Türkische Delikatessen, z.b. die berühmten gefüllten Weinblätter |
»Himmel und Erde sind nichts als ein Apfel, gewachsen an Gottes Baum Unendlicher Macht.«
Mevlana Dschalal ad-Din ar-Rumi (1207 - 1273) Mesnevi (Gedichte), Band IV
Heute möchte ich euch eine Leseprobe aus einem Ausstellungskatalog vorstellen, in dem die Geschichte der türkischen Küche beleuchtet wird. Ich hörte manchmal in der Türkei, dass dort stolz darüber berichtet wurde, dass die türkische Küche zu den Großen dieser Welt gehöre. Ja, dass sie sogar nach der chinesischen und der französischen Küche den dritten Platz einnehme. Wie auch immer dieses gemessen wird, eines ist klar: In Deutschland kann man nur sehr selten die erlesene türkische Küche kosten. Besonders auch nicht in ihrer osmanischen Sultanspalastküchentradition, da deren Speisen oft sehr aufwendig sind, und offenbar die deutsche Kundschaft, anders als zum Beispiel bei der französischen Küche, nicht bereit ist hochpreisige türkische Speisen zu bezahlen. Vielleicht ein Problem des Image, den die hiesigen Türkischstämmigen bei der Mehrheit der Deutschen besitzen? Jedenfalls kann man sagen, dass die türkische Küche eine sehr vielgestaltige ist, auch entgegen den hiesigen Vorstellungen kaum Knoblauch oder Kümmel verwendet. Da verwendet inzwischen die neue deutsche Küche erheblich mehr. Sowieso wird nur sparsam gewürzt, um den Geschmack der einzelnen Nahrungsmittel zur richtigen Geltung zu verschaffen.
Wie dem auch sei, ich habe diese Aussage von der drittbesten Küche wahrscheinlich auch mal in einem alten Baedecker-Reiseführer lesen können, sowie in dem Text unten. Es wird wahrscheinlich die Variabilität einer Küche gemeint sein, wieviele Gerichte die Köche aus einem jeweiligen Nahrungsmittel zu kochen imstande sind. So werden zum Beispiel in der türkischen Küche mehr als 40 verschiedene Auberginengerichte gezählt. Vielleicht komme ich nochmal dazu dieser Aussage nachzugehen. Jedenfalls soll dieser Post nicht der letzte zur türkischen Küche sein.
Viel Spaß beim Lesen und Guten Appetit, oder wie man auf türkisch sagt: Afiyet olsun!
Große Imperien haben große Küchen hervorgebracht. Der fruchtbare Boden und die Tüchtigkeit der Bauern und Fischer des türkischen Reiches, verbunden mit der Begeisterung und dem Können seiner Küchenchefs und häuslichen Köche, haben feine, wohlschmeckende Gerichte entstehen lassen, die die türkische Küche neben der französischen und chinesischen zu einem der drei herausragendsten Beispiele für kulinarische Kunst in der Welt gemacht haben. Im Lauf ihrer Entwicklung, von der Küche der türkischen Stämme Zentralasiens bis zu der Küche von heute, hat die türkische Kochkunst einen individuellen Charakter angenommen, der in der Anlage der Küche, den Kochgeräten, den Gerichten und Garmethoden, dem Anrichten von Speisen und in bestimmten Sitten zum Ausdruck kommt. Abwechslungsreichtum und Vielfalt werden auf jedem Gebiet der Kochkunst gleichermaßen gepflegt.
Verschiedene selbst angefertigte Mezes, Vorspeisen diese findet man in vielen Ländern, über die die Osmanen einst herrschten |
Die Geschichte der türkischen Küche kann unterteilt werden in die zentralasiatische, die Seldschuken- und die osmanische Periode:
Die zentralasiatische Periode (vor 1038)
Das Wissen über die Nahrung und die Eßgewohnheiten der frühen türkischen Nomadenstämme in Zentralasien ist begrenzt und beruht auf Mutmaßungen. Wahrscheinlich ernährten sie sich, ebenso wie andere Nomadenstämme, von Schafs- und Pferdefleisch, ungesäuerten Backwaren oder Brot aus Weizenmehl, Milch und Milchprodukten wie Joghurt. Man weiß heute, daß Koumiss, ein fermentiertes Getränk aus Stutenmilch, und Ayran getrunken wurden.
Hinweise aus Gemeinden von Kazantürken und Tataren in Anatolien, die noch immer viele zentralasiatische Bräuche bewahrt haben, deuten darauf hin, daß eine Reihe von Nahrungsmitteln aus der zentralasiatischen Periode bis heute überlebt hat. Mantı (eine Art Ravioli), Çörek (ringförmige Brötchen), verschiedene Pasteten und Tarhana (eine Art getrockneter Quark), sie alle stammen aus Zentralasien.
Eine der frühesten schriftlichen Quellen über die präislamischen Türken, die Orhun-lnschriften, bezieht sich auf eine Begräbniszeremonie für einen Regenten der Göktürken, der zwischen dem sechsten und dem achten Jahr-hundert ein großes Reich in Zentralasien errichtete. Sie zeigt, daß diese Jäger sich hauptsächlich von Hirsch- und Hasenfleisch ernährt haben.
Die Periode der Seldschukenherrscher (1038-1299)
Aus der Zeit der Seldschukensultane haben mehr schriftliche Informationen über die Ernährung überlebt. Der »Divanu Lugat-i Turk«, ein Wörterbuch, das Kaşgarlı Mahmut in den Jahren 1072 und 1073 zusammenstellte, um die Araber Türkisch zu lehren, enthält nicht nur die Namen bestimmter Nahrungsmittel, sondern beschreibt auch einige Gerichte. Zu denen, die als alte türkische Gerichte bezeichnet werden, gehören: Tutmac (Nudelsuppe); Yufka (flaches, ungesäuertes Brot); Katma, Juga oder Katmer (ein Schichtgebäck); Ekmek (Brot); Joghurt; Ayran; Kımız; Koumiss; Çörek (ein ringförmiges Brötchen); Pekmez (Sirup aus gekochtem Traubensaft); und Kavut Helva (eine Speise aus Reismehl). Es gibt auch Hinweise auf das Kochen in einer Erdgrube, auf die Verwendung von Grillrosten, Spießen und irdenen Kochgefäßen.
