Freitag, 29. Juli 2011

Feindbild Islam - Stefan Weidner entschlüsselt die sogenannten "Islamkritiker" - 4. Teil

Thilo Sarrazin war der bisher "ranghöchste" selbsternannte
"Islamkritiker" Deutschlands

Ich hoffe, dass nun nach den Attentaten des Terroristen Anders Behring Breivik in Oslo eine breitere Diskussion angestoßen wird, wie man den Rechtspopulismus zähmen kann, wie man illegitime pauschalisierende Kritik an "dem" Islam vom Benennen einiger Probleme bei Migranten jeglicher Religion (auch Chinesen oder sehr bibeltreue Evangelikale leben in Parallelwelten, und das muss auch kein Problem sein) trennen kann. Es muss das "Feindbild Islam" mit allen argumentativen Mitteln dekonstruiert werden, sachlich, möglichst wissenschaftlich fundiert, und zwar ohne ein neues Zerrbild der Realität von einem vermeintlichen "Eitel-Sonnenschein" zu zeichnen. Die Entstehung, die Charakterisierung und die immer nähere Angleichung des "Zerrbildes Islam" an den Antisemitismus des 19. und auch des frühen 20. Jahrhunderts wurde hier in der Artikelserie "Feindbild Islam" schon einige Male angesprochen.
Nun scheint es so zu sein, dass auch die breitere mediale Öffentlichkeit jenseits des Feuilletons erfährt, dass vielleicht das Bild, welches sie sich von "dem" Islam machen, ein wenig schief bis verzerrt ist. Es wird sicherlich in den Feuilletons verstärkt darüber debattiert werden, wo Kritik aufhört, und Hetze beginnt, wie es dieses schon zuletzt heftig 2010 gegeben hatte - Stichwort "Dschihad im Feuilleton"  (PDF).

Dabei ist diese Aufklärung über das "Feindbild Islam", welches die selbsternannten sogenannten "Islamkritiker" wie Henryk M. Broder, Thilo Sarrazin oder Necla Kelek verbreiten gar kein neues Thema, denn schon seit Jahren warnen aufmerksame Beobachter vor der undifferenzierten Sicht auf den Nahen Osten und den Islam.

So zum Beispiel der Politologe und Orientalist Olivier Roy, der durchaus auch islamkritisch sein kann, aber eben nicht in der Weise, wie oben genannte Laien, die dem kundigen Leser oder Hörer immer wieder ihre Unkenntnis selbst banalster sachlicher Fakten vor Augen führen. Da diese selbsternannten "Islamkritiker" sich meistens gegenseitig in ihren Werken zitieren, fallen ihnen diese Sachfehler gar nicht auf, aber vermutlich eher noch: Sie wollen sie gar nicht sehen, denn diese würden ja ihrem zurecht gezimmertem Weltbild widersprechen.

Donnerstag, 28. Juli 2011

Monika Maron und Nekla Kelek reden teilweise Quatsch und versuchen sich in "Islamkritik"

Necla Kelek im Gespräch mit der Welt.

Mal einige Gedanken zu diesem Interview, Fakten, angereichert mit einer Prise Polemik. Eigentlich könnte, ja müsste man alle solchen Artikel auseinander nehmen und den Redaktionen um die Ohren hauen. Ich habe noch so einige halbfertige auf Lager, z.b, von Thea Dorn. Mal sehen ob ich nochmal Zeit dafür finde.

aus der Zeitung: Die Welt


"Die hohe Kunst des Falschverstehens"

Monika Maron und Nekla Kelek über Islamkritik nach dem Massaker in Norwegen, über Thilo Sarrazins verhinderten Ausflug nach Kreuzberg und ein Jahr "Deutschland schafft sich ab"

Beide veranstalten abwechselnd in ihren Wohnungen Diskussionsabende, die ihresgleichen suchen.
Was? An Dummheit? Ich will nichts falsch verstehen, vielleicht hätte hier die Autorin präziser sein müssen...
Das Gespräch fand nachmittags in Marons Schöneberger Altbauwohnung statt. Sie servierte Kirschsaft von Früchten aus eigenem Garten.
Aha, ist denn die Schadstoffkonzentration in der Berliner Luft gering genug für die Zubereitung dieser Kirschen? Vielleicht sind ja erhöhte Schwermetallablagerungen darin, die die Hirntätigkeiten einschränken könnten? Das würde so einiges erklären...

