und karriereorientierte CDUlerin an dem Thema Integration.
Und statt, dass sie uns Wählern Lösungen anbietet, dass sie uns sagt, sie verspricht mehr Geld in die Ausstattung von Integrationskursen zu stecken, mehr Lehrer, mehr Finanzen, statt, dass sie uns sagt, die Dauer der Kurse wird erhöht, die Prüfungen werden verschärft, also dass höhere deutsche Sprachkompetenz verlangt wird, etc., sagt sie unter anderem folgendes:

"Die CDU-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl 2011 in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, forderte unterdessen härtere Sanktionen und eine Null-Toleranz-Politik gegenüber integrationsunwilligen Ausländern. Wer sich „vorsätzlich“ der Integration verweigere und etwa Sprachkurse nicht besuche, der müsse sanktioniert werden, im Zweifel bis hin zur Frage des Aufenthaltsstatus, sagte Klöckner am Freitag in Mainz bei der Vorstellung eines Acht-Punkte-Programms der CDU zur Integration."
 Jau, immer feste Druff, egal wieviele sogenannte unentschuldigte "Integrationsverweigerer" es tatsächlich gibt, und wieviele davon überhaupt einen staatsrechtlichen Status haben, der es ermöglicht sie überhaupt abzuschieben! Egal, dass momentan Innenminister de Maizière bemüht ist überhaupt belastbare Zahlen aus den Ländern zu erhalten, denn seine Zahl von 10-15% "Integrationsverweigerern" wurde verschiedentlich schon vor Monaten (!) angegriffen. ("Wer sind die eigentlichen Integrationsverweigerer?") Es wird bei ihr offenbar immer noch an einem Zerrbild der Realität gestrickt. Und ich mag nicht glauben, dass dieses nicht eiskaltes Kalkül ist. Das sie die Wähler, ihr "Stimmvieh", für so blöd hält, dass diese nicht wüssten, dass nicht die sog. "Integrationsverweigerer" das (vorrangige) Problem sind, sondern die zu wenigen Integrationskurse! Vielleicht auch eine anspruchsvollere Zielsetzung mit diesen Kursen, sprich größerer Anspruch der Anzahl  an Vokabeln, usw. Aber wahrscheinlich ist ihr "Stimmvieh" tatsächlich so dumm, als einzig Schuldige die Migranten zu sehen, und immer wieder daran zu glauben! Diese Erkenntnis ist so traurig, dass Rationalismus, Vernunft, und all die hehren Werte der Aufklärung und des Humanismus offenbar heutzutage immer weiter in den Hintergrund gedrängt werden. Nicht vom Stammtisch, dort erwarte ich es nicht unbedingt, denn sie haben so etwas selten erlernt. Nein, von verantwortlichen Politikern! Nicht immer diese Heuchelei!
"(...) So werden etwa Bußgelder oder die Kürzung von Sozialleistungen für die Eltern von Schulschwänzern gefordert, ein Problem, das Klöckner zufolge in hohem Maße Zuwandererkinder betreffe. (...)
Ja, und wo sind die Belege? Oder ist die Schulschwänzerquote (sofern sie überhaupt empirisch untersucht worden ist!) womöglich nicht an der Religion oder Ethnie gebunden, sondern wie fast immer, primär (!) an der sozialen Schicht und dem Bildungsgrad der Betroffenen? Sind "bio-deutsche" Unterschichtenkinder in Problem-Vierteln vielleicht genauso oft am Schwänzen?
"(...) Eine Gleichstellung von Islam mit den christlichen Kirchen dürfe es aber nicht geben. Neben der fehlenden Organisation der Muslime mangele es hierfür vor allem noch immer an einem „Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. (...)"
komplett lesen:
FR: Klöckner will Integrationsunwillige sanktionieren 

Diese Frau hat keine Ahnung!
Mein Gott, oder meinetwegen auch mein Spaghettimonster, wenn so jemand schon nicht einmal in diesem Bereich Integration die Fähigkeiten mitbringt sich innerhalb von vielleicht einem Wochenende in die Grundlagen des Themas durch Recherche zu bilden, wie soll das denn nur werden, wenn diese Frau als Landesmutter über Milliarden von Geldern zu entscheiden hat? Oh Grauß! Dabei könnte sie innerhalb von nur wenigen Minuten auf allen Internetseiten der islamischen Verbände und Vereine die offizielle Satzungen einsehen, nachdem sich bestimmt mehr als 90% der Verbände explizit eben auf diese freiheitlich-demokratischen Grundwerte verpflichteten! (Ein Beispiel von der größten islamischen Community, gleich der zweite Absatz, 2. Satz - Suchzeit: 45 Sekunden!)

