Sonntag, 7. August 2011

Feindbild Islam - 7. Teil

Henryk M. Broder, leider ist er mit seinen Vorstellungen in
seinem eigenen Irrgarten gefangen.

Nachdem ich bereits hier den ersten Teil eine Leseprobe einer empfehlenswerten Untersuchung zu dem Feindbild Islam vorstellte, und im zweiten Teil angefangen habe die ersten 5 typischen Argumentationstechniken der selbsternannten "Islamkritiker" zu entschlüsseln, setze ich nun diese Reihe der 20 häufigsten Argumentationsstrategien der Rechtspopulisten und "Islamkritiker" weiter fort. Wichtig ist nochmals zu betonen, dass dieser Artikel des Buches, anders als viele andere, nicht primär das Ziel hatte nun jede Behauptung oder jede vorgebrachte Zahl auf Richtigkeit zu untersuchen. Ziel war es die Art und Weise der "Islamkritiker" zu beleuchten, auf welche Weise argumentieren sie, und ist diese Art seriös oder nicht.

Bisher hatten wir etwas über diese Techniken und Strategien erfahren:
  1. Aneinanderreihung von Negativbeispielen
  2. Beleidigen, herabwürdigen, verspotten
  3. Vorurteile
  4. Alarmismus, Dramatisierung, fiktive Bedrohungsszenarios
  5. Verzicht auf Belege und Beweise, Simplifizierung von Sachverhalten
Nun geht es weiter.

Aus: Thorsten Gerald Schneiders (Hg.): Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen. Wiesbaden 2009.
(Wie schon mehrfach darauf hingewiesen: Große Teile des Buches lassen sich in dem obigen Googlebooks-Link einsehen. Insofern könnte man auch dort weiter lesen, wenn man nicht auf meinen nächsten Post warten möchte, oder noch besser: Kaufen.)

6. Ausblenden von Ursachen

Kennzeichnend für Necla Keleks Arbeit ist ihr monokausaler Erklärungsansatz. Das Buch Die fremde Braut (2005), notabene vom früheren Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) wohlwollend im Spiegel (5/2005) rezensiert und mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2005 ausgezeichnet, benennt ähnlich ihrem zweiten Werk Die verlorenen Söhne (2006), für das sie ebenfalls einen Preis, die „Corine“ in der Sparte Sachbuch, erhalten hat, im Grunde nur die Religion als Ursache für die beobachteten Missstände in muslimischen Einwanderergesellschaften – eine nähere Begründung für diese Exklusivität liefert sie nicht (2005: 261). Zentrale Faktoren wie Bildung, wirtschaftliche Stellung, Wohnsituation, Diskriminierungserfahrungen, Identitäts- oder Persönlichkeitskrisen einerseits, und nationalistische respektive politische Überzeugungen andererseits – sowohl beim Einzelnen wie bei Familienangehörigen – bleiben in ihrer Argumentation weitgehend außen vor (siehe auch den Beitrag von Schröttle in diesem Buch). Dafür berichtet sie ausführlich über die islamische Frühgeschichte, über die Prophetenbiografie und betreibt eigenständige Koranexegese (S. 148ff., Kapitel Der Prophet und die Frauen); all dies sind Grundelemente einer fundierten islamwissenschaftlichen und theologischen Ausbildung; diese kann Kelek nicht vorweisen; üblich wäre in dem Fall, einschlägige Fachliteratur zu rezipieren, doch in beiden Büchern gibt es kaum Hinweise auf Sekundärquellen. Auch Günther Lachmann (2006) und Henryk Broder  (2006) präsentieren soziale Missstände muslimischer Einwanderergenerationen primär als Folge von Glaubensüberzeugungen oder kultureller Herkunft. Andere möglicherweise ausschlaggebende Gründe aus der Biografie des Einzelnen blenden sie aus. Benachteiligungen im Schulsystem und deren Folgen (PISA-Studien), Schwierigkeiten bei der Job- oder Wohnungssuche, die schon allein auf der ausländischen Herkunft beruhen können (EUMC 2006: 54; siehe den Beitrag von Peucker in diesem Buch), wiederholte Diskriminierung auf deutschen Ämtern, in deutschenFreizeiteinrichtungen, in deutschen Supermärkten (Stichwort: Kopftuch), Familienprobleme oder andere Erfahrungen, die das Sozialverhalten beeinflussenkönnen, finden – wenn ich es recht sehe – bei keinem von beiden auch nur eine Erwähnung.