Muslime verlangen nach Terroranschlag von Oslo von Christen Bekenntnis zum Gewaltverzicht

Aufklärungskampagne des christlichen Uganda gegen Klitorisbeschneidungen
Ich habe noch so einige alte Geschichten in meinen Blogentwürfen, die ich aus Zeitmangel nicht behandeln konnte, als sie noch aktuell waren. So die Meldung des Anschlags auf die koptische Gemeinde von Kairo Anfang des Jahres.
Auf diese Meldung wollte ich damals in der Weise reagieren, indem ich alle möglichen durch Christen begangene Verbrechen auf der Welt beispielhaft aufzählen wollte, von Klitorisbeschneidungen, über Ehrenmorde, bis hin zu Massakern z.B. an Minoritäten, um dieser Forderung der CSU die Absurdität aufzuzeigen, die immer wieder die hiesigen Muslime in intendierter Sippenhaft für Ereignisse von Verbrechern (die Muslime sind) auf der Erde nimmt. Diese Pauschalisierung, die dahinter steckt deutlich werden zu lassen. (Das es islamistische Fanatiker auch hier geben kann, die den Angriff auf die Kopten gutheißen, möchte ich dabei gar nicht Abrede stellen. Und das es natürlich nicht "christlich" ist, Verbrechen zu begehen weiß ich natürlich auch. Es ging mir darum die Pauschalisierung Islam=Terror aufzuzeigen.)

Nun mache ich dieses, indem ich das Ereignis des Terroranschlages von Oslo durch Anders Behring Breivik zum Anlass nehme, und diese unten stehende Meldung verfremde, auf das dadurch diese Geisteshaltung der dort erwähnten CSU-Mitglieder deutlicher wird.
Ich mache aber einen Unterschied:
Die CSU möchte von den hiesigen Muslimen eine deutliche(re) Distanzierung von dem Anschlag in Ägypten auf Kopten. (Übrigens: Bei wieviel Prozent Distanzierung ist denn die Schwelle erreicht, wo die CSU zufrieden wäre?)

Artikelserie: Die Zerstörung von Mekka - Wahhabiten

Kaaba in Mekka, Saudi-Arabien

Ich fasse hiermit mal einige zusammenhängende Blogpostings zusammen, und versehe dann diese Postings mit einem Label, damit man sie schneller über das rechte Menü finden kann.

Die Zerstörung von Mekka - Wahhabiten 1. Teil

Die Zerstörung von Mekka - Wahhabiten 2. Teil

(Bildquelle: Wikimedia Commons)

Artikelserie: Wie wird Anatolien islamisch und türkisch?

"Roter Turm", seldschukisch, 13. Jh, Alanya, Türkei
Ich fasse hiermit mal einige zusammenhängende Blogpostings zusammen, und versehe dann diese Postings mit einem Label, damit man sie schneller über das rechte Menü finden kann.


Wie wird Anatolien islamisch und türkisch? Teil 1

Wie wird Anatolien islamisch und türkisch? Teil 2



(Bildquelle Wikimedia Commons)

Mittwoch, 27. Juli 2011

Artikelserie: Was ist Dschihad und der Unterschied zum "Heiligen Krieg"?

kirchliche Kreuzzugspropaganda, wie vermeintlich Muslime
ihre Notdurft in Kirchen verrichten würden. Ein Lüge,
die ihren Zwecks bei den Kreuzrittern erfüllte



Ich fasse hiermit mal einige zusammenhängende Blogpostings zusammen, und versehe dann diese Postings mit einem Label, damit man sie schneller über das rechte Menü finden kann.


Was ist Dschihad und der Unterschied zum "Heiligen Krieg"? Teil 1

Was ist Dschihad und der Unterschied zum "Heiligen Krieg"? Teil 2

Ist Geert Wilders ein Rechtspopulist, ein Rechtsextremer, oder was?

Geert Wilders
Ich glaube nach dem Terroranschlag in Oslo durch Anders Behring Breivik herrscht in Teilen der Medienlandschaft eine recht große Konfusion was die Begrifflichkeiten angeht. Er ist kein Neonazi, obwohl manche ihn so bezeichnen, da er zum Beispiel keine antisemitische Haltung hat, er ist damit eigentlich auch kein Rechtsextremer aus eben diesem Grund, und er möchte auch keine völlige Abschaffung der Demokratie, zugunsten einer Dikatur mit einem einzigen Führer, wie es Rechtsextreme oft propagieren. Er ist übrigens auch kein christlicher Fundamentalist, da er sich selbst als wenig religiös beschreibt. Die größte Schnittmenge hat er mit den Rechtspopulisten, die in Europa in den letzten Jahren sehr großen Zulauf erhielten und die bis in die Mitte der Gesellschaft wirken und ihre Mitglieder aus diesem Reservoir oft erhalten. Haben die Medien deshalb Skrupel ihn als radikalen Rechtspopulisten zu bezeichnen, weil sie dieses Etikett auch gerne mal Horst Seehofer oder anderen Politikern aus dem rechten Lager der Koalition anheften oder zumindest deren Wahlkampfreden? Anders Behring Breivik kommt also eigentlich aus der "Mitte der Gesellschaft", und verfiel zum Beispiel demselben Wahn, wie die meisten Rechtspopulisten, und zwar die empirisch als falsch beweisbare xenophobe Vorstellung einer Islamisierung Europas, sowie der Verschwörungstheorie, die Medien und die Öffentlichkeit würden von "den" Linken beherrscht, und alle hätten unrecht und wären feindlich, nur die Rechtspopulisten würden die Realität erkennen, nur dürften sie dieses nie sagen, weil sie da dann gleich als Rassisten gebrandmarkt würden.