Oder sie ist nicht so dumm, sondern es ist eben angesprochenes Kalkül, diese Heuchelei ist Programm. Dann ist es umso schlimmer um diese für mich nun unwählbare Person bestellt. Sie ist mir schon in diversen Phoenix-Talkrunden dahingehend aufgefallen, dass ihre Argumentationsketten nicht immer so stringent waren, sie leicht ins schwimmen geriet, und sie sich öfters in Plattitüden flüchten musste. Ob diese Themen nun Integration oder ähnliches waren, erinnere ich mich nicht mehr, ist aber auch unerheblich, jedenfalls ist es mit dem Nachwuchs der jungen Frauen in der CDU offenbar schlecht bestellt, wenn ich nun nach Kristina Schröder auch diese Politikerin attestieren muss, dass sie sich erstmal kundig machen sollte, anstatt über Dinge zu palavern, von denen sie nichts versteht, oder wahlweise, wenn sie nur so tut, als hätte sie keine Kenntnisse, diese Integrationsthemen nicht zu instrumentalisieren, auf dem Rücken von Fakten und Realitäten. Und vor allem auf dem Rücken der Menschen!


(Bildquelle: Wikimedia Commons)

2 Kommentare:

  1. "Und ich mag nicht glauben, dass dieses nicht eiskaltes Kalkül ist. Das sie [Julia Klöckner] die Wähler, ihr "Stimmvieh", für so blöd hält, dass diese nicht wüssten, dass nicht die sog. "Integrationsverweigerer" das (vorrangige) Problem sind, sondern die zu wenigen Integrationskurse! Vielleicht auch eine anspruchsvollere Zielsetzung mit diesen Kursen, sprich größerer Anspruch der Anzahl an Vokabeln, usw."

    Ich glaube auch, dass es hier vor allem politisches Kalkül ist. Es ist thematisch aktuell, die Verantwortligkeit ist schnell einseitig den anderen untergeschoben, dazu klingt es doch bekümmert? Bleib allgemein genug Immerhin ist die Rede auch allgemein genug, ohne sich in konkreten politischen Abhilfemaßnamen verhaspeln zu müssen. Davon abgesehen ist Populismus bei der Union altbekannt; mir kommt das z. B. Roland Kochs letzte Wahlkampfkampagne in den Sinn.

    Allerdings finde ich staatliche Integrationskurse als Aufhänger und Wunderwaffe auch nicht geeignet. Angenommen Du würdest US-amerikanischer Staatsbürger werden wollen, würdest Du wirklich erwarten, dass der US-Staat Dich mit staatlich finanzierten Sprach- und Staatsbürgerkunde-Kursen umschmeichelt? Für den Erwerb von Sprachkenntnissen sind zuerst Migranten zuständig -- zumal in deren ureigenstem Interesse --, nicht der Staat. Ich denke, wenigstens so hoch sollte man liberale Werte schon halten.


    Klöckner: "Eine Gleichstellung von Islam mit den christlichen Kirchen dürfe es aber nicht geben."
    Man sollte das vielleicht mal von hinten aufrollen. Stattdessen könnte man die christlichen Kirchen ja mit dem Islam gleichstellen. Soll heißen, man nimmt sich eine laizistische Verfassung wie die der USA oder Frankreichs zum Vorbild, schafft also die Privilegien anerkannter religiöser Körperschaften, staatlichen Religionsunterricht etc. ab und lässt die Kirchen von nun an die Mitgliedsbeiträge ihrer Schäfchen selbst einsammeln. Das ist nicht nur eine aufgeklärtere Lösung, auch werden dann religiöse Gemeinschaften nicht mehr willkürlich bevorteilt oder benachteiligt.

