Dienstag, 2. August 2011

Feindbild Islam - 5. Teil

SPIEGEL-Titel 1997 - Ausländer und Deutsche
Gefährlich fremd
Das Scheitern der multikulturellen Gesellschaft

Was mich immer wieder wundert ist, dass viele Schreiberlinge solch ein Gehör in den Dingen bekommen, von denen sie erwiesenermaßen keine oder kaum Ahnung haben.

Wie schon einmal ein von mir vorgebrachtes Beispiel: Würdet ihr euer Auto bei dem KFZ-Mechaniker im Ort reparieren lassen, wo die übrigen 20 KFZ-Mechaniker euch warnen, dass dieser ein Scharlatan ist, schlampige Reparaturen durchführt, die schnell wieder eine Reparatur erforderlich machen, zudem noch überteuert sind? Vielleicht ist dieser eine Mechaniker zudem noch ein Geselle, die anderen hingegen mit Meisterbrief. Bei Islam-"Fach"leuten gelten offenbar die Regeln der Vernunft nicht, denn allzu gern wird dem einen mit Pseudowissen, Halbwissen, stereotypes Halbwissen, Pauschalisierungen eher geglaubt, als echter Fachkompetenz der 20 anderen Experten, die sich zudem nicht erst seit drei Monaten oder drei Jahren mit der Thematik beschäftigten, sondern seit drei Jahrzehnten nichts anderes tun...
Nun rattern also hunderttausende von schlecht und fehlerhaft reparierten Autos durch die Welt, zusammengeschustert von Laien oder Halblaien, und wir warten, bis jemandes Bremsen versagen und es kracht... 

Was mich in vielen Diskussionen am meisten ärgert, weil es so einfach vermeidbar wäre, besonders in Zeiten des Internets und googlebooks, sind schlicht falsche Informationen, die auch nicht richtiger werden, wenn sie massenhaft im Netz immer wieder auftauchen. Ihr glaubt doch auch nicht, wenn einer behauptet, der zweite Weltkrieg ist 1914 angefangen, oder? Heute hat doch jeder Zugang zu Expertenwissen, wieso immer wieder von irgendwelchen Laien sich ein A für ein U vormachen lassen?
Oder ist es so schwer Experten von dubiosen Laien zu unterscheiden? Dafür gibt es sehr einfache und schnell erlernbare Tipps...

Hier mal eine Analyse in einem Kapitel aus dem Buch:

(große Teile des Buches lassen sich in dem obigen Googlebooks-Link einsehen.)


Einige Auszüge, die noch fortgesetzt werden, denn nichts ist entlarvender, als die Argumentationsmuster der Rechtspopulisten und selbsternannten "Islamkritiker" aufzudecken, damit man ebenso wenig auf diese hereinfällt, egal wie eloquent auch die Oberfläche erscheint, wie auf die Methoden der Scientology.



Die Schattenseite der Islamkritik


Darstellung und Analyse der Argumentationsstrategien von Henryk M. Broder, Ralph Giordano, Necla Kelek, Alice Schwarzer und anderen