Vielleicht verbreitet sich nach der unfassbaren Tat von Oslo ein neuer Begriff für den Attentäter und seine geistigen Väter, wie Geert Wilders?

Artikelserie: Türkische Namensreform 1934 und Folgen - Türkifizierung

Trachten von Schwarzmeerbewohnern, spätosmanisch


Ich fasse hiermit mal einige zusammenhängende Blogpostings zusammen, und versehe dann diese Postings mit einem Label, damit man sie schneller über das rechte Menü finden kann.

Türkische Namensreform 1934 und Folgen - Türkifizierung - Teil 1

Türkische Namensreform 1934 und Folgen - Türkifizierung - Teil 2


(Bildquelle: Wikimedia Commons)

Artikelserie: Erste Wiener Belagerung durch die Osmanen

Kaiser Ferdinand I., Mitte 16. Jh

Ich fasse hiermit mal einige zusammenhängende Blogpostings zusammen, und versehe dann diese Postings mit einem Label, damit man sie schneller über das rechte Menü finden kann.

Erste Wiener Belagerung durch die Osmanen - Teil 1 - Die Rahmenbedingungen

Erste Wiener Belagerung durch die Osmanen - Teil 2  -  War die Belagerung Wiens eigentliches Ziel des Feldzuges? 

Erste Wiener Belagerung durch die Osmanen - Teil 3 - War die Belagerung Wiens eigentliches Ziel des Feldzuges? 


(Bildquelle: Wikimedia Commons)

Dienstag, 26. Juli 2011

Islamistischer und anderer Terrorismus



Bombenattentat der baskischen Terrororganisation ETA in Madrid 2006



Einige Ausführungen zu dem islamistischen oder dschihadistischen Terrorismus. Wie groß ist die Bedrohung? Wieviele Attentate gab es? Welche anderen Terroristen gibt es eigentlich noch?

Denn es sind jedem die spektakulären Bombenattentate der Dschihadisten von London oder Madrid in Erinnerung, aber kaum die anderen Anschläge, geschweige denn die ca. 150 Toten durch Rechtsextremismus seit 1990 allein in Deutschland.

Wieviele Vereinigungen, die die Europäische Union (EU) als terroristisch einstuft, sind seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in Deutschland in Erscheinung getreten (bis 2009)?

Volkskongress Kurdistan (früher: PKK)
die Revolutionäre Volksbefreiungspartei
Babbar Khalsa International
International Sikh Youth Federation
Liberation Tigers of Tamil Eelam ( LTTE)
HAMAS
Al Aqsa e. V.

"Nur" letztere beiden sind islamistisch.
Zwei andere sind sikhistisch
Die LTTE Sri Lankas führt weltweit die Statistiken mit den meisten Selbstmordattentätern an.


Wie hoch sind wohl die Bargeldreserven der genannten Organisationen zusammengenommen in Deutschland, die in den letzten acht Jahren (bis 2009) nach EU-Recht eingefroren wurden?

203 Euro und 93 Cent. 

Genauer nachzulesen bei:
"Deutscher Bundestag Drucksache 17/388
17. Wahlperiode 04. 01. 2010
...
Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage ...
EU-Terrorlisten und Außenwirtschaftsgesetz"

