Mittwoch, 27. Juli 2011

Ist Geert Wilders ein Rechtspopulist, ein Rechtsextremer, oder was?

Geert Wilders
Ich glaube nach dem Terroranschlag in Oslo durch Anders Behring Breivik herrscht in Teilen der Medienlandschaft eine recht große Konfusion was die Begrifflichkeiten angeht. Er ist kein Neonazi, obwohl manche ihn so bezeichnen, da er zum Beispiel keine antisemitische Haltung hat, er ist damit eigentlich auch kein Rechtsextremer aus eben diesem Grund, und er möchte auch keine völlige Abschaffung der Demokratie, zugunsten einer Dikatur mit einem einzigen Führer, wie es Rechtsextreme oft propagieren. Er ist übrigens auch kein christlicher Fundamentalist, da er sich selbst als wenig religiös beschreibt. Die größte Schnittmenge hat er mit den Rechtspopulisten, die in Europa in den letzten Jahren sehr großen Zulauf erhielten und die bis in die Mitte der Gesellschaft wirken und ihre Mitglieder aus diesem Reservoir oft erhalten. Haben die Medien deshalb Skrupel ihn als radikalen Rechtspopulisten zu bezeichnen, weil sie dieses Etikett auch gerne mal Horst Seehofer oder anderen Politikern aus dem rechten Lager der Koalition anheften oder zumindest deren Wahlkampfreden? Anders Behring Breivik kommt also eigentlich aus der "Mitte der Gesellschaft", und verfiel zum Beispiel demselben Wahn, wie die meisten Rechtspopulisten, und zwar die empirisch als falsch beweisbare xenophobe Vorstellung einer Islamisierung Europas, sowie der Verschwörungstheorie, die Medien und die Öffentlichkeit würden von "den" Linken beherrscht, und alle hätten unrecht und wären feindlich, nur die Rechtspopulisten würden die Realität erkennen, nur dürften sie dieses nie sagen, weil sie da dann gleich als Rassisten gebrandmarkt würden.

Vielleicht verbreitet sich nach der unfassbaren Tat von Oslo ein neuer Begriff für den Attentäter und seine geistigen Väter, wie Geert Wilders?


Ich hatte schon bei der Mitarbeit zum Wikipedia-Artikel von dem umstrittenen niederländischen Politiker Geert Wilders auf einige Studien verwiesen, die ich hiermit zur Diskussion stellen möchte.


Einerseits wird er und seine Ein-Mann-Partei PVV im November 2009 klar als rechtsextrem eingestuft:


Geert Wilders „Partij voor de Vrijheid“ (PVV) ist eine rechtsextreme Partei, die Islamophobie und Systemhass gegen den Staat verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommen drei niederländische Forscher, die im Auftrag des niederländischen Innenministeriums eine Untersuchung zur Radikalisierung durchgeführt haben. Radikalisierungsforscher Hans Moors, Bob de Graaff (Professor für Terrorismusforschung) und Rechtsextremismusexperte Jaap van Donselaar werfen Wilders vor, damit die soziale Kohäsion und die Demokratie des Landes zu untergraben.
Die Forscher sprachen damit aus, was sich – einer Umfrage der Zeitung ‚De Volkskrant’ zufolge – viele Staatsinstanzen denken, aber nicht in der Öffentlichkeit aussprechen würden- aus Angst, Wilders könnte aus dieser Kritik politisch Profit schlagen. Auch aus Kreisen des Innenministeriums werden Stimmen laut, die aufgrund „politischer Sensibilität“ eine Abschwächung der Forschungsergebnisse fordern. D66-Fraktionsvorsitzender Alexander Pechthold warnt davor, das Ergebnis abzuschwächen: „Dann droht die Demokratie tatsächlich instabil zu werden.“
Bitte weiter lesen auf der Uni Münster.

Anderseits schlagen Forscher vor, statt Rechtspopulismus, der auch bei Äußerungen von Christdemokraten Europas durchaus mal vorkommen kann, den Ausdruck Neo-Rechtsradikalismus zu verwenden, also rechtsradikal ohne Antisemitismus und völkischem Rassismus, dafür mit Kulturrassismus.

Ich zitiere mal einige Sätze von zwei Studien. (Wer aus Norddeutschland kommt, wird ggf. den Sinn dieser niederländischen Sätze verstehen können, ansonsten babelfish oder googletranslator verwenden.)