Das andere wichtige Schriftstück aus dem elften Jahrhundert, verfaßt von Yusuf Has Hacip, trägt den Titel »Kutadgu Bilig« (Das Buch des Wissens) und befaßt sich weniger mit Speisen als vielmehr mit Eßgewohnheiten, Festmählern und der Bedienung an der Tafel.
Ein weiteres Werk, das Licht auf dieselbe Periode wirft, ist »Dede Korkut Hikayeleri« (Die Erzählungen von Dede Korkut), zusammengestellt gegen Ende des 14. Jahrhunderts. Diese zwölf Erzählungen sind eine reiche Informationsquelle über die Bräuche der ogusischen Türken, die im Südwesten Asiens lebten. Eintopf (Yahni), Speisen am Spieß (Kebabs), eine Suppe aus Weizenmehl und Joghurt (in Anatolien Togya Çorbasi genannt), Sauerrahm, Joghurt, Käse, Getränke wie Milch, Ayran, Koumiss und Wein - all das wurde laut den Erzählungen von Dede Korkut verzehrt.
Die literarischen Werke von Mewlana Jala-luddin-i Rumi, der im 13. Jahrhundert lebte, enthalten viele Hinweise auf die Eßkultur
dieser Zeit. Mewlana, der die Philosophie von Harmonie und Zusammenarbeit vertrat, die Menschen in Liebe vereinen kann, liefert unschätzbare Informationen zum Thema Essen.
Viele Gerichte werden in Mewlanas Werken Kategorien zugeordnet und detailliert beschrieben: Fleisch beispielsweise wird mit Gemüsen gegart, die auch separat vorbereitet werden können; Helva kann mit Traubensirup bereitet werden (Pekmez Helvası) oder mit Mandeln (Badern Helvası); zu den Desserts gehören gesüßter gekochter Reis mit Safran (Zerde) und Stärkepuddings (Paluze).
Mewlanas Schriften zeigen, daß im Anatolien des 13. Jahrhunderts die folgenden Nahrungsmittel und Getränke gebräuchlich waren: Gemüse wie Lauch, Auberginen, Eierkürbisse, Sellerie, Spinat, Rüben, Zwiebeln, Knoblauch, Gurken; Hülsenfrüchte wie schwarzgefleckte Bohnen, Linsen, Kichererbsen und Puffbohnen; Früchte wie Äpfel, Quitten, Granatäpfel, Birnen, Pfirsiche, Feigen, Melonen, Wassermelonen und Datteln; Nüsse wie Walnüsse, Mandeln und Haselnüsse; Milchprodukte wie Joghurt, Ayran und Käse; mit Mehl hergestellte Nahrungsmittel wie Tutmac (hausgemachte Nudeln, mit Fleisch und Joghurt gekocht); Yufka (Fladenbrot); Etli Ekmek (eine Art flache Pastete mit Hackfleisch); Börek (Pasteten); Çörek (ringförmige Brötchen); Tırıt (in Bratensaft gekochtes Brot); süße Speisen wie Honig, Trauben und Traubensirup, Helva, Kadayif, Zerde; Getränke wie gesüßte Obstsäfte und Wein.
Der seiner tanzenden Derwische wegen berühmte Mewlewije-Orden - er wurde nach dem Tode von Mewlana gegründet - stellte gewisse Regeln für die Organisation der Küche und für die Tischsitten auf, die bis heute befolgt werden.
Der Mewlewije-Orden betrachtet die Küche als geheiligte Feuerstelle, als Tempel, in dem ein Novize reift und ausgebildet wird. Den Herd, der die Domäne des Ateş. Baz-i Veli (im übertragenen Sinn »Hüter des Herdes«) ist, kann man als Altar dieses Tempels ansehen. Der Aşçı Dede - der Erste Koch - erzieht die Novizen in jeder Hinsicht. Der Kazancı Dede -der Erste Heizer - ist sein Assistent. Ein Bewerber mußte, bevor er für eine Aufgabe im Orden ausgebildet wurde, auf einem Schaffell in einem Alkoven sitzen, der nur für eine Person Platz bot, und zwar direkt links vom Eingang in die Klosterküche. Von dort aus beobachtete er drei Tage lang Arbeit, Verhalten und Handeln der Schüler, die für Küchenaufgaben eingeteilt waren. Dann mußte er seine Entscheidung treffen. Wenn er in den Orden eintreten wollte, dann schrieb das Noviziat vor, daß er zahllose Tage in der Küche verbringen mußte. Das Herz des Mewlewije-Ordens schlägt in der Küche. Die Novizen legen in der Küche ihre Persönlichkeit und jedes Gefühl von Stolz ab. In der Küche werden sie in den Verhaltensregeln und der Arbeitspraxis unterwiesen, und der Erste Koch ist ihr oberster Lehrer.
Achtzehn verschiedene Pflichten sind in der Küche zu erfüllen:
[...]
Mewlanas Koch, Ateş Baz-i Veli, der Erste Meisterkoch, war eine prominente Persönlichkeit, von der man sich folgende Geschichte erzählt. Eines Tages sagte Ateş Baz-i Veli zu Mewlana: »Es ist kein Holz mehr da, um den Herd anzuzünden.« Mewlana antwortete, er solle seine Füße in den Herd stellen. »Gut«, sagte Ateş Baz-i Veli, streckte die Beine aus und stellte die Füße in den Herd. Die Flamme, die aus seinen großen Zehen schoß, brachte den Inhalt des Kochtopfs augenblicklich zum Sieden. Als Ateş Baz-i Veli jedoch Zweifel beschlichen, er könne vielleicht Verbrennungen erleiden, wurde seine linke große Zehe versengt. Man berichtete Mewlana, was geschehen war. Er kam in die Küche und bemerkte kummervoll: »Wie konntest du, Ateş Baz?«, womit er auf dessen Zweifel anspielte. Und der Koch legte die große Zehe seines rechten Fußes über die versengte linke große Zehe, um sie schamhaft zu verbergen.
Ateş Baz-i Veli, der im Jahr 1285 starb, wurde in einem Mausoleum aus rotem Stein beigesetzt, der erste Koch, zu dessen Gedenken in der Türkei ein Mausoleum errichtet wurde. Das sagt viel über die Aufmerksamkeit, die man dem Essen und der kulinarischen Kunst widmete, und die Wertschätzung, die ein Koch zu dieser Zeit genoß.