Montag, 25. Juli 2011

Anders Behring Breivik, Fjordman und die immer gleichen Diskussionen

Anders Behring Breivik
Da nun die Motivation des Terroranschlages von Oslo durch Anders Behring Breivik nicht zuletzt durch sein Manifest klar geworden ist, kann man auch deutlich seine Radikalisierung nachvollziehen. Eigentlich sind alle Terroristen irre, seine Legitimation auch, doch seine Begründungsmuster sind hoch rational - in seinen Augen. Man sollte sich also nicht darauf ausruhen, dass man ihn für einen Psychopathen hält, sondern schauen, wie seine Thesen zustande gekommen sind, wer seine geistigen Väter sind, und wieso viele viele Menschen in den Diskussionen der letzten Jahre genau dieselben Argumentationen nutzten und nicht imstande waren, ihren Irrglauben, ihre Unseriosität zu erkennen.
Dachte man noch in den ersten Stunden, das Anders Behring Breivik gleichbedeutend ist mit einem Star der rechtspopulistischen und rechtsradikalen Blogger-Szene, nämlich mit einem gewissen Fjordman, scheint die Verknüpfung momentan noch unklar zu sein, oder auch nicht vorhanden zu sein. Das ist aber eigentlich egal, denn Breivik bezieht sich in seiner Legitimation eindeutig auf die "Analysen", die unter anderem Fjordman ins Netz mit großer sprachlicher Eloquenz verbreitete.

Dazu poste ich hier mal eine Diskussion von mir und einem gewissen N.
- von 2009.

Ich habe versucht seine Ansichten in unzähligen Disputen unter Zuhilfenahme der namhaftesten Fachleute aus Wissenschaft und Forschung zu korrigieren. Es ist mir kaum gelungen. Er vertrat im Laufe der Zeit eher immer krudere, dubiosere, unseriösere Ansichten, offensichtlich haben sich bei ihm die rechtspopulistische Informationen durchgesetzt, gegenüber den universitären, die ich ihm herausgesucht hatte. Das ging sogar soweit, dass er sich der Terminologie von Hetzseiten wie PI bediente, wie z.B. " die linksgrünfaschistische, verdhimmifatzte, gleichgeschaltete Mainstream-Gutmensch-Systempresse nichts besseres zu tun hat, als mit ihren Lügen und Verdrehungen die Muslime vor dem Volkszorn zu schützen, der ihnen schon lange zustehen würde ...."
An den Diskussionen mit ihm bemerkt man, dass man bei bestimmten Menschen keine Chance auf argumentativem Wege hat sie zu überzeugen, denn je mehr man diskutiert, je eher werden ja die rechtspopulistischen Thesen bzw. verbreitete Verschwörungstheorien untermauert, hält man erstmal diese für die wahrscheinlichere Thesen und ist ihnen verfallen. Insofern sind Diskussionen manchmal eher dazu geeignet diese verqueren Ansichten, denen selbst hochintelligente Menschen verfallen können, noch zu verstärken, zu radikalisieren.

Nun, in der unten abgebildeten Diskussion lässt sich der relative Beginn dieses Prozesses nachvollziehen, und das beginnt schon damit, wo man seine Information zur Betrachtung der Welt bezieht. Das ist der Schlüssel für eine realistische Einordnung einer komplexen Realität, daher auch einige Buchtipps oben in dem Reiter. Ich bin aber auch schon in diesem Disput gefrustet, weil Monate der Diskussion nix brachten und er sich nun "sogar" auf einen anonymen Fjordman bezog, statt auf weltbekannte renommierte Autoren. Er war leider schon in andere Sphären abgerutscht. Daher betrachtete ich es in der Folge immer mehr als Zeitverschwendung auf seine Thesen weiter einzugehen. Weil man gewissermaßen Monologe führte.

(Ich habe einige Anmerkung in eckige Klammern gesetzt, ich könnte noch viel mehr sagen, da sich mein Wissen in den letzten zwei Jahren ebenfalls vermehrte, aber ich wollte den Gesprächsfluss möglichst wenig unterbrechen.)

Feindbild Islam - 3. Teil

Henryk M. Broder, erstaunliche geistige Metamorphose in den
letzten Jahrzehnten, die schon manchmal an Horst Mahler erinnert.


Manchmal kann man am besten oder am einfachsten erkennen, wie pauschalisierend ein Text ist, wenn man zum Beispiel Henryk M. Broders eigene Worte nimmt, und einige Substantive austauscht, und dann schaut wie der Text nun wirkt.

Entnommen aus seinem Blog:

Original Broder:
(Übrigens ausgerechnet in der rechtspopulistischen schweizer Weltwoche, die noch viel rechter als die Bild ist.)

