Samstag, 16. Oktober 2010

"Ein Türke rief an: 'Großen Hunger, ich fressen Kater'"

Mittlerweile ein Beispiel besserer Integrationsarbeit -
die "berüchtigte" Berliner Rütli-Schule. Wandel ist machbar.
Obige Überschrift wäre eigentlich zum Lachen, wenn das Thema nicht so ernst und besorgniserregend wäre. Anders als so manch anderer Beobachter bin ich aber doch noch entfernt vom Alarmismus, selbst wenn Übergriffe, Brandanschläge bis hin zu Morden aus rassistischen Motiven weiter ansteigen sollten. Vielleicht täte ein "Brachial"-Comedian wie Serdar Somuncu so mancher hyperventilierender Talkshow vergangener Tage ganz gut...Meine These ist ja, dass das Bild der Muslime, oder der Migranten im Allgemeinen, wesentlich auch durch die Medien geprägt wurde und wird (wer von 76 Mill. Deutschen hat schon persönlichen Kontakt zu den wenigen 5% Muslimen im Lande, von denen viele rein optisch vielleicht gar nicht erkennbar sind? Von denen weit unter einem Prozent ein Kopftuch trägt?). In den vergangenen Monaten wird ja gerne darüber palavert, dass Sarrazin endlich ein "Tabu" gebrochen habe, indem er (u.a.) auf Missstände bei der Integration hinwies. "Endlich könne man wieder sagen, was man denkt." erschallt es allerorten. Meiner Beoachtung nach liegt der Fall aber eher anders herum. In den Medien wird jede negative Nachricht über die Migranten oder die Muslime lang und breit ausgewalzt. Und das schon seit Dekaden. So verfestigt sich immer aufs Neue die Meinung, das Zerrbild über die Ausländer, die Muslime. Wieviele Muslime oder Migranten mit diesen negativen Erscheinungen überhaupt hervortreten, also in welcher Relation zur Mehrheit der Muslime/Migranten sie stehen, oder welche eigentlichen Ursachen dahinterstehen, wird selten erläutert. Abgesehen von stereotypischer Sprache und Bildregie und Bildauswahl. Wird schon mal eine Türkendisko voller Muslime mit Miniröcken gezeigt, wenn über das Thema Integration gesendet wird, oder wird die Oma mit Kopftuch beim Obsthändler gezeigt, der Bärtige mit Käppi, wenn darüber berichtet wird? Dabei wäre ersteres Bild viel typischer, viel repräsentativer für einen Muslim, denn die Mehrzahl trägt bekanntlich keine Kopftücher.
Meine These ist auch nicht nur auf meinem eigenen Mist gewachsen, denn etliche Studien gibt es schon seit Jahren zum Thema, z.B. die über die öffentlich-rechtlichen Sender von Kai Hafez. Und diese Sender sind noch harmlos, verglichen mit anderen Medien.
Übrigens finden wir die gleichen Mechanismen der Medien auch bei der Bewertung über Sexualstraftaten und schweren Gewaltdelikten. Die realen Zahlen sind seit Jahren mehr oder minder konstant, bei Umfragen stellt man hingegen fest, dass die Mehrheit der Bevölkerung denkt, es gäbe signifikant immer mehr Sexualstraftäter, immer mehr Mörder. Diese Diskrepanz resultiert aus der Medienrezeption der Bevölkerung und dem Wandel und zunehmendem Konkurrenzdruck der Medien und ihrer dadurch bedingten Berichterstattung.



Arne Hoffmann hat für sein Blog mal in seinem Bücherschrank gewühlt, und folgende "wunderbare" BILD-Schlagzeilen herausgesucht, die belegen können, dass schon lange zuminest in den Boulevard-Medien kein Blatt vor dem Mund genommen wurde.

"Die Medienkampagne, die unter anderem die BILD-Zeitung derzeit gegen Muslime führt (siehe aktuell etwa hier und hier), erinnert viele Kritiker vor allem an den Beginn der neunziger Jahre. Damals schürten BILD und SPIEGEL vor allem die Stimmung gegen Flüchtlinge, wobei der Hass bald auf andere Einwanderer übergriff und schließlich zu den Morden unter anderem von Mölln und Solingen führte.

Man kann allerdings noch ein paar Jahrzehnte weiter zurückgehen – zurück in die gute alte Zeit, als die BILD noch nicht unter dem Vorwand der Religionskritik verdeckt über Muslime, sondern ganz offen gegen Türken hetzte. Ein paar mehr oder weniger willkürlich herausgegriffene Beispiele (zitiert nach Günter Wallraffs BILDerbuch, Steidl-Verlag 1985, mit einem Vorwort von Heinrich Böll) von Schlagzeilen, die einem damals an jedem Kiosk entgegensprangen:

BILD vom 31.7.1973: GASTARBEITER AM STEUER: TRÜMMER UND TOTE

BILD vom 11.6.1975: VON 80 TÜRKEN VERGEWALTIGT!

BILD vom 20.8.1976: NOCH EINE MILLION TÜRKEN WOLLEN ZU UNS KOMMEN!

BILD vom 18.7.1977: TÜRKE HATTE WASCHMASCHINE UND HALBES AUTO ALS HANDGEPÄCK

BILD vom 29.7.1978: KOFFER, KISTEN, KÜHLSCHRANK – VORSICHT, DIE TÜRKEN KOMMEN

BILD vom 31.8.1978: In Mannheim sind 180 Katzen spurlos verschwunden. EIN TÜRKE RIEF AN: GROSSEN HUNGER, ICH FRESSEN KATER

BILD vom 9.4.1981: TÜRKE (24) KAUFT SICH DEUTSCHE EHEFRAU (76)

BILD vom 5.9.1984: EINE SCHULE IN FRANKFURT: "JETZT BIN ICH DIE LETZTE DEUTSCHE IN DER KLASSE!"

Zumindest bei den Senioren ist also wohl kaum der vermeintliche Tabubruch der Grund für ihre Begeisterung für solcherlei Stimmungsmache. Sondern eher das dadurch ausgelöste Gefühl wärmender Nostalgie, die Erinnerung an die eigene Jugend, als die Welt noch in Ordnung war. "

Mit bestem Dank vom hervorragendem Blog Hinter meinem Schreibtisch.

(Bildquelle: Wikimedia Commons)

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