In der heutigen Türkei ist der Glaube weit verbreitet, daß ein Besuch im Mausoleum von Ateş Baz-i Veli, bei dem man eine Prise von dem dort ausgegebenen Salz nimmt, segensreich für die Küche des Besuchers ist, seine Kochkunst verbessert und wohltuend auf jede Krankheit einwirkt, an der er vielleicht leidet.
Die »Seldschukenarchive« sind eine unschätzbar wertvolle Quelle an Informationen über diese Periode. Als der Seldschukenherrscher Alaaddin Keykubat I. (1227-1237) zum ersten Mal als Monarch in Konya, der Hauptstadt des Seldschukenreiches, eintraf, gab es Feuerwerke und Zeremonien, wie man sie nie zuvor gesehen hatte, und es wurden Bankette und Trinkgelage ausgerichtet. In H. T. H. Houtsma's Ausgabe der »Seldschukenarchive« werden diese Festmähler wie folgt beschrieben: »Verschiedene Arten von Reis und geschmorte Hauptgerichte, gedünstete und gebratene Gemüse, Fleischragouts, ungeschälte, in heißer Asche gegarte Gemüse, Braten, gegrillte Hühner, Tauben, Rebhühner und Wachteln, alles in Gold- und Porzellanschüsseln, wurden gemäß den Traditionen der beiden ogusischen Türkenstämme auf einem erhöhten Platz angerichtet. Ogusischen Bräuchen entsprechend trank man Koumiss und eine Vielfalt von gesüßten Fruchtsäften.«
Damals gab es viele Organisationen in Anatolien, die sich streng an die Regeln und Vorschriften über das Führen von Küchen hielten. Die bekanntesten unter ihnen waren die Wakif-Gesellschaften, religiöse Einrichtungen und Stiftungen, die viele kostenlose Wohltaten und Dienste erwiesen.
Die Germiyan-Oğlu-Beyi-Yakup-Bey-Sup-penküche in Kütahya beispielsweise bot ihren Mitgliedern und Reisenden, die Obdach suchten, zwei Mahlzeiten und vier Laibe Brot täglich: ein Fleischgericht täglich (sowohl das Gericht als auch das Brot mußten hervorragend sein); Reis und Weizensuppe; Fleisch, Reis und Gemüse, wie Spinat und Rüben; Helva aus Mehl, Butter und Zucker sowie süßes Backwerk mit Honig.
Für diejenigen, die zu spät für die Mahlzeiten eintrafen, gab es Butter, Käse und ungesäuerte Brotfladen.
In anderen Einrichtungen dieser Art wurde Besuchern, wie es der Brauch war, drei Tage lang Gastfreundschaft gewährt, aber wer wollte, konnte seinen Aufenthalt auch länger ausdehnen.
Die osmanische Periode (1299-1923)
Während der osmanischen Periode wurde die türkische Küche immer mehr verfeinert. In den Palastküchen und in den Häusern des Adels und hoher Beamter erreichte die spezialisierte Kunst der Köche ein sehr hohes Niveau. So entstand die Istanbuler Küche oder Palastküche, die als Höhepunkt der türkischen Kochkunst gilt.
Als Sultan Mehmet IL, der Eroberer, 1453 Konstantinopel besetzte, befahl er als erstes den Bau eines Palastes, in dem er residieren konnte. In einem berühmten kaiserlichen Dekret legte er die Anstandsregeln fest, denen bei Hofe zu folgen war, die Regeln des Protokolls, denen gehorcht werden mußte, und die Tischsitten, die im 1478 vollendeten Topkapi-Palast gelten sollten. Auch die Art und Weise wie die Speisen für den Herrscher, seine Minister, die Würdenträger des Hofes und andere Mitglieder des Hofstaates zuzubereiten und zu servieren "waren, wurden festgelegt.
Zur Zeit Mehmets IL umfaßte der Palastküchenkomplex vier Hauptbereiche, von denen der wichtigste Kuşhane hieß - die Vogelkäfigküche, benannt nach einem kleinen Kochtopf. In dieser Küche wurde in kleinen Mengen und kleinen Gefäßen nur die Nahrung des Herrschers zubereitet. Die zweite Küche, als Has Mutfak bekannt - die Küche des Herrschers -, diente zur Bereitung der Speisen für die Mutter des Sultans, die Prinzen und die privilegierten Mitglieder des Harems. Zu den anderen Küchen gehörten, entsprechend ihrem Rang, die des Harems, die des Ersten Eunuchen, die der kaiserlichen Staatskanzlei und die der Mitglieder des Palasthaushalts.
Das Haushaltsmitglied, das für die Küchen verantwortlich war, war der Erste Diener, der zusammen mit dem Koch, der der Küche vorstand, und dem Küchenverwalter, der für Materialien und Vorräte verantwortlich war, das Personaltriumvirat bildete, dem die Leitung der Küchen unterstand.
Während der Regierungszeit von Mehmet IL umfaßte das Küchenpersonal Bäcker, Dessertköche, Helva-Bereiter, Köche für eingelegte Gemüse, den obersten Joghurtbereiter und so weiter. Die bereits im Mewlewije-Klo-ster im 13. Jahrhundert auszumachende kulinarische Spezialisierung fand ihre Vollendung im 15. Jahrhundert. Das gesamte Personal der Palastküchen strebte danach, exquisite Gerichte zu kreieren, und experimentierte mit neuen Ideen, um bestehende Gerichte zu verbessern.
Der Adel und die Beamten bewirteten einander regelmäßig und wetteiferten darum, die besten Speisen anzubieten. Diejenigen, deren Küchen denen des Palastes nicht nachstanden, erlangten Ruhm, und die Sultane beehrten sie mit einem Besuch. So wurde während der Regierungszeit von Sultan Mehmet II. der Großmufti Abdullah Molla (das Oberhaupt der islamischen Staatskirche, das im Rang direkt nach dem Großwesir kam, dem Oberhaupt der Regierung) für seine Großzügigkeit, seinen Reichtum, seine Vornehmheit und seine Küche berühmt. Eines Abends, zur Zeit des Fastenbrechens im Ramadan, versammelte der Sultan seine Minister und stattete der Residenz des Muftis einen unangemeldeten Besuch ab. Der Diener, der sich plötzlich dem Sultan gegenübersah, eilte aufgeregt zu seinem Herrn. Der Mufti ermahnte den Diener, nicht in Panik zu geraten, und wies ihn an, dem Sultan sein eigenes Mahl zu servieren und den anderen Gästen zwei oder drei Tabletts von den Speisen zu reichen, die für den Harem reserviert waren. Nach dem Mahl lobte der Sultan die Üppigkeit der Gerichte und bewunderte die Bedienung und das Tafelgeschirr, wollte aber wissen, wieso das Kompott aus getrockneten Früchten (Hoşaf), das auf das Reisgericht folgte, nicht in einer ebenso kunstvollen Schüssel serviert worden sei wie die anderen Speisen. Der Mufti erklärte, um die Textur der Frucht nicht zu verderben, erlaube er nicht, daß sie mit zerstoßenem Eis angerichtet werde, sondern lasse statt dessen den Saft in einer Schalenform gefrieren und das Kompott in dieser Eisschale reichen.