Islamophobie’ dagegen ist kein Vorurteil und kein Ressentiment, es ist die Angst vor dem Islam, die so begründet ist wie die Angst vor Naturkatastrophen, nicht unbedingt durch eigene Erfahrung, aber durch den Augenschein. Es sind die Bilder von 9/11, von Madrid, London, Bali und Djerba. Es sind die Reden von Ajatollah Chomeini und die Auftritte von Machmud Achmadinedschad, die Programme der Hamas, der Hisbollah und der Muslimbruderschaft, die Videos der Selbstmordattentäter, die Steinigung von Frauen und das Aufhängen von Homosexuellen. Es ist die Fatwa gegen Salman Rushdie, und es sind die Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen, es ist die Behauptung, Islam bedeute ‘Frieden’ und Dschihad ‘innere Anstrengung’, während Islamisten und Dschihadisten das Gegenteil bezeugen.
...
‘Islamophobie’ hat also mit Empirie zu tun. Dabei spielt es keine Rolle, dass nur eine Minderheit der Muslime den Islam in Verruf bringt, solange die friedliche Mehrheit nicht imstande ist, die Minderheit zu bändigen, weil sie vor den Folgen einer Auseinandersetzung Angst hat. Auch das ist praktizierte Islamophobie.

Sonntag, 24. Juli 2011

Feindbild Islam - 2. Teil

Islamophobe Ansichten verbergen sich immer weniger
- mitten in der bürgerlichen Gesellschaft
Heute eine weitere kleine lesenswerte Untersuchung zum Feindbild Islam - diesmal in ihrer historischen Komponente. Denn wir alle sind, meistens unbewusst, doch stark von unserem historischen Erbe und jener älteren Historiographie beeinflusst, welches durch Schulbücher, durch Elternhaus, durch Medien, immer wieder von einer Generation zur nächsten tradiert wird, und wo sich Zerrbilder äußerst zäh halten, wie z.B. auch Schulbuch-Untersuchungen ergeben haben. Nur bei großen Brüchen gelingt manchmal ein Schnitt (z.B. in den Schulbüchern) und damit ein neuer der Realität angemessener Blick, wie z.B. die Wandlung der deutsch-französischen in Stein gemeißelten Erbfeindschaft, hin zur deutsch-französischen Freundschaft.



Feindbild Islam.
Historische und theologische Gründe einer europäischen Angst – gegenwärtige Herausforderungen

Thomas Naumann / Universität Siegen

Samstag, 23. Juli 2011

Feindbild Islam - 1. Teil

Schon vor 30 Jahren wurde gegen Ausländerfeindlichkeit demonstriert

Eigentlich wollte ich meine Serie über Feindbilder bei Muslimen gegenüber "dem Westen" noch fortsetzen, nachdem ich hier schon des öfteren auf das Feindbild Islam hingewiesen habe.
Wegen den jüngsten terroristischen Attentaten in Olso, ziehe ich aber nun eine Serie von interessanten Studien zum Feindbild Islam vor. Denn diese rechtspopulistischen bis rechtsextremen Denkstrukturen, diese Argumentationslinien, die von prominenten Personen der Öffentlichkeit auch in den politischen Talkshows oder Bestsellern ungebremst verbreitet wurden und werden, diese selbsternannten "Islamkritiker", waren maßgeblich daran beteiligt, dass ein Klima entstand, in dem Menschen aus der Mitte der Gesellschaft so radikal wurden, dass es sogar zu dem Anschlag in Oslo kam. Nicht zu vergessen die zahllosen weiteren Anschläge auf Muslime oder Migranten, zum Beispiel die vielen Brandanschläge auf Moscheen, Schändungen von Gräbern, Bespucken von Frauen die Kopftuch tragen, und so weiter. Wir erinnern uns noch jüngst an Sarrazin in Kreuzberg, wo er einen Mann, der von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hatte, als einen "Linksfaschisten" denunzierte! Ich würde an seiner Stelle eine Klage einreichen! Dieselbe Geisteshaltung von Sarrazin hatte auch der Attentäter von Oslo, Anders Behring Breivik.
Daher ist es so wichtig, zu verstehen, wie diese Realitätsverzerrung, dieses Bild von Muslimen, vom Islam, zustande kommt. Denn gegenüber diesen Feindbildern sind die meisten Menschen schutzlos ausgeliefert - den Medien sei "Dank" - und übernehmen nicht selten diese kritiklos und haben dann eine realitätsferne Vorstellung von den Muslimen oder dem Islam, besonders, wenn diese keinen persönlichen Kontakt zu Muslimen haben, wie eben die meisten. Also als einzige Informationsquelle auf die Medien und das Internet zugreifen können. Auf der rechten Seite finden sich hervorragende Blogs, die schon seit Jahren gegen diesen immer stärker werdenden Trend angehen.
Hier nun einige Infos aus dem akademischen Bereich:


Das Nahost- und Islambild im Westen

Die westliche Wahrnehmung der nahöstlichen Region zeichnet sich wie auch umgekehrt dadurch aus, daß auch sie Realitätsfragmente in einer Weise montiert, die ein eher fiktives Gesamtbild ergibt. Die durchschnittliche westliche Sichtweise betont das Fremdartige, das Trennende beider Kulturkreise. Sie stellt häufig die Religion (also den Islam) als das spezifisch Nahöstliche dar, und damit einen der Unterschiede. Trotz der eigenen erdrückenden Überlegenheit an Wirtschaftskraft, militärischer Kampfkraft und ideologischer Ausstrahlung wird der Nahe und Mittlere Osten (oft wahrgenommen als »der Islam«) als Bedrohung betrachtet - womit die Wahrnehmung des Westens aus der nahöstlichen Perspektive schlicht gespiegelt wird. Da die westliche Wahrnehmung und ihre Klischees vom Nahen und Mittleren Osten schon mehrfach kritisch beschrieben und analysiert worden sind, braucht dies hier nicht ausführlich getan zu werden. Das folgende Schaubild listet einige der Perzeptionsmuster auf, die bei uns gegenüber »dem Islam« angewandt werden.

Freitag, 22. Juli 2011

Unterschied von Islamwissenschaft und islamischer Theologie - was ist Kultur?

Oxford Centre for Islamic Studies, in Großbritannien
Eine Mischung des Oxford-Architekturstiles, mit einem
orientalischem Stil, inklusive Moscheeraum und Minarett.


In den letzten Monaten ist ja verstärkt der islamische Religionsunterricht in den Medien im Zuge der Ausbildung von Religionslehrern nach islamischen Glaubensbekenntnis Thema gewesen. Dabei stellte ich nicht selten ein Missverständnis in den Diskussionen fest, wofür eigentlich die islamische Theologie - auch Islamstudien genannt - steht, und wofür die Islamwissenschaft steht und was deren Aufgaben sind.
Dieses möchte ich heute mal erläutern und gleichzeitig einen Ausflug in eine zeitgemäße Definition des Begriffs Kultur machen, damit es nicht zu trocken wird. Diesen Ausflug habe ich schon im Blogpost In den Spiegel der ausländerfeindlichen Deutschen geschaut gemacht, kann aber nicht häufig genug wiederholt werden, da wir alle noch viel zu oft in alten Denkstrukturen verhaftet sind, wenn es um Gruppenidentitäten und deren Zuschreibungen geht, die ein Erbe der Rassenlehre des 19. und frühen 20. Jahrhundert waren, und gerade dieser Lehre der Kulturbegriff Anfang des 20. Jahrhunderts entgegengestellt wurde, gleichwohl dieser in den letzten Dekaden sich im öffentlichen Diskurs leider wieder dem Rassebegriff angenähert hat - Stichwort Kulturalismus bzw. Kultureller Rassismus
"Zeit für ein Update!", würde ich da bei vielen Diskussionen und Diskutanten sagen...

Donnerstag, 21. Juli 2011

Türkeistämmige fühlen sich oft unerwünscht, sind aber besser integriert als vielfach gedacht

Lesesaal einer Uni, natürlicher Ort der Freundschaften
von Gästen, Migranten und Einheimischen


Es ist eigentlich jedes Jahr dasselbe. Während Vorurteile anlässlich der jüngsten Provokation durch Thilo Sarrazin durch die Medien wabern, bleiben jüngste empirische Studien, wie es wirklich da draußen aussieht weitgehend unbeachtet durch die Bevölkerung. Jetzt ist gerade wieder eine erschienen, auf die ich weiter unten eingehe, vorher jedoch mein Déjà-vu erläutern möchte.

Ich hatte schon 2009 darüber diskutiert, wieso es solch eine Diskrepanz gibt, zwischen Medienöffentlichkeit einerseits und der Realität wie sie wissenschaftliche Studien beschreiben andererseits, weit vor dem Hype um die Thesen von Sarrazin letztes Jahr.

Das Ende des gemeinen Feld-, Wald- und Wiesen-Muslims

Überraschende Studie im Auftrag des Innenministeriums: Es gibt in Deutschland mehr Muslime als vermutet, sie sind sozial besser integriert als vermutet - und über die Hälfte ist Mitglied eines deutschen Vereins. Von Islamverbänden fühlen sie sich nur zu einem geringen Grad vertreten. ..."

"Über die Hälfte der in Deutschland lebenden Muslime ist zum Beispiel Mitglied in einem "deutschen Verein",..."

"nur ein Prozent von ihnen "keine Alltagskontakte zu Deutschen" und hegt auch keinen entsprechenden Wunsch - während die Mehrheit der Muslime wiederum durchaus gerne mehr Austausch mit "Deutschen" hätte."

"viele Probleme des Zusammenlebens zwischen Muslimen und Mehrheitsgesellschaft sind Randphänomene. "

"Auf dem Gebiet der Bildung stehen die Dinge nicht gut - auch das ist bekannt. Verdienstvoll aber ist, dass in der Studie klargestellt wird: Ein Zusammenhang zur Religion lässt sich nicht herstellen."