7. Desinformation

Es kann aus Unkenntnis oder aus Absicht heraus geschehen, aber an vielen Stellen werden zentrale Informationen vorenthalten. Dabei handelt es sich meist um solche, die die eigenen Argumente relativieren würden. Da diese Technik häufig in Polemiken vorkommt, findet sie sich mehrfach in Broders Hurra, wir kapitulieren (2006) – mal schwieriger zu erkennen, mal leichter. Auf Seite 115 folgende schildert er zwei „spektakuläre“ Attacken von „arabischen“ Männern und Jugendlichen auf zwei „schwarze“ und einen „deutschen“ Schüler, um im nächsten Absatz die Gesamtzahl der gemeldeten Fälle von Gewalt an Berliner Schulen im Schuljahr 2004/2005 zu nennen: 849. Weitere Erklärungen bleiben aus. Dem Leser wird suggeriert, Gewalt an Berliner Schulen sei ein massives Problem, das hauptsächlich von nicht deutschstämmigen beziehungsweise (arabischen =) muslimischen Tätern ausgehe, und vorwiegend als Körperverletzung zum Ausdruck komme. Die Realität sieht anders aus. Unter die Gesamtzahl (die offenbar falsch abgeschrieben wurde – es waren 894 Fälle) summieren sich ebenso Bedrohungen, Beleidigungen, Sachbeschädigungen oder Nazi-Schmierereien. In 35,9 Prozent aller Fälle waren Personen nichtdeutscher Herkunft beteiligt – als Täter aber auch als Opfer. In Relation zur Zusammensetzung der Schülerschaft bedeutet die Zahl eine nur geringfügige Überrepräsentierung gegenüber deutschen Schülern. Bei dem am häufigsten gemeldeten Delikt, Körperverletzung, lag der Anteil von Personen nichtdeutscher Herkunft lediglich um 0,4 Prozent höher. Insgesamt kamen in jenem Schuljahr durchschnittlich zwei (!) von tausend Berliner Schülern zu Schaden (Senatsverwaltung 2005).
Um zu verdeutlichen, wie sehr sich die deutsche Rechtsprechung von religiösen Vorschriften „und mithin vom islamischen Recht“ in der Vergangenheit angeblich beeinflussen ließ, echauffiert sich Günther Lachmann über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Schächten aus dem Jahr 2002 (2006: 68f.; siehe auch den Beitrag von Muckel in diesem Buch). Die Richter urteilten – „zum Entsetzen aller Tierschutzorganisationen“ –, dass man Muslimen diese religiöse Praxis nicht generell verbieten könne. Lachmann belässt es bei dieser Information. Dass der jüdischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland für die gleiche Form des rituellen Schlachtens seit längerer Zeit Ausnahmeregelungen gewährt werden, unterschlägt er. Für einen Journalisten, der sich mit solchen Fragen beschäftigt, wäre es ungewöhnlich, wenn er über diesen Umstand nicht Bescheid wüsste. Auch vor dem Hintergrund des Tenors seines Buchs könnte man daher vermuten, dass es sich hier um eine gezielte Selektion von Informationen handelt.