Ebenso wie in den Palastküchen wurden in den Küchen aller großen osmanischen Häuser Köche beschäftgt, die sich innerhalb der kulinarischen Kunst spezialisiert hatten.
In dieser Zeit wurden in der Hauptstadt verschiedene Kochzünfte gebildet, und diese spielen noch heute eine wichtige Rolle bei der Überlieferung und Verbesserung alter Rezepte. Unter osmanischer Herrschaft wurden nur die besten Zutaten nach Istanbul gebracht. Der Verkauf minderwertiger Nahrungsmittel wurde durch ein System sehr strenger Kontrollen verhindert. Diese Tatsache, zusammen mit dem lebhaften Wettbewerb zwischen Köchen und Erzeugern, nur das Beste anzubieten, sorgte dafür, daß das hohe Niveau gehalten wurde.
Unter den verschiedenen Herstellern, die seit undenklichen Zeiten in Istanbul ihren Handel treiben, sind die Muhallebiciler, die Hersteller und Verkäufer von Milchspeisen, einzigartig. Obwohl sie heute selten geworden sind, kann man in Istanbul noch immer ihre Läden finden, in denen Hühnersuppe, mit Huhn gekochter Reis, Tavuk Göğsü (eine weiße Creme mit dünnen Hühnerbruststreifen [S. 148]) und ähnliche Milchspeisen sowie leichte Desserts verkauft werden.
Hier müssen auch die Straßenhändler erwähnt werden, die im Istanbul vergangener Tage bestimmte Arten von Speisen zubereiteten und verkauften. Es gab den Çörekçi, der süße Brötchen backte; den Börekçi, der würzige Pasteten zubereitete; den Simitçi, der Brotrollen herstellte; den Kağit Helvacı, der Waffeln mit Zuckerwerk backte; den Pogaçacı, der verschiedene Arten von Pasteten zubereitete; den Lokmacı, der Fettgebackenes herstellte; den Gozlemeci, der Pfannkuchen backte; den Lokum ve şekerlemeci, der Türkischen Honig und Süßigkeiten herstellte; den Helvacı, der Helva zubereitete; den Kelle-Paçaci, der Suppe aus Schafsköpfen und -füßen kochte; den Pilafcı, der Reisgerichte zubereitete; den Köfteci, der Fleischbällchen garte; und viele andere mehr. Meiner Meinung nach waren die originellsten von allen diejenigen, die ihren Handel in Booten trieben und gebratenen Fisch verkauften. In früheren Zeiten pflegten diese Händler in Istanbuls sauberem Meer zu fischen, den frisch gefangenen Fisch auszunehmen, in Meerwasser zu waschen und ihn dann, nachdem sie ihn in Mehl gewälzt hatten, in ihren Booten auf Holzkohlenöfen zu braten, mit gehackten Zwiebeln in einen halbierten, in der Mitte aufgeschnittenen Laib Brot zu legen und zu verkaufen. Für die Passagiere, die auf das Ablegen der am Kai festgemachten Schiffe und Fähren warteten, und für die Menschenmengen am Ufer war es ein Vergnügen, Fische von diesen Booten zu kaufen und zu essen. Ein oder zwei solcher Boote gibt es noch heute. Die türkische Küche verdankt ihre Entwicklung und ihr Überleben bis auf den heutigen Tag der praktischen kulinarischen Sachkenntnis, die der Palast, die großen Häuser und die zahlreichen Vereinigungen von Köchen und Erzeugern von Generation zu Generation weitergegeben haben. Der türkische Spruch: »Vergiß, was du gegessen und getrunken hast, er-, zähl mir, wo du gewesen bist und was du gesehen hast« zeigt, daß es als unfein galt, über Essen zu reden. Und das ist der Grund, warum es auf türkisch wenig kulinarische Literatur gibt.
Abgesehen von einigen Wörterbüchern und medizinischen Schriften auf der Grundlage früher Studien, die Gerichte beschrieben oder Lebensmittel erklärten, war »Tabh-i Et'ime« (Unterweisung im Kochen) das erste Kochbuch. Man nimmt an, daß es aus dem arabischen »Kitabut-Tabih« (Buch des Kochens) von şirvani aus dem 15. Jahrhundert übersetzt worden ist. Andere bemerkenswerte Bücher sind »Ağıdiye Risalesi« (Handbuch der Ernährung) von Abdullah Efendi und »Yemek Risalesi« (Handbuch der Gerichte) von unbekannten Autoren, die im 18. Jahrhundert veröffentlicht wurden. Das »Melceu't Tabbahin« (Das Heiligtum der Köche), 1844 von Mehmet Kamil zusammengestellt, war das erste im Steindruckverfahren gedruckte Kochbuch; es wurde später von Turabi Efendi ins Englische übersetzt.
Die Bücher aus dem 20. Jahrhundert, die am meisten Aufmerksamkeit verdienen, sind »Yemek Kitabt« (Ein Rezeptbuch) und »Tatlıcı Başı« (Der Dessertkoch) von Hadiye Fahriye, in der alten türkischen Schreibweise geschrieben, die auf dem arabischen Alphabet basiert. Die Bücher wurden 1924 beziehungsweise 1926 veröffentlicht. Obwohl man inzwischen gewisse ausländische Einflüsse in der türkischen Küche finden konnte, ist davon in diesen beiden Werken, die die klassische türkische Küche anbieten, wenig zu bemerken. Spätere Kochbücher jedoch weisen viele Spuren fremder Küchen auf, und heute gibt es eine gezielte Anstrengung, diese Spuren zu beseitigen, und die türkische Küche wieder auf ihre Ursprünge zurückzuführen.
Zweifellos hat es in der Entwicklung der türkischen Küche viele gegenseitige Befruchtungen gegeben. Als die Türken von Zentralasien nach Westen kamen, wurden sie beeinflußt von den Küchen der Länder, die sie durchquerten, und auch von einigen Speisen früherer anatolischer Kulturen. Ein wichtiges Merkmal der türkischen Küche ist ihre Fähigkeit, alles erfolgreich anzupassen, was sie übernommen hat.
Natürlich gibt es verschiedene kulinarische Ähnlichkeiten mit den Speisen der benachbarten Regionen, die im wesentlichen dasselbe Klima und dieselbe Vegetation haben. So gleicht etwa die rote Kohlsuppe der Schwarzmeerregion dem russischen Borschtsch; einige Desserts und Fleischbällchen mit gekochtem und zerstoßenem Weizen ähneln denen südlicher Nachbarn der Türkei; Pilaki-Gerichte mit gedünstetem Fisch oder Bohnen, kalt serviert, haben ihre Entsprechungen in der griechischen Küche.
Börek (würzige Pasteten), Kebabs, Baklava (ein Dessertgebäck mit Sirup und Nüssen), Joghurt, Lokum (Türkischer Honig) und türkischer Kaffee wiederum haben sich von der Türkei aus im Ausland verbreitet.
Çerkez Tavuğu (tscherkessisches Huhn [S. 40]), Arnavut Çiğeri (albanische Leber [S. 77]), Kürt Köftesi (kurdische Fleischbällchen) und Arap Köftesi (arabische Fleischbällchen) sind Beispiele für ausländische Gerichte, die in der türkischen und anatolischen Küche weit verbreitet sind. Heutzutage findet man auch einige integrierte westliche Gerichte.
[...]
Mahlzeiten und Sitten
Seit der Zeit der Seldschuken bis heute sind die Türken im allgemeinen gewohnt, vier Mahlzeiten am Tag zu sich zu nehmen: zwei Hauptmahlzeiten und zwei leichte Erfrischungen.
Die erste Mahlzeit wird für den Zeitpunkt bereitet, an dem die älteren Familienmitglieder zur Arbeit fortgehen, das heißt nach den Morgengebeten und etwa zwei Stunden vor dem mittäglichen Gebetsruf. Diese Mahlzeit ist als Kuşluk Yemeği bekannt; die wörtliche Übersetzung bedeutet »Vogelhaus-Mahlzeit«, was eine geringe Menge bezeichnen soll, wie Brotkrumen für Vögel. Zu Mittag, wenn die Männer nicht zu Hause sind, dienen Reste vom vergangenen Abend oder ein leichter Imbiß als Mahlzeit.
Die zweite Hauptmahlzeit des Tages, die nach den Abendgebeten bereitet wird, ist das Abendessen, zu dem sich die Familie im Haus versammelt. Für diese Mahlzeit werden mit großem Aufwand die besten Speisen zubereitet.
Die vierte Mahlzeit des Tages, die man vor allem an den langen Winterabenden einnimmt, ehe man sich zurückzieht, ist in Zen-tralanatolien als Yat Geber Ekmeği (Leg dich aufs Ohr und schlaf) bekannt, ein Nachtmahl aus Frühstücksspeisen, Früchten, süßen Brötchen und Pasteten. Es heißt, diese Mahlzeit habe ihren Namen erhalten, weil die Männer, die den ganzen Abend außer Haus waren, um zu trinken, mitten in der Nacht heimzukommen pflegten und ihre Frauen baten, ihnen ein Frühstück oder eine Suppe zu machen, um das Getrunkene zu kompensieren. Die Frau, ärgerlich, aber aus Respekt schweigend, murmelt: »Nimm, leg dich aufs Ohr und laß mich in Ruhe!«
Diese täglichen Mahlzeiten waren natürlich unterschiedlich, je nachdem, ob die Familien besonders viel Wert auf Essen legten oder Gäste eingeladen waren; dann beispielsweise wurde aus dem Mittagessen eine Hauptmahlzeit.
Die folgenden Anmerkungen erschienen in einem Werk aus dem elften Jahrhundert mit dem Titel »Kutadgu Bilig« (Das Buch des Wissens) über Mahlzeiten und Tischsitten:
»Dein Heim, dein Eßtisch und deine Teller seien sauber. Dein Raum sei ausgestattet mit gepolsterten Kissen, deine Speisen und Getränke seien frisch zubereitet. Die Speisen und Getränke müssen ebenfalls rein und wohlschmeckend sein, damit deine Gäste ihr Mahl genießen. Die Speisen und Getränke, die während der Mahlzeit verzehrt werden, müssen einander ergänzen und reichlich vorhanden sein. Die Getränke, die den Gästen angeboten werden, sollen in ausreichender Menge dasein, und die Beilagen zu jedem Gang müssen jederzeit zum Servieren bereitstehen. Als Getränk biete entweder Fuka (ein süßer Saft aus Getreidekörnern und Früchten), Mizab (Trinkwasser) oder Rosenhonig und gesüßten Rosensaft an. Ist die Mahlzeit beendet, serviere Leckerbissen und Früchte. Neben getrockneten und frischen Früchten reiche Simis (in Salzwasser eingeweichte und gebratene Kürbiskerne) als Leckerbissen. Wenn deine Verhältnisse es gestatten, biete den Gästen Geschenke an. Wenn du reich bist, verschenke eine Gabe aus Seide, und wenn es möglich ist, beende das Gastmahl mit einem ganz besonderen Geschenk, das deine Besucher aufs höchste überrascht.«
Im 13. Jahrhundert waren die Regeln für die Tischsitten im Mewlewije-Kloster wie folgt:
»Wenn das Essen in der Küche gar und bereit war, nahm der Kazan Dede (der Erste Heizer) den Deckel vom Kessel oder Topf, und die Schüler verneigten sich bis zur Erde. Der Erste Heizer sprach ein Gebet. Die Tafel wurde in der Küche gedeckt, und ringsum wurden Teppiche aus Schaffell ausgebreitet. Einer der Schüler begab sich dann zu den Kammern der Derwische und rief aus: >Das Mahl ist serviert! Dann wiederholte er diesen Ruf für die Novizen. Rings um das als Tafel dienende große Metalltablett wurden kleine Tücher ausgelegt. Die Löffel wurden mit der Vertiefung nach unten und dem Stiel nach rechts ausgerichtet hingelegt. Das Oberhaupt des Mönchsordens, der Oberste Derwisch oder Aşçi Dede (der Erste Koch), setzte sich ebenfalls an den Tisch; alle Derwische und Schüler, Mewlewijes genannt, nahmen ihre Plätze am Tisch ein. Während der Mahlzeit wurde striktes Schweigen eingehalten. Das Mahl begann mit einem Gebet und damit, daß man eine Prise Salz aus dem Salzfäßchen kostete, das auf dem Tisch stand; ebenso wurde zum Ende der Mahlzeit eine Prise Salz genommen und das Mahl mit einem Gebet beendet. Die Schüler, deren Aufgabe es war, Wasser zu servieren, bereiteten die Krüge vor, und nachdem der Becher desjenigen, der seinen Wunsch nach Wasser signalisiert hatte, gefüllt war, hob der betreffende Schüler den Becher, küßte ihn und reichte ihn zurück. Derjenige, der den Becher erhielt, küßte ihn gleichfalls und trank das Wasser. Während dieser Ritus vollführt wurde, hörten alle, die zu Tisch saßen, auf, sich Speisen zu nehmen und zu essen, und diejenigen, die Speisen im Mund hatten, hörten zu kauen auf. Der Erste Koch wandte sich dann mit dem Ausspruch >wohlgetan< an denjenigen, der das Wasser getrunken hatte, und die Versammelten aßen weiter. Das Mahl wurde aus einer gemeinsamen Servierschüssel gegessen. Mit dem Gedanken, daß >das, was ein Gläubiger übrigläßt, einem anderen Gläubigen nutzt<, wurde jeder Gang beendet. Nach dem. Gebet zum Abschluß der Mahlzeit und dem Dankgebet verließen die Schüler (Mewlewijes) und die Derwische schweigend und in einer Atmosphäre von Frömmigkeit die Tafel.« In traditionellen Häusern, vor allem im ländlichen Anatolien, bestehen diese Bräuche noch heute, und die Mahlzeiten werden nach alter Sitte auf dem Boden serviert. Alle Teilnehmer waschen sich die Hände und nehmen am Tisch Platz. Der Familienälteste beginnt mit der Mahlzeit, nachdem er das Tischgebet gesprochen hat. Jeder bedient sich selbst aus einer großen gemeinsamen Servierschüssel, die in der Mitte steht. Für Suppe, Reis und gedünstete Früchte werden Löffel benutzt. Andere Speisen werden mit der Hand gegessen, obwohl man heutzutage auch Gabeln verwendet. Wenn jemand den Tisch verläßt, rührt niemand das Essen an, bis der Betreffende zurückkommt. Ist die Mahlzeit beendet, wird ein Dankgebet gesprochen, und die Ältesten verlassen den Tisch zuerst. Wird mit der Hand gegessen, so sind bestimmte Sitten zu befolgen: Fleischbällchen, gegrilltes oder gebratenes Fleisch, gefüllte Gemüse und dergleichen werden an einem Ende gefaßt und gegessen; und Gerichte in Bratensaft oder Sauce werden so gegessen, daß die Finger nicht mit der Flüssigkeit in Berührung kommen. Im allgemeinen werden solche Speisen mit Brot serviert. (Brot ist das Hauptnahrungsmittel der Türken; alles andere wird als Ergänzung betrachtet.) Die Speisen werden mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger aufgenommen. Das Gemüse- oder Fleischstück, das dem Rand der gemeinsamen Servierplatte am nächsten liegt, wird mit einem Stück Brot ganz an den Rand geschoben; dabei hält man das Brot zwischen Zeige- und Mittelfinger. Dann wird der Bissen von unten mit dem Daumen angehoben (oft ist das nicht nötig, da weiche Speisen wie Helva an dem Brot kleben) und zum Mund geführt. Fleisch vom Knochen wird gegessen, indem man ein Ende des Knochens hält. Feuchte Tücher, mit Rosenwasser beträufelt, werden bereitgelegt und benutzt, um sich zwischendurch Hände und Mund zu säubern. Nachdem die Mahlzeit beendet ist, wird ein entsprechendes Gebet gesprochen. Wenn die Zeit drängt, wird die kürzere Gebetsform verwendet, die lautet: »Im Namen Gottes, Gott sei gedankt, Ehre sei Gott.« Dann wird der letzte Bissen der Speise genommen, und es ist üblich, ihn vom entferntesten Teil der Servierplatte zu nehmen. (Man glaubt, daß man dadurch im Geiste mit Freunden und Verwandten vereinigt ist, die fern von zu Hause sind.) Dann verlassen alle den Tisch, und nachdem sie sich die Hände gewaschen haben, wird der Kaffee serviert. Tischdecken und Bedienung Die Türken Zentralasiens nahmen ihre Mahlzeiten gewöhnlich auf einem leinenen oder ledernen »Bodentuch«, Kenduruk genannt, ein, das auf dem Boden ausgebreitet wurde. Im elften Jahrhundert dagegen benutzten sie ein Tergi oder Tewsi - ein großes Tablett. Damals sah die türkische Architektur kein abgetrenntes Speisezimmer im Haus vor. Zur Essenszeit wurde im Hauptraum gedeckt und das Essen serviert. Selbst im Topkapi-Pa.last, der Residenz der osmanischen Sultane, gibt es keinen abgetrennten Speisesaal. Die Mahlzeiten wurden auf Eßtischen serviert, die man in verschiedenen Teilen des Palastes aufstellte. Heutzutage wird ein traditioneller türkischer Tisch auf dem Boden folgendermaßen gedeckt: Zuerst wird ein Tuch auf dem Boden ausgebreitet, damit Brot und Speisen den Fußboden nicht beschmutzen. Darauf wird ein großes Tablett gestellt, das auf einer Trommel ruht, einem kreisförmigen Rahmen oder auf einem Gestell, damit es die richtige Höhe hat. Hölzerne Suppenlöffel für jede Person werden entweder rings um die Suppenterrine gelegt oder aber an den Rand des Tisches, je nach persönlichem Geschmack. Deckt man einzelne Servietten, so werden diese auf die Löffel gelegt; deckt man dagegen ein Serviettentuch, so muß das über den ganzen Tisch reichen. Becher, Wasserkannen, Schüsseln mit Speisen und Desserts werden auf ein kleineres Tablett in der Nähe gestellt. Kleine Handtücher, in heißes Seifenwasser getaucht und mit Eau de Toilette - gewöhnlich Rosenwasser - beträufelt, werden gereicht, um sich die Hände zu säubern. Ehe die Mahlzeit beginnt, werden eine Waschschüssel und eine Kanne Wasser hereingebracht und die Hände gewaschen, angefangen bei den Kindern. Dann nehmen alle Platz. Die Mahlzeit beginnt damit, daß die Suppenterrine in die Mitte des Tisches gestellt wird, und dann bringt, falls es keine Bediensteten gibt, die Mutter oder die Tochter des Hauses die Speisen, sammelt die leeren Teller ein und serviert den nächsten Gang. Ayran (ein Joghurtgetränk), şerbet (gesüßte Fruchtsäfte) und Surup (Sirups) werden aufgetragen; außerdem werden Salate und eingelegte Gemüse als zusätzliche Leckerbissen auf den Tisch gestellt. Wenn Dessert oder gedünstete Früchte gereicht werden, verteilt man besondere Dessertlöffel. Sind kleine Kinder anwesend, kann für sie ein separates kleines Serviergefäß auf den Tisch gestellt werden. Nach Beendigung der Mahlzeit wird der Tisch abgeräumt. Wieder wird eine Schüssel zum Händewaschen hereingebracht, und diesmal beginnen die Ältesten. Dann werden Kaffee und für die Männer Tabak angeboten. Speisenfolgen und Mahlzeiten für besondere Gelegenheiten Das erste überlieferte Bankett ist Yuğ, das Morgenfestmahl, wie aus den Orhun-Inschriften zu entnehmen ist. Im elften Jahrhundert wurden zu religiösen Festtagen oder anläßlich von Hochzeiten eines Khans Bankettgerichte, bekannt als Kenc Liyu, in Form eines Minaretts aufgetürmt, das bis zu 30 Arşin (ein altes türkisches Maß, das etwa 70 cm entspricht) hoch war, und das die Besucher dann zerstörten und verzehrten. Im gleichen Jahrhundert hatte Yusuf Has Hacip über die Speisenfolge und die bei einem Festmahl vorgeschriebenen Regeln folgendes zu sagen: »Wenn du nach dem Genuß zu vieler heißer Gerichte eine zu große Hitze verspürst, so nimm sofort ein kaltes Getränk zu dir. Wenn du dich im Lenz deines Lebens befindest, greife zu kälteren Dingen, denn dein Blut wird sie aufwärmen. Bist du mehr als 40 Jahre alt und im Herbst deines Lebens, gleiche deine Verfassung mit heißen Dingen aus. Wenn du 60 Jahre alt und im Winter deines Lebens bist, iß heiße Speisen und liebäugele nicht mit kalten. Hast du zu viele trockene und kalte Speisen verzehrt, so halte (um deren schädliche Folgen abzuwenden) Heißes und Frisches bereit. Wenn du dein Alter und die Kälte zu stark spürst, stärke dich mit Flitze. Hast du ein heißes Temperament, so ernähre dich von kalten Dingen. Wenn du immer gesund sein und nie unter Unpäßlichkeiten leiden möchtest, so iß mäßig und lebe nach dieser Regel. Wenn du in völligem Seelenfrieden ein langes Leben genießen willst, sei still und hüte deine Zunge. Wer reinen Herzens ist, lebe nach dieser Regel. Beginne nicht vor den Älteren zu essen. Fange deine Mahlzeit immer mit einem Tischgebet an und iß mit deiner rechten Hand. Berühre nicht die Speise, die vor einer anderen Person steht, und iß das, was dir am nächsten ist. Ziehe bei Tisch kein Messer und schabe keine Knochen ab, sei nicht zu gierig und nimm keine nachlässige Haltung ein. Doch so gesättigt du auch sein magst, zeige Freude und Eifer, wenn du die Speisen in Empfang nimmst, die dir angeboten werden, und wenn du sie verzehrst, damit die Dame des Hauses, die die Speisen bereitet hat, zufrieden sein kann. Auf diese Weise würdige das Bemühen derer, die sich die Mühe gemacht haben, dich zu einem Mahl zu laden. Beiße ab, was du in den Mund gesteckt hast, und kaue es langsam. Blase nicht mit dem Mund über heiße Speisen. Wenn du ißt, lehne dich nicht über den Tisch und störe nicht deine Nachbarn. Iß mäßig, denn ein Mensch sollte immer wenig essen und trinken.« Im allgemeinen besteht eine türkische Mahlzeit aus Suppe, einem Hauptgericht aus Fleisch, Reis oder gefüllten, gewürzten Pasteten, einem Gemüsegericht und einer Nachspeise; innerhalb dieser Speisenfolge wird die größtmögliche Vielfalt geboten. Im Palast von Istanbul gab es Festmähler, bei denen bis zu 100 Speisen gereicht wurden; in Anatolien waren es bis zu 40. Heutzutage besteht ein formelles Essen aus Suppe, einer Eierspeise, Fisch, Fleisch, Geflügel oder Wild, Gemüsen, die mit Fett oder Olivenöl gegart wurden, Börek (gefüllte, würzige Pasteten), Pilaf oder Teigwaren sowie Nachspeisen, Früchten und Kaffee. In einem Werk aus dem 16. Jahrhundert, das den Titel »Bankettarrangements« trägt, wird vorgeschlagen, den Tisch zu einem abendlichen Mahl mit Blumen zu schmücken und mit Blütenblättern von Rosen zu bestreuen. Wesentlich bei einem solchen Mahl waren Braten, die innen noch rosa waren, sauer gewürzte Suppen, gebratene Speisen und Fleischbällchen; verschiedene Arten von Fisch oder Schalentieren wurden als Mezes oder Vorspeisen serviert. Es wird vorgeschlagen, als Mezes mindestens 40 oder 50 verschiedene Dinge und reichlich Haselnüsse, Pistazien und Mandeln anzubieten; der Tisch sollte üppig gedeckt sein mit Fischrogen, Kaviar und verschiedenen Arten von Pastirma (Dörrfleisch, gewürzt mit Kümmel und Knoblauch), und mit Ausnahme von Reis sollten schwere Speisen wie gefüllte Pasteten und dergleichen vermieden