"So zum Beispiel die Nichtteilnahme von muslimischen Schülerinnen an Schwimmunterricht und Klassenfahrten. Der Studie zufolge bleiben lediglich sieben beziehungsweise zehn Prozent den Angeboten fern."

"...Kopftuch. Aber: Nur jede zweite Muslimin, die sich selbst als "stark gläubig" bezeichnet, trägt eines."

"...70 Prozent der Musliminnen tragen nie ein Kopftuch."

"Islamverbände ... repräsentieren der Studie zufolge weniger als 25 Prozent der Muslime"

"Rund 20 Prozent der Muslime sind in religiösen Vereinen oder Gemeinden organisiert, wobei dieser Wert wiederum geringer ist als bei Nicht-Muslimen."

Mittwoch, 20. Juli 2011

Balkanküche und Einflüsse

Cevapcici, Nationalgericht in vielen Gegenden Südosteuropas,
ein Erbe der Osmanen

Es führt nicht selten unter Migranten aus Südosteuropa zu heftigen Diskussionen, wenn das Thema auf die Küche des Balkans inklusive Griechenlands kommt. Denn es fallen häufig die Ähnlichkeiten der Namen der Gerichte zu denen der Türkei auf, die schon einem linguistischem Laien verraten, dass hier eine Verbindung bestehen muss. Das in den letzten 200 Jahren auf dem Balkan ein exzessives Feindbild des Osmanischen Reiches aufgebaut wurde, zwecks Abgrenzung und Emanzipation von ihm, zwecks Nationenwerdung im 19. Jahrhundert und Schaffung eines Gemeinschaftsgefühls als Nation, merkt man heute manchen Diskussionen immer noch an. Denn diese Tradition, dieses Geschichtsbild lebte auch noch im 20. Jahrhundert (zumal im Kommunismus) wirkmächtig fort, findet sich in Schulbüchern teilweise bis heute. Somit ist es kein Wunder, dass sich etliche Migranten aus dem Balkan wenig mit den Einflüssen der Erzfeinde der Osmanen auf ihre Kultur und ihre Küchen anfreunden können. Allerdings sind die Türkischstämmigen in ihren Reaktionen auch des öfteren nicht viel anders, wenn sie hören, dass dieses und jenes türkische Gericht byzantinisch-griechischen Ursprungs, oder iranischen Ursprungs ist.


Es fällt schwer, sich über die Wechselwirkung der Küchen zu informieren, jenseits aller Polemik oder unseriöser Deutungsversuche. Ein Buch habe ich bereits kürzlich hier im Blog zitiert: Geschichte der türkischen Küche.
Heute folgt ein weiteres, welches etymologisch zu erläutern versucht, wie die Balkanküche entstanden ist, und wer den größten Einfluss darauf hatte. Mir erscheint der unten stehende Ansatz höchst plausibel, denn es lässt sich immer wieder in der Geschichte feststellen, dass diejenige Kultur nachgeahmt, Teile daraus übernommen werden, die als die "höherstehende", mächtigere, kultiviertere angesehen wird, ungeachtet, ob sie es auch objektiv ist. Das war schon im Europa Napoleons so, das war so bei den Osmanen oder Römern, das ist sogar heute noch so, wo die europäische Bevölkerung ohne Zwang die anglo-amerikanische Kultur in vielen Teilen nachahmt.