Thorsten Gerald Schneiders
Eines fällt beim Blick in das „islamkritische“ Schrifttum des deutschsprachigen Raums schnell auf: Die erste Garde der so genannten Islamkritiker bildet einen gut vernetzten Zirkel. Die meisten Protagonisten schätzen sich, stehen füreinander ein und verweisen aufeinander. In Interviews, Diskussionsbeiträgen und
Schriften sind sie einer dem anderen Gewährsmann, Inspirationsquelle und Vorbild. Das gilt etwa für Mina Ahadi, Henryk Broder, Ralph Giordano, Necla Kelek, Alice Schwarzer, Udo Ulfkotte oder Leon de Winter, aber auch für Internetseiten wie Akte Islam, Bundesverband der Bürgerbewegungen, Die grüne Pest, Gudrun Eussner oder Politically Incorrect, um nur einige aufzuzählen.
Weiterhin fällt relativ schnell auf, dass unter den genannten Personen niemand eine theologische oder islamwissenschaftliche Ausbildung absolviert hat. Auch ist nicht bekannt, dass einer unter ihnen die arabische Sprache als Basis für unabhängige und sachliche Auseinandersetzungen mit der Religion des Islam beherrscht. Mina Ahadi, Necla Kelek und Udo Ulfkotte können aus Erfahrung über Muslime in der Gegenwart berichten, weil sie in einem islamischen Umfeld geboren wurden oder längere Zeit dort gelebt haben, zu qualifizierten theologischen Aussagen über die Religion des Islam befähigt sie das freilich nicht. Bei Henryk Broder, Ralph Giordano, Alice Schwarzer und Leon de Winter gibt es außer ihrem mehr oder weniger plötzlich aufgekeimten persönlichen Interesse keine weitere ersichtliche Querverbindung zu der Thematik. Trotzdem äußert sich aber jeder einzelne von ihnen immer wieder zu dezidiert theologischen oder historischen Fragen der islamischen Geistesgeschichte.
Obwohl man also bei den meisten der so genannten Islamkritiker vorab erhebliche Zweifel an der sachlichen Fundiertheit ihrer Argumente und ergo ihrem Interesse an einer konstruktiven Auseinandersetzung über islamische Theologie hegen darf, kommt man an ihnen kaum vorbei. Dank der Medien, die ihnen regelmäßig als Kolumnisten oder Interviewgast eine Plattform bieten, dank ihrer Publikationen und ihrer Internetaktivitäten finden sie auch bei der grundsätzlich Einschätzung der Religion des Islam in der Öffentlichkeit immer wieder Gehör.
Für den folgenden Beitrag wurde eine Auswahl an schriftlichen und mündlichen Ausführungen von solchenLaienvertretern der so genannten Islamkritik (ohne islamwissenschaftliche/theologische Ausbildung) genauer untersucht und miteinander verglichen. Ziel war es, Anhaltspunkte für eine Einordnung ihrer Stellungnahmen im Spannungsfeld von Islamfeindlichkeit und Religionskritik zu finden. Bei der Untersuchung stand nicht zwangsläufig die inhaltliche Richtigkeit der einzelnen Äußerungen im Vordergrund, sondern es ging um die Technik der ArgumentationAls zentrales Ergebnis stellte sich heraus, dass in den Ausführungen immer wieder die gleichen unsachlichen Argumente und fehlerhaften Beweisführungen auftauchen, hinter denen eine identische Absicht zu stehen scheint: Nämlich, um mit Ralph Giordano zu sprechen, den Menschen klar zu machen: „Der Islam ist das Problem!“ (Der Stern, 23.8.07; Cicero, 10/2007; FAZ, 2.3.08; Die Welt, 20.9.08)
Mögen die einzelnen Protagonisten am Ende auch unterschiedliche Ziele mit ihrem Wirken im Sinn haben, auf dem Weg dorthin finden sie in der Auseinandersetzung mit dem Islam derzeit zueinander. Das gilt sowohl inhaltlich als auch methodisch. Um Ansichten zu verdeutlichen, werden Verallgemeinerungen getroffen, fragwürdige Vergleiche gezogen, Vorfälle aufgebauscht, kurz: Ängste geschürt.
Zugleich versuchen sie, Menschen anderer Auffassungen zu diffamieren und der Lächerlichkeit preis zu geben. Ein beliebtes Instrument vieler so genannter Islamkritiker ist daher die Polemik.
Was ist Polemik? Zunächst bedarf es für eine Polemik eines Meinungsstreits (Strauss 1989; Scheichl 2007). Zwei Parteien vertreten gegensätzliche Auffassungen über eine politische, religiöse, künstlerische oder wissenschaftliche Angelegenheit. In der Regel wird dabei die andere Seite personalisiert, auch wenn die Urheber meist betonen, dass es eigentlich um die Prinzipien gehe (Strauss 1989: 296). Die Auseinandersetzung erfolgt mit den Mitteln der öffentlichen Rede oder der Verbreitung von Texten. Die Grundbedeutung von Polemik ist nun eine „aggressive, auf Bloßstellung und moralische oder intellektuelle Vernichtung abzielende, gleichwohl argumentierende Kritik“ am Kontrahenten (Scheichl 2007: 117). Polemik geht häufig einher mit „scharfen (persönlichen) Angriffen oder emotionalen Ausfällen und oft mit unsachlichen Argumenten“ (Strauss 1989: 295f.). Sie arbeitet mit Überspitzungen, Ironie, Sarkasmus, Pathos, Beschimpfungen, Anspielungen auf die Körperlichkeit des Gegners oder Verballhornungen seines Namens. Ziel ist, den Leser oder Zuhörer spontan zur Ablehnung der gegnerischen Positionen zu veranlassen (Scheichl  2007: 118). Es geht ihr also mitnichten um Kompromisse. Bezogen auf die so genannten Islamkritiker in Deutschland stellen sich daher die Fragen: Wenn es mit Blick auf Muslime nicht um Ausgleich, um Kompromisse geht, um was dann? Was ist die konkrete Schlussfolgerung aus einer Erkenntnis, die da lautet: „Der Islam ist das Problem“?
Der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, warnte jüngst vor Polemik. Es bestehe die Gefahr, erklärte er, dass man sich bei den „Auseinandersetzungen um konsensfähige politische  und gesellschaftliche Lösungen sehr polarisiert, konsensunfähig wird und so nachher vor einem regelrechten Scherbenhaufen steht.“ (Hamburger Abendblatt, 9.1.08).

Die so genannten Islamkritiker
Im Verlauf des Beitrags ist bereits mehrfach die Umschreibung ‚so genannte Islamkritiker‘ benutzt worden. Eine solche Differenzierung ist meines Erachtens erforderlich, um das Mittel der konstruktiven Religionskritik nicht im Allgemeinen zu diskreditieren. Kritik an der Religion des Islam, an der Auslegung all ihrer Quellen, am Geschichtsverständnis und am Verhalten von Gläubigen ist angesichts der Herausforderungen einer sich stets wandelnden Welt unentbehrlich für die Harmonisierung einer althergebrachten Lehre mit der jeweiligen Gegenwart (siehe dazu Band 2 dieser Buchs). Grundlage dafür kann allerdings nur eine sachliche Ebene der Auseinandersetzung sein. Strategien, die auf die Überwindung des Glaubens von mehr als 1,3 Milliarden Menschen abzielen oder die aus ideologischen Erwägungen Nicht-Muslime gegen Muslime in Stellung bringen wollen, sind vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen zumindest grob fahrlässig. Ich bezeichne also solche Personen als ‚so genannte Islamkritiker‘, die nicht um eine objektive und konstruktive Kritik bemüht sind und denen aufgrund unsachlicher Argumentationsstrategien unterstellt werden muss, dass sie politische oder persönliche Ziele verfolgen. Die Grenzen zu sachlicher Kritik sind dabei fließend, solange eine Person ihre Absicht nicht eindeutig bekannt gibt oder ihr Verhalten sich inkongruent zur Absichtserklärung erweist. Letzteres bezeugt etwa Ralph Giordano, indem er zwar mehrfach betont, kein „Anti-Muslim-Guru“ zu sein, gleichzeitig aber auf der Aussage beharrt: „Der Islam ist das Problem.“ (FAZ, 2.3.08).
Hinter die wahren Motive einzelner so genannter Islamkritiker zu gelangen, wäre ausgesprochen interessant, ist aber im Rahmen dieses Beitrags nicht zu leisten (für den Fall Giordano siehe den Beitrag von Brumlik in diesem Buch).
Über den Wunsch nach Kritik an der Auslegung islamischen Schrifttums (speziell der extremistischen und reaktionären Varianten) hinaus, sind jedenfalls viele mögliche Beweggründe für ihr Handeln denkbar: Atheismus, Selbstdarstellung, private Leidensgeschichten, Animositäten, Zukunftsängste, (neo-)konservative Überzeugungen, Chauvinismus, Xenophobie, Rassismus und ähnliches.
Wie ihre Ausführungen teils expressis verbis, teils zwischen den Zeilen erkennen lassen, projizieren sie ihre Emotionen, ihre eigene Negativität, ihre Angst vor der Erfolglosigkeit eigener politischer Überzeugungen auf den Islam(ismus) und seine Anhänger beziehungsweise auf Nicht-Muslime, die in Fragen des Islam andere Auffassung als sie vertreten (zur psychologischen Dimension dieses Verhaltens siehe Schmitz/Prechtl 2001: 70f.; Wirth 2007).
Diesem Beitrag liegt auf der Basis der Textanalysen die Annahme zugrunde, dass es in Deutschland eine informelle Gruppe so genannter Islamkritiker gibt, die sich aufgrund islamfeindlicher Positionen zusammenfindet.

Die Annahme gründet sich auf vier Punkte:


1. Ihre Texte und Ausführungen sind durch ein Grundmuster an fehlerhaften Argumentationstechniken geprägt; wie im Folgenden zu sehen sein wird.
2. Es lässt deshalb postulieren, dass sie mit ihrer „Islamkritik“ politische oder persönliche Strategien verfolgen.

3. Sie benutzen dieselben typischen Kampfbegriffe: Taqiyya[1], Eurabia, Dhimmi[2], Gutmenschen[3], Großmoschee et cetera und dieselben Topoi: stets beleidigte Muslime, massenhafter Ausschluss muslimischer Mädchen vom Schwimmunterricht, falsche Toleranz der Deutschen, Ausländerbonus bei der deutschen Justiz und andere mehr.

4. Sie verweisen in ihren Argumentationsführungen auffallend oft und mitunter ausschließlich aufeinander.


Fußnoten:

[1] Taqiyya (wörtl. Vorsicht, Furcht [vor Gott]) bezeichnet nach schiitischer Lehre ein theologisches Prinzip, wonach man seinen Glauben zum Schutz der eigenen Person oder der eigenen Familie verheimlichen oder verleugnen darf, vgl. Egbert 1980; Strothmann/Djebli 2000. So genannte Islamkritiker benutzen den Begriff, um etwa missliebige Aussagen von (liberalen) Muslimen der Lüge zu zeihen.
[2] Dhimmi (wörtl. Schutzbefohlener) ist nach klassisch-islamischem Recht eine Bezeichnung vor allem für Christen und Juden, die parallel zur islamischen Almosensteur (zakät) zur Zahlung einer Kopfsteuer (arab. djizya) herangezogen wurden; vgl. Cahen 1965. So genannte Islamkritiker verwenden den Begriff abschätzig für Nicht-Muslime, die sich nicht mit der gebotenen kompromisslosen Härte gegen Muslime oder deren Ansichten stellen.

[3] Der Sprachdienst (1998, Heft 2) beschreibt den Begriff als Schmähwort „zur Stigmatisierung des Protests“ und „zur Diffamierung des moralischen Arguments“; vgl. Friedmann 2007.




Artikelserie wird weiterhin fortgesetzt...

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