werden. Angeblich wurden in späteren Zeiten in verschiedenen Tavernen Istanbuls Abendmahlzeiten mit ungefähr der gleichen Vielfalt an Speisen angeboten, und der Bezirk Yedi Kule (Sieben Türme) soll wegen seiner Mezes einen besonderen Ruf gewonnen haben. Heute ist diese Gegend in Istanbul als Çicek Pasaji (Blu-menallee) bekannt - und berühmt für ihre Getränke und Mezes. Heutzutage werden bei Partys die kalten Speisen auf dem Tisch angerichtet, die heißen dagegen nacheinander hereingebracht und serviert. Kuttelsuppe ist der übliche Abschluß eines solchen Abends. Eine weitere besondere Abendmahlzeit, die es in ein paar Häusern in Anatolien noch gibt, ist das Helva-Essen. Helva-Essen entstanden in Istanbul in den Häusern einflußreicher Leute, angeführt von Ibrahim Pascha und seinen Schwiegersöhnen während der Regentschaft von Sultan Ahmed III. (1703-1730). Helva wurde nach Diskussionssitzungen und verschiedenen Arten der Unterhaltung gereicht. Sultan Ahmed III. pflegte viele dieser Helva-Zusammenkünfte zu besuchen. Einen besonderen Platz in der türkischen Küche nehmen die Sahur- und Iftar-Mahlzei-ten ein, die Mahlzeiten, die vor und nach der täglichen Abstinenzperiode während der religiösen Fastenzeit eingenommen werden. Das Fasten während des Ramadan-Monats, eines der fünf wesentlichen Gebote des Islam, ist ein Akt der Frömmigkeit, der darin besteht, daß von etwa einer Stunde vor dem Morgengebet bis zum Ruf zum Abendgebet nicht gegessen und getrunken wird. Früher wurde in Istanbul der Ramadan in festlicher Atmosphäre begrüßt. Zwischen den Minaretten aufgehängte Lampions wurden entzündet und die Stunden von Iftar und Sahur mit Trommelschlägen und Böllerschüssen begrüßt. Während, des ganzen Monats fanden im Vergnügungspark Direklerarası Unterhaltungen und Spiele statt. Die Häuser wurden schon einen Monat im voraus geschmückt, und man legte Lebensmittelvorräte an; die vornehmen Häuser spendeten einige der für den Ramadan gekauften Lebensmittel den Witwen und armen Frauen des Bezirks. Die Iftar-Mahlzeit wurde vor dem Ruf zum Abendgebet bereitet. Vor dem Iftar-Mahl wurde das Fasten gebrochen, indem man zuerst ein Frühstück zu sich nahm, um einen leeren Magen nicht mit üppigen und schweren Speisen zu überfüllen. Nachdem man dieses verzehrt hatte, wurde das Abendgebet gesprochen (einige wohlhabende Familien nahmen für die Dauer des Ramadan die Dienste eines Imam in Anspruch), und danach versammelten sich alle zum Iftar-Mahl. Auf dem Tablett, das dabei als Tisch diente, wurden verschiedene Marmeladen, Honig, Käse, Kaviar, Oliven, Würste und Pastirma gereicht - alles eigens für den Ramadan zubereitet. Außerdem gab es frische Früchte, Salate, Schalen mit geweihtem Wasser, Datteln und Senf. Kleine Teller mit in Musselin gewickelten, mit bunten Bändern zusammengebundenen Zitronenhälften wurden in Reichweite auf den Tisch gestellt und dienten sowohl als Dekoration als auch dazu, die Kerne von Früchten aufzunehmen. Weißbrot, Pide (leicht gesäuertes Fladenbrot) und Çörek (ringförmige süße Brötchen) vervollständigten das Speisenangebot zum Fastenbrechen. Das Iftar-Mahl endete immer mit einem Kompott aus getrockneten Früchten. Das besondere Dessert für den Ramadan, bekannt als Güllac (mit Nüssen gefüllte Waffeln und ein milchiger, mit Rosenwasser aromatisierter Sirup), erschien alle zwei bis drei Tage wieder auf dem Speiseplan. Die Bewohner Istanbuls waren immer besonders begierig auf Kuttelsuppe (Işkembe Çorbası). Wenn die Zeit des Fastenbrechens nahte, bildeten sich vor den Verkaufsständen von Kuttelsuppen Menschenschlangen. Wenn ein Iftar-Bankett oder -Abendessen gegeben wurde, reichte man am Ende Geschenke, wie es bei allen Banketten oder formellen Abendessen der Brauch war. In einigen Häusern in Istanbul wurde ein Goldkügelchen in Form einer Kichererbse in ein Gericht aus Reis und Kichererbsen gegeben, und derjenige, der in seinem Löffel das goldene Kügelchen entdeckte, bekam das Hauptgeschenk. Nach dem Iftar-Mahl folgten die Nachtgebete, und dann machten sich alle auf in die Vergnügungsparks, wo sie bis Sahur mit Musik von Saiteninstrumenten, mit Theatervorstellungen, Karagöz (türkischen Schattenspielen), Marionettentheater und von Geschichtenerzählern unterhalten wurden. Sahur-Mahlzeiten bestanden aus leichteren Gerichten, weil man sich nach einem schweren Mahl leicht übersättigt fühlt. Außerdem hätte ein schweres Mahl auch Durst verursachen können. Die Sahur-Mahlzeit einer mittelständischen Familie bestand aus Gerichten wie Hackfleisch in Weinblättern, Makkaroni mit Hackfleisch oder Käse, Fleischbällchen und Fruchtkompott. Auch heute noch sind die Iftar- und Sahur-Mähler im wesentlichen unverändert, allerdings ohne das Geschenk, das derjenige gewinnt, der die goldene Kichererbse entdeckt. Der Brauch, daß Freunde und Verwandte einander während des Ramadan einladen, besteht fort. [...]
aus:
Patricia Rochard/Boehringer
Ingelheim (Hg). Türkei. Abendland begegnet Morgenland. 16.-18. Jh.
Eine Ausstellung im Rahmen der Internationalen Tage Ingelheim. Mainz 1992
(Bildquelle: Wikimedia Commons:1 - Banu, 2 - ccarlstead)
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AntwortenLöschenSehr gut!
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