Dienstag, 19. Juli 2011

Feindbild Westen bei einem Teil der Muslime 1. Teil

Propaganda-Grafitti an der Botschaft der USA in Teheran, Iran
Ich habe hier im Blog ja schon mehrfach Feindbilder thematisiert, die in Deutschland oder allgemein im Westen gegenüber den Muslimen und dem Islam vorhanden sind. Siehe die Rubriken bzw. Tags oder Labels auf der rechten Seite. Dieses ist auch wichtig, denn wenn man weiß, woher diese Feindbilder kommen, wie diese Klischees entstehen, dann kann man leichter diesem Denken entfliehen und ein realeres Bild der Welt erhalten. Zu diesem Vermeiden von Feindbildern und Stereotypen gehört ein trainiertes differenziertes Denken. Dieses wird je mehr trainiert, je höher die Schulbildung ist. So ist es kein Wunder, dass man tendenziell bei höheren Bildungsabschlüssen weniger undifferenzierte Ressentiments oder Schwarz-Weiß-Denken vorfindet; wobei Ausnahmen wie immer die Regel bestätigen. Denn ich möchte hier mal darstellen, wie denn die "Gegenseite" von Schubladendenken, von Feindbildern geprägt ist. Also wie sehen Muslime "den Westen", wie stehen sie zu Juden, wie zu säkularen Umständen dieser Gesellschaft? Und wenn man von hiesigen Migranten ausgeht, und meine obige Feststellung zum differenzierten Denken hinzufügt, ergibt sich zwangsläufig das Bild, dass bei Migranten ein Denken in Schubladen prozentual weiter verbreitet ist, als bei den "Durchschnittsdeutschen", einfach weil deren Bildungsgrad prozentual niedriger ist. Dieses soll keine Entschuldigung sein, sondern vielmehr eine Erklärung, warum in Diskussionen im Internet oder auf der Straße nicht selten gewisse Teile der Migranten ähnliches Denken zeigen, wie gewisse Teile der Deutschen. Also genau dieses tun, was sie "den" Deutschen manchmal vorwerfen. Auch bei Migranten gilt selbstverständlich, dass mit höherem Bildungsgrad eine gewisse Differenziertheit des Blicks auf die Welt einhergeht. Da aber der Anteil der Abiturienten oder Akademiker bei Migranten geringer ist, findet man seltener - je nachdem wo man sich gerade aufhält - diese Stimmen jenseits von vereinfachenden Pauschalisierungen bis hin zu rassistischem Gedankenguts.
Dieses kann man sicherlich sowohl für Migranten in Deutschland, als auch für die Diskussionen in dem Nahen Osten feststellen.

Dazu in loser Folge einige interessante Artikel, Bücher, Internetseiten, die dieses Thema näher beleuchten:

Montag, 18. Juli 2011

Geschichte der türkischen Küche

Türkische Delikatessen,
z.b. die berühmten gefüllten Weinblätter

»Himmel und Erde sind nichts als ein Apfel, gewachsen an Gottes Baum Unendlicher Macht.«

Mevlana Dschalal ad-Din ar-Rumi (1207 - 1273) Mesnevi (Gedichte), Band IV

Heute möchte ich euch eine Leseprobe aus einem Ausstellungskatalog vorstellen, in dem die Geschichte der türkischen Küche beleuchtet wird. Ich hörte manchmal in der Türkei, dass dort stolz darüber berichtet wurde, dass die türkische Küche zu den Großen dieser Welt gehöre. Ja, dass sie sogar nach der chinesischen und der französischen Küche den dritten Platz einnehme. Wie auch immer dieses gemessen wird, eines ist klar: In Deutschland kann man nur sehr selten die erlesene türkische Küche kosten. Besonders auch nicht in ihrer osmanischen Sultanspalastküchentradition, da deren Speisen oft sehr aufwendig sind, und offenbar die deutsche Kundschaft, anders als zum Beispiel bei der französischen Küche, nicht bereit ist hochpreisige türkische Speisen zu bezahlen. Vielleicht ein Problem des Image, den die hiesigen Türkischstämmigen bei der Mehrheit der Deutschen besitzen? Jedenfalls kann man sagen, dass die türkische Küche eine sehr vielgestaltige ist, auch entgegen den hiesigen Vorstellungen kaum Knoblauch oder Kümmel verwendet. Da verwendet inzwischen die neue deutsche Küche erheblich mehr. Sowieso wird nur sparsam gewürzt, um den Geschmack der einzelnen Nahrungsmittel zur richtigen Geltung zu verschaffen.
Wie dem auch sei, ich habe diese Aussage von der drittbesten Küche wahrscheinlich auch mal in einem alten Baedecker-Reiseführer lesen können, sowie in dem Text unten. Es wird wahrscheinlich die Variabilität einer Küche gemeint sein, wieviele Gerichte die Köche aus einem jeweiligen Nahrungsmittel zu kochen imstande sind. So werden zum Beispiel in der türkischen Küche mehr als 40 verschiedene Auberginengerichte gezählt. Vielleicht komme ich nochmal dazu dieser Aussage nachzugehen. Jedenfalls soll dieser Post nicht der letzte zur türkischen Küche sein.

Viel Spaß beim Lesen und Guten Appetit, oder wie man auf türkisch sagt: Afiyet olsun!

Große Imperien haben große Küchen hervorgebracht. Der fruchtbare Boden und die Tüchtigkeit der Bauern und Fischer des türkischen Reiches, verbunden mit der Begeisterung und dem Können seiner Küchenchefs und häuslichen Köche, haben feine, wohlschmeckende Gerichte entstehen lassen, die die türkische Küche neben der französischen und chinesischen zu einem der drei herausragendsten Beispiele für kulinarische Kunst in der Welt gemacht haben. Im Lauf ihrer Entwicklung, von der Küche der türkischen Stämme Zentralasiens bis zