Freitag, 24. Juni 2011

Islam eine Missionsreligion? 3. Teil

Darstellung eines Janitscharen,
osmanisch, 17. Jh.

Heute nun die Fortsetzung meiner mehrteiligen Serie:
Islam eine Missionsreligion?
Hier der 1. Teil und der 2. Teil

Es geht in dieser Internetdiskussion um die Folgen muslimischer und christlicher Herrschaft, um Mission, Dschihad, Konversion, Assimilierungsdruck, um das Vorurteil einer Verbreitung des Islams "mit Feuer und Schwert", usw.


Ein Diskutant bemerkte, dass die "legendäre muslischen Toleranz" in Spanien, in seinen Augen bedauerlicherweise bis heute in vielen westlichen Publikationen falsch dargestellt wird.

Ich antwortete:
"Da wird viel Bullshit geschrieben. Richtig. Aber wir kennen ja glücklicherweise die maßgebliche Standardliteratur und können ein differenzierteres Bild zeichnen. Doch selbstverständlich können wir einen Schlussstrich unter das islamische Kapitel in Andalusien ziehen, und schauen, wie relativ zu christlichen Reichen jener Zeit insgesamt die Situation zu bewerten ist. Nicht mit heutigen Maßstäben der Toleranz natürlich, und auch nicht verklärend."

Über die Osmanen meinte er:
"Die christlichen Balkanvölker wurden von der osmanischen Militärmaschine samt und sonders im 15. und 16. Jh. Jh. überrollt. Die bis heute andauernde Verarmung Südosteuropas ist auf die andauernde Misswirtschaft der osmanischen Regierung zurückzuführen, die eine Industrialisierung analog zum westlichen Abenland verhinderte, dazu die für Europa so wichtige Epoche der Aufklärung und des beginnenden Parlamentarismus im 19. Jh. mit der Forderung nach Menschenrechten und Teilhabe an der Regierung."

Ich war verblüfft und sagte:
"Aha, ich habe da doch schon einige Beiträge gebracht, welches die Gründe für die Rückständigkeit des Balkans differenzierter und auch nach neueren Erkenntnissen ausführt - jenseits aller Feindbildkonstruktionen von jungen Balkan-Nationen? Einerseits ein differenziertes Bild für Andalusien fordern, um dann mit dem Vorschlaghammer holzschnittartig woanders draufzuhauen, wie es dir beliebt? Das ist inkonsequent."



Zur Krim meinte er:
"Die seit 1000 Jahren christliche Krim wurde im 13. Jh. von der Goldenen Horde erobert und unter der turkstämmiger Herrschaft des Krim-Khanats islamisiert. Später eroberten die Osmanen das Gebiet, noch später eroberten es die Russen wieder zurück - danach wurde die Krim erneut christlich und der alte Zustand wiederhergestellt."

Ich entgegnete:
"Ja, so wie in Spanien, so wie in Süditalien, so wie auf dem Balkan. "Zustand wiederhergestellt." Das ist eben der Unterschied von christlichen Reichen und islamischen Reichen: Angestrebte größtmögliche (religiöse) Homogenität und Konformität auf der einen (der christlichen) Seite, und "Jeder soll nach seiner Facon selig werden" auf der anderen (muslimischen) Seite, um es mal überspitzt zu formulieren. Ansonsten war die Krim nicht durchgehend rein christlich, wie du es hier suggerierst. Überhaupt, es führt zu nix, wenn man immer argumentiert: "Ich war als erster hier! Es ist mein Land, ich habe es "nur" zurückerobert!" Denn wenn man mal genau hinschaut, führen diese Argumente allzu oft ins Leere oder in ihr Gegenteil."

Ergo: In islamisch eroberten Gebieten gibt und gab es immer noch religiöse Pluralität, in christlich eroberten Gebieten gab es nicht selten nur noch eine religiöse Einheitlichkeit im Christentum, manchmal oder sogar sehr häufig sogar nur in einer bestimmten konfessionellen Ausprägung des Christentums. Ich kann gerne mal die Anteile von Nichtmuslimen in muslimischen Metropolen einige Zeit nach Eroberungen auflisten, und dann dir mal ebenfalls muslimische Städte einige Zeit nach christlichen Eroberungen auflisten, wieviel Muslime man dort noch findet. Ist es nicht augenfällig?

Dann meinte er zu der arabischen Expansion der Frühzeit auf byzantinisches und sassanidisches Gebiet:
"...Wenn sie gegenüber diesen Millionen Nichtarabern wenige Zwangsbekehrungen durchführten, so nicht deshalb, weil sie so tolerant waren - denn das waren sie nach den Buchstaben des Koran keineswegs - sondern weil es überhaupt keine andere Möglichkeit gab. Der Islam musste abwarten, bis die sozial deklassierten christlichen Dhimmis einsahen, dass sie nur als Muslime auf der gesellschaftlichen, administrativen oder militärischen Stufenleiter aufsteigen konnten. Und das taten sie dann ja auch und wer hätte das im Hinblick auf seine Kinder und die nachfolgenden Generationen nicht getan?"

Ich erkannte einen Widerspruch und meinte:
"Hier widersprichst du dir selber. Entweder der Koran oder der Islam ist so "tolerant" (nach damaligen Verhältnissen) anderen (Buch-) Religionen gegenüber, oder nicht. Wenn er intolerant sei, oder der Koran, wie du hier postulierst, was hinderte dann die Muslime daran, nachdem sie die Macht konsolidierten, genau das zu machen, was die Christen in Spanien, Balkan, Italien, usw. gemacht haben? Also unter Zwang zu islamisieren, oder zu vertreiben oder zu töten? Wieso "geduldig" abwarten, bis die Schutzbefohlenen selber Einsicht zeigen, statt "christliche" Methoden anzuwenden, wie sie in Spanien, Italien, Balkan, usw. anwendeten? Und wenn du sagst, "wer hätte es im Hinblick auf seine Kinder nicht getan", wieso taten es sehr sehr viele Christen dennoch nicht, also zum Islam überzutreten, wenn der Druck, die Repressalien, die Nachteile als Christen soooooo immens groß waren? Alles Rabeneltern?

Quizfrage: Wieso traten die Kryptochristen in Zypern nach osmanischer Eroberung zum Islam über? Weil diese Katholiken von der Orthodoxen Kirche (die dort in der Mehrheit war) verfolgt wurden. Das nur mal als ein Beispiel der Komplexität der Islamisierungsgeschichte.

Außerdem fokussierst du dich immer nur auf "Diskrimierung", also Push-Faktoren, kennst du eigentlich auch die Pull-Faktoren? Also was du Menschen zum Islam hinzog?
Die theologischen Grundtatsachen des Islams sind so einfach, dass ihre Kenntnis ohne aufwendige Studien und geistige Übungen von jedem Muslim erlernt werden kann. Auch die Tatsache, dass der Islam keine besonders komplex ausgebildeten Rituale kennt, führt dazu, dass der einzelne Muslim ohne weitere Schwierigkeiten in der Lage ist, die formalen Voraussetzungen für die Erfüllung seiner religiösen Pflichten zu beherrschen. Es hat sich daher auch kein Lehramt herausgebildet. Zu Recht spricht Harald Motzki von einer „Abkoppelung des islamischen Rechts von der Legislative“ und von einer „Privatisierung des Rechts“. Die fehlende Hierarchisierung des Islams hat eine Reihe von offensichtlichen Vorteilen, die man vor allem unter den Stichpunkten der Flexibilität und Mobilität rubrizieren könnte. Jeder Muslim und jede Muslimin ist in der Lage, ihre Religion zu leben und zu verbreiten ohne eine entsprechende Ausbildung. Sie müssen auch keinen Übergangsritus wie Weihe oder Salbung absolvieren, um andere Menschen in den Islam einzuführen. Dies ist einer der Gründe, warum sich der Islam seit dem Mittelalter in einer ständigen Expansion befunden hat, deren Träger vor allem Händler gewesen sind. Diese Ausbreitung fand aber vor allem in den Regionen der Welt erfolgreich statt, die durch politische Strukturen gekennzeichnet waren von nur geringen Ausprägungen von Hierarchisierung.
Dies gilt vor allem für die verschiedenen akephalen Gesellschaften in Schwarzafrika oder Süd- und Südostasien. Angesichts seines einfachen Dogmas und seiner Flexibilität war der Islam auch in der Lage, in den Kulturen, denen er sich außerhalb der islamischen Kernländer gegenübersah, einen Teil der sozialen und religiösen Vorstellungen und Praktiken in sich aufzunehmen und zu ‚islamisieren‘. Dies führte natürlich zu einem gewissen Maß an Regionalisierung, also zum Entstehen eines türkischen, bosnischen, senegalesischen, indischen oder indonesischen, ja auch eines chinesischen Islams.
zitiert aus der Bundeszentrale für politische Bildung:

Islam in Deutschland
Eine islamische "Kirche" gibt es nicht
Strukturen islamischer Organisationen im Vergleich zu kirchlichen Strukturen in Westeuropa
Von Peter Heine

Fortsetzung folgt am Wochenende.

(Bildquelle: Wikimedia Commons)

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

In den Kommentaren können HTML-Tags genutzt werden, z.B. für:
kursiv = <i>Testwort</i>
fett = <b>Testwort</b>
Links = <a href="http://www.deineURL.de/">Link Text</a>
usw. Einfach die o.g. Beispiele kopieren und mit den eigenen Werten ersetzen.