Aus dieser Studie:

Polarisatie en radicalisering in Nederland.

Een verkenning van de stand van zaken in 2009

Tilburg, december 2009.
Drs. Hans Moors (IVA)
Mr.drs. Lenke Balogh (IVA)
Dr. Jaap van Donselaar (CDH)
Prof.dr. Bob de Graaff (CDH)

IVA beleidsonderzoek en advies

Folgender Satz:
De monitoronderzoekers (Davidović et al.) concludeerden namelijk dat Wilders en de PVV als extreemrechts kunnen worden beschouwd, zij het dat aan deze kwalificatie mitsen en maren zijn verbonden.

Schon 2008 stellte die Universität Leiden fest:

De PVV van Geert Wilders is een extreem-rechtse partij die islamofobie en systeemhaat tegen de overheid mobiliseert. Daarmee ondermijnt zij de sociale cohesie en de democratie in het land. Dat stellen drie wetenschappers in een aan de Tweede Kamer beloofd onderzoek over radicalisering, dat in opdracht van het ministerie van Binnenlandse Zaken is uitgevoerd.
Aus dem Volkskrant: Onderzoekers verklaren PVV 'extreemrechts'

Und damit nun niemand denkt, die Zeitung hätte sich verlesen nochmal direkt die Universität Leiden:
De PVV van Geert Wilders kan als extreemrechts worden bestempeld. Onderzoekers van de Anne Frank Stichting en de Universiteit Leiden stellen dat in de woensdag verschenen achtste Monitor Racisme en Extremisme. 
Hier der entscheidende Satz der 2008er Untersuchung:  
De PVV kan als extreemrechts worden bestempeld.

Hier die Details der Untersuchung in der Studie von 2008 zum selber nachlesen:

Monitor Racisme & Extremisme 
achtste rapportage
Onder redactie van
Jaap van Donselaar en Peter R. Rodrigues

Anne Frank Stichting | Onderzoek en Documentatie Universiteit Leiden | Departement Bestuurskunde



In der ersten Studie schlagen die Forscher auf Seite 16 vor, die PVV und damit Geert Wilders als neo-rechtsradikal einzuordnen:

De PVV kan bestempeld worden als nieuw rechts radicaal: een partij die in ideologisch opzicht ‘nationaaldemocratisch’ is, maar geen verbanden met oud rechts radicalisme heeft in de vorm van sociale genealogie of een ‘raciaal revolutionaire’ oriëntatie.
So wurde dieses auch in den Wikipedia-Artikel eingepflegt (was übrigens mal wieder zeigt, wie entscheidend die jeweilige Person dafür ist, ob und wie etwas in einen Wikipedia-Artikel gelangt und welcher Interpretationsspielraum besteht, denn Geert Wilders und seine Partei als rechtsextrem zu titulieren konnte nicht durchgesetzt werden, da offensichtlich viel zu viele "Fans" oder Sympathisanten was dagegen hatten ihn so zu bezeichnen und den Artikel dementsprechend immer wieder änderten.).

Es wird somit eine Unterscheidung betrieben zwischen den "klassischen" Rechtsradikalen oder Rechtsextremen, die gleichzeitig Antisemiten sind, und den Neo-Rechtsradikalen, die sich selber von den Rechtsradikalen distanziert sehen und weniger rassistisch, sondern mehr kulturrassistisch eingestellt sind, sowie vordergründig oder auch mit Substanz sich als glühende Verteidiger Israels begreifen. Beide Teile der extrem rechten Gedankenwelt sind gefährlich für eine Demokratie und kommen durch die ähnliche Bezeichnung klarer zum Ausdruck. Dadurch bleibt der Ausdruck Rechtspopulismus für diejenigen Politiker oder Bewegungen übrig, die vielleicht gelegentlich vor allem in Wahlkämpfen über die Stränge auf Stammtischniveau schlagen, doch ansonsten fern von diesen Wahnvorstellungen oder Verschwörungs-Paranoia jener extremen Rechten sind.

Was haltet ihr davon? Was meint ihr, setzt sich eine differenziertere Definition nach den Anschlägen von Oslo durch?


(Bildquelle: Wikimedia Commons, Sebastiaan ter Burg)

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