    Aber ich befürchte ja Klöckner und der CDU passt das auch wieder nicht. :(
    ;-)

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  2. Du hast vollkommen recht. Integrationskurse sind kein Allheilmittel, höchstens ein Anfang. Aber ein sinnvoller Anfang. Das "Problem" sind auch weniger die neuen Zuwanderer, denen die Kurse ja dienen sollen, sondern eher die vielen seit Jahrzehnten alteingesessenen Migranten, die ihre Kurse selber zahlen müssen und für diese Gruppe sind die staatlichen Kurse ja nicht gedacht, so wie ich es verstanden habe.
    Ich hätte auch nix dagegen, wenn in den Kursen höhere sprachliche Anforderungen gestellt würden. Dazu eben mit einem längeren Kursus. Kostet aber wiederum mehr.
    Außerdem kann man der Gesellschaft ablehnend gegenüberstehen, und trotzdem einen Integrationskursus besucht haben. Dieses gilt übrigens nicht nur für Migranten. Es gibt eine Vielzahl von "Parallelwelten" in Deutschland, z.B. die Neonazis, die in ihrer eigenen Welt leben und die deutsche Verfassung meist ablehnen, oder die erzkonservativen Evangelikalen, die mitunter ihre Kinder von den Schulen nehmen und eher weniger Kontakte zu locker-flockigen Eltern ihrer Umgebung pflegen, sondern sich meist in ihrem Milieu aufhalten, oder die "No-Future"-Punks, oder einen Teil der Gothic-Szene, die auch nix mit deutscher "Leitkultur" anfangen können, und so weiter. Dieser Aspekt der "Integrationsdebatte" wird eigentlich nie erwähnt.

    Ich glaube, alle die solchen Bildungsstand wie die Leser dieses Blogs haben, würden im Ausland selbstständig bei finanziellen Spielräumen Sprachkurse besuchen, oder Online-Kurse, usw. Diejenigen, die über kaum Bildung verfügen, besonders wenn sie in Orten mit vielen Migranten gleicher Sprache wohnen, und von daher nicht immer die tägliche Notwendigkeit der fremden Sprache sehen, diejenigen bekommt man wohl nur zu einer besseren (sprachlichen) Integration, wenn man ihnen kostenlose Angebote macht, ansonsten würden sie von sich aus - anders als wir - diese Kurse nie besuchen und ihre sprachlichen Defizite immer weiter "vererben".
    Nachher muss dann der Steuerzahlen deren Kinder, die in der Schule wegen der Sprache nicht mitkommen, noch weit mehr unterstützen, bzw. sie würden uns alle mehr kosten, wenn sie z.B. Sozialleistungen beziehen müssen, oder gar kriminell würden, usw.
    Insofern sind Sprachkurse doch deutlich günstiger für die Volkswirtschaft - langfristig gedacht. Sie nützen letztlich wohl allen. Und von mir aus können auch notorische unentschuldigte Schwänzer finanziell bestraft werden. Wenn schon dieser supereasy Kursus nicht besucht wird, dann ist die Vereinbarung von "Fördern und Fordern" nicht mehr im Gleichgewicht.

    Zum Thema Gleichstellung Islam und Kirche: Ja, von mir aus können alle Privilegien gegenüber der Kirche gestrichen werden. Außerdem dürfte eine einzige Islam-Vertretung utopisch sein. Es gibt ja nicht nur mehrere Richtungen des Islams, sondern auch mehrere Grade der Auslegung, von ultraorthodox bis salafitisch, bis zu liberal und fast schon so wie bei hiesigen "Papier"-Christen. Aber dieses gibt es ja auch bei Christen. Und es gibt ja auch diverse Kirchen als Ansprechpartner, nicht nur Katholiken, Evangelen, sondern auch diverse Orthodoxe Kirchen, koptische Kirche (ich glaube die ist aber in der röm-kath. Kirche "untergebracht", andere orientalische Kirchen, Freikirchen, usw.
    Ich kenne mich da nicht so aus, es ist wohl vor allem ne juristische Frage. Und es geht um Fördertöpfe für die Religionen. Von mir aus alle Fördertöpfe - und zwar auch für alle Religionen - streichen, mal sehen wie dann die jurist. Bemühungen aussehen... ;-)

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