8. Apologetik der christlich-abendländischen Kultur, Eurozentrismus

Um Menschen von einer härteren Haltung gegenüber Muslimen zu überzeugen, versuchen einige in ihrem Missionsdrang den Deutschen die Überlegenheit ihrer eigenen Kultur einzubläuen. Dabei geht es weniger um deren nationale Dimension als mehr um deren europäische beziehungsweise deren „westliche“, die allerdings in der Regel auf das Erbe des (jüdisch)-christlichen Abendlandes reduziert wird. Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass hier ein althergebrachter Rassismus in neuem Gewand in Erscheinung tritt. Schon 1955 stellt Theodor Adorno fest, dass manche die „abendländische Kultur“ anstelle der „weißen Rasse“ gesetzt haben: „Nicht selten verwandelt sich der faschistische Nationalismus in einen gesamteuropäischen Chauvinismus […] Das vornehme Wort Kultur tritt anstelle des verpönten Ausdrucks Rasse, bleibt aber ein bloßes Deckbild für den brutalen Herrschaftsanspruch.“ (1975: 276f). Meist unterschwellig, mitunter aber auch ganz unverhohlen reden so genannte Islamkritiker jenem eurozentrischen Chauvinismus das Wort. „Wir sollten die Arroganz aufbringen, unsere neuen islamischen Mitbürger Verträglichkeit, Individualität und die Rechte und Pflichten des modernen Bürgertums zu lehren“, verlangt Leon de Winter. „Seit den sechziger Jahren machen wir uns selbst weis, alle Kulturen seien gleichwertig“ (2004: 15.12.). Gleichzeitig romantisiert und verklärt der Schriftsteller das Geschichtsbild, wenn er in Abgrenzung zum Islam etwa eine Szene beschreibt, in der er sinnierend in seinem Auto durch die weihnachtlich geschmückten Straßen fährt und bei einem Duett der Musiker Sting und Craig David, das gerade im Radio erklingt, feststellt: Da „wurde mir plötzlich bewußt, wie schön und rein dieser Popsong ist und wie großartig die Kultur, in der Menschen wie Sting und David ihren Sehnsüchten und Träumen Ausdruck verleihen können.“ Rührselig fügt er an: „[Es] überkam mich die Sehnsucht nach Ruhe und Geborgenheit, und ich konnte mir die Tränen nicht verkneifen. Ich beginne, ein sentimentaler alter Narr zu werden.“ (2004: 20.11.) Auch im Internet bemüht man sich um die Abwertung der fremden und um die (implizite) Aufwertung der eigenen Kultur oder Religion. Bei Politically Incorrect heißt es schlicht: „Islam ist eine freiwillige Geisteskrankheit.“ „Es ist müßig sich mit dieser minderwertigen ‚Kultur‘ auseinanderzusetzen.“ „Islam ist […] mit einem Wort: barbarisch.“ (‚FreeSpeech‘ 24.1.07; ‚Steppenwolf‘, 24.2.08; ‚RDNZL‘, 24.3.08 in: PI-News.net)


9. Aufruf zum Nationalstolz und Einreden von Fremdenliebe

Eng mit der Apologetik der christlich-abendländischen Kultur sind Argumentationsstrategien verbunden, die den Deutschen vor Augen führen sollen, dass sie von einer quasi pathologischen Zurückhaltung im Umgang mit Ausländern gehemmt werden. Obwohl diese „Diagnose“ vor dem Hintergrund, dass etwa jeder zweite Deutsche laut einer Studie des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld fremdenfeindliche Einstellungen pflegt,[5] (Heitmeyer 2006; siehe auch die Beiträge von Peucker, Leibold und Oberndörfer in diesem Buch) ziemlich bizarr erscheinen muss, erfreut sie sich bei den so genannten Islamkritikern einer gewissen Beliebtheit: „Nachdem die Nazis alles Fremde verteufelt haben, wollen die Kinder nun alles Fremde lieben, mit fest verschlossenen Augen.“ (Schwarzer 2004) „Es fehlt ihnen [den Deutschen] oft ein wenig von dem Selbstwertgefühl, das andere im Übermaß vor sich hertragen. Und zuweilen hindert sie dieser Mangel, unübersehbare Missstände anzuprangern, besonders wenn es um hier lebende Menschen aus anderen Kulturen geht.“ (Kelek 2006: 20) „Manchmal verstehe ich die Deutschen einfach nicht. Ich bin in der Türkei geboren und habe inzwischen einen deutschen Pass. Manchmal aber kommt es mir vor, als gehörte ich zu den ganz wenigen, die stolz darauf sind.“ (Kelek 2005: 20; siehe auch den Beitrag von Rommelspacher in diesem Buch) Und als drohe die Bundesrepublik bereits ins Mittelalter zurückfallen, appelliert Mina Ahadi in diesem Kontext gar „an die Deutschen, nicht hinter die eigenen Errungenschaften individueller Freiheiten und aufgeklärten Denkens zurückzuweichen.“ (2008a) Die Argumente nehmen meist Bezug auf den angenommenen Schuldkomplex, den Deutsche insbesondere wegen des Holocausts und Europäer insbesondere wegen des Kolonialismus oder des Faschismus angeblich nach wie vor mit sich herumtragen würden. Ziel solcher Argumentationstechniken ist es, den Menschen ihre vermeintliche Angst vor Rassismusvorwürfen zu nehmen und sie zu ermuntern, endlich Klartext gegen Muslime zu reden. Ralph Giordano macht damit Werbung, dass ihn nach seiner Kölner Moschee-Kritik (Giordano 2007) eigenen Angaben zufolge in kürzester Zeit „Hunderte und Aberhunderte von Briefen, Faxen und Telefonaten“ erreichten, „mit einem ebenso einheitlichen wie bestürzenden Tenor: ‚Wir teilen Ihre Befürchtungen, wagen aber nicht, sie öffentlich auszusprechen, weil wir dann in die falsche, rassistische, neonazistische Ecke gestellt werden“ (Giordano 2008); angesichts des großen Beifalls, den Giordano von Rechts bekam (pro-koeln-online.de, 3.12.07;  Die Welt, 24.4.08), dürfte jedoch ein nicht unerheblicher Teil dieser Rückmeldungen aus eben diesem Umfeld stammen.

10. Themenhopping

Bemerkenswert konfus führt Henryk Broder seine Leser in Hurra, wir kapitulieren (2006) durch den Text. Querbeet geht es mal um seine persönlichen Erfahrungen, dann um Jugendgewalt an deutschen Schulen, um den israelisch-palästinensischen Konflikt, um eine Episode in der US-Zeitschrift The New Jew Review, um den Iran, die Krawalle in französischen Vorstädten, dann wieder um Gewalt an Berliner Schulen, um Kopftuch und Kippa, um Guantanamo, den Ölpreis oder um einen im Irak enthaupteten Geschäftsmann, um nur einige Themen zu nennen, die sämtlich unter dem Stichwort „Islam“ subsumiert werden.
Zwischendurch werden einzelne Medien, Politiker oder Persönlichkeiten wie Günter Grass, Uri Avneri, Peter Zadek oder Reinhard Mey verhöhnt. Die Abhandlung der Themen ist kurz und knapp gehalten und häufig von den der Polemik eigenen Elementen Spott und Ironie durchzogen. Das Buch wirkt wie ein Sammelsurium aus einigen schlüssigen und vielen  absurden Kritikpunkten, das die Rezipienten einlullen soll. Der fehlende logisch-systematische Aufbau dürfte dazu beitragen, dass sich viele keine allzu große Gedanken über die im Einzelnen aufgeführten Aspekte machen werden; umso erstaunter bleibt man zurück, wenn man dann das Fazit einer Rezension in der FAZ liest: „Das Buch ist eine scharfsinnige Gesellschaftsanalyse, deren Argumentation so einleuchtend, so klar, konzise und gnadenlos zwingend ist, daß selbst ärgste ‚Verfechter der Political Correctness‘ Probleme haben dürften, dagegen anzukommen. Sie werden versuchen, Broder Polemik vorzuwerfen.“ (8.10.06)
Das Vermischen von Themen bar erkennbarer Logik tritt nicht nur in inhaltlichen Gliederungen, sondern auch in einzelnen Argumentationen auf. Mit einem offenen Brief an den deutschen Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier will sich Ralph Giordano über dessen Gesangsduett mit dem umstrittenen Künstler Muhabbet (FAZ, 13.11.07) empören. In mehr als der Hälfte des Schreibens setzt er sich allerdings mit dem Moscheebau in Köln-Ehrenfeld und der Terrorgefahr in Deutschland auseinander (Giordano 2007a). Ähnliches macht er, wenn er zur Begründung seiner Stellungnahmen gegen den Kölner Moscheebau erklärt: „Auf dem Wege hierher musste ich einen Anblick ertragen, der meine Ästhetik beschädigt hat – eine von oben bis unten verhüllte Frau, ein menschlicher Pinguin.“ (2007; 2007c; 2007d) Alice Schwarzer rät dem Bundesverfassungsgericht, für seine Urteilsfindung in der Frage eines Kopftuchverbots für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen sollte es lieber eine  algerische Politikerin, eine bangladescher Menschenrechtsaktivistin oder andere befragen, statt die Wirkung der Verschleierung auf deutsche Kinder untersuchen zu lassen (Schwarzer 2003).


11. Pauschalisierung

Beim Lesen mancher Texte von so genannten Islamkritikern fällt auf, dass man nie so genau weiß, ob es nun um Muslime geht oder um Türken, um Ausländer oder um Einwanderer. Dieser Mangel an sprachlicher Präzision schlägt sich in der Regel inhaltlich nieder. Manchmal fehlt den Autoren die Sensibilität für notwendige Differenzierungen, manchmal scheinen sie die verallgemeinernde Darstellung gezielt zu wählen, um Maßnahmen gegen die Gesamtgruppe zu bewirken. Da türkischstämmige Muslime die größte Einwanderergruppe in Deutschland bilden, werden viele Probleme der Migration häufig mit ihnen in Verbindung gebracht. Pauschalisierungen führen unter anderem dazu, dass sich Menschen, deren Verhalten dem generalisierten Bild nicht entspricht, diffamiert fühlen. Festigt sich bei letzteren der Eindruck, in einer voreingenommenen Umgebung zu leben, droht als Folge dieser „Ungerechtigkeit“ eine enttäuschte Abwendung von der Mehrheitsgesellschaft. Es sind somit Zweifel angebracht, ob Islamkritik in der hier dargelegten Form eher die Integration oder das Gegenteil fördert (Leibold 2006). Gut ausgebildete junge Menschen mit türkischem Migrationshintergrund hegen auch gerade wegen des sozialen Klimas verstärkt den Wunsch, Deutschland zu verlassen (Der Spiegel, 21/2008; SZ, 31.3.08; Zeit online, 13/2008). Die weltgewandte Buchautorin Hatiçe Akyün beklagt: „[M]an darf nicht nur über die Problemfälle reden! Frauen wie Seyran Ates oder Necla Kelek haben mir mein deutsch-türkisches Leben erschwert […] Einfach weil sie es geschafft haben, ihre Sicht zur vorherrschenden zu machen.“ (taz, 4.9.08; siehe auch Kaddar 2009) Zur diesen Sichtweisen gehört beispielsweise die Verallgemeinerung: „Türkische Eltern arrangieren Ehen. Das heißt, dass eine Importbraut ins Land, in den Haushalt, kommt“ (Kelek 2006c). Eine ähnliche Wirkung entfaltete auch Alice Schwarzers Aussage: „Das Kopftuch ist die Flagge des Islamismus.“ (2006) Mit diesem viel zitierten Vergleich stilisiert sie jede Kopftuchträgerin, ob alt oder jung, zur gefährlichen Polit-Aktivistin, deren Ziel die Vernichtung der säkularen Gesellschaft in Deutschland ist; denn schließlich betont sie an gleicher Stelle, dass es die Islamisten so ernst meinen wie Hitler (2006). Bei Henryk Broder fängt die Verallgemeinerung schon auf der ersten Seite an: alle „Terroristen“ haben seiner Schilderung nach ein verkorkstes Elternhaus, wurden in der Schule gehänselt, konnten in jungen Jahren nicht beim anderen Geschlecht landen (2006: 7ff.; zu diesem Thema siehe auch Schneiders 2006).
Von hier zieht sich das Prinzip Pauschalisierung durch das gesamte Buch fort, denn es geht „um 1,5 Milliarden Moslems in aller Welt, die chronisch zum Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen neigen.“ (S. 13) Obwohl Broder oft versucht, seinen Ausführungen durch burlesk-satirische Züge einen humoristischen Anstrich zu verpassen, bleiben die Verallgemeinerungen unheilvoll im Raum stehen. Als letztes von zahlreichen möglichen Beispielen möchte ich Mina Ahadi zitieren, die ebenfalls vor dem Hintergrund des Karikaturenstreits zu der allerdings sinnfreien Erkenntnis kommt: „Der Islam neigt dazu, sich selbst ständig verletzt und unverstanden zu fühlen“ (2008: 91).



Fußnote:
[5]: Die Angabe basiert darauf, dass 48,5 Prozent der Deutschen der Aussage zustimmten, in Deutschland lebten zu viele Ausländer und sie sollten nach Hause geschickt werden, wenn die Arbeitsplätze knapp würden. Auch das PEW Research Center in Washington stellte im September 2008 fest, dass jeder zweite Deutsche negative Ansichten über Muslime hat, pewglobal.org.

Wie man alleine anhand der bisherigen Punkte erkennen kann, sind schon alle Diskussions-, Legitimations- und Argumentationsmuster der großen gesellschaftlichen Diskussionen des Jahres 2010, vom "Dschihad in den Feuilletons" bis zur Sarrazindebatte, enthalten. Erstaunlich, wie stark von ansonsten durchaus intelligenten Menschen an diesen Mustern seit Jahren festgehalten wird - trotz kommunikationswissenschaftlichen Untersuchungen dazu. Sie sind offenbar inzwischen Gefangene ihrer Selbst, und nicht mehr fähig zur Selbstreflexion, wittern verängstigt und gleichzeitig empört hinter jeder Äußerung gleich eine Verschwörung, würden aber nie eingestehen, dass sie exzessiv Verschwörungstheorien anhängen.
So auch heute Matthias Matussek im Spiegel, der hinter jeder Äußerung eine persönliche Abrechnung, eine Instrumentalisierung wittert, und gar nicht auf den Gedanken kommt, sich damit einfach mal inhaltlich ohne Verortung in Zeit, Raum und Person auseinanderzusetzen.

Breivik-Debatte
Entwarnung: Papst doch kein Terrorist!

Schaut selber, welche der obigen Methoden er einsetzt, um seine Ansichten zu untermauern, und ob diese Methodik dazu geeignet ist tatsächlich seine Aussagen zu unterstützen, oder eher das Gegenteil erreicht wird, und man dabei gewahr wird, dass hier einer nicht fähig ist über Äpfel-Birnen-Vergleiche hinaus zu denken.

Wird weiterhin fortgesetzt...


(Bildquelle: Wikimedia Commons, Sven Teschke, Büdingen)

3 Kommentare:

  1. vielen Dank für die guten Artikel

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  2. Broder zeigt uns die Realität dieser rückständigen Religion, die nur Massenmord über die Welt verbreitet. Der Islamfaschismus muss gestoppt werden.

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  3. Der Schweizer. Du kannst ja mal, um deinen Realitätssinn zu schärfen, sofern du nicht hoffnungslos verblödet bist, in den jeweiligen Statistiken schauen, wieviele Opfer im Westen durch Muslime zu beklagen sind, und wieviele Opfer muslimische Familien z.B. in den letzten hundert Jahren zu beklagen haben. Wie oft durch muslimische Ländern z.B. die EU, oder die USA in den letzten Jahren angegriffen wurde, und wie oft andersrum. Du kannst ruhig in die Rechnung noch unsere toten Soldaten und Zivilisten mit einrechnen, die ihren Dienst im Nahen und Mittleren Osten taten. Also dorthin reisten, um Krieg zu führen.
    Ahnst du schon, wie diese Statistik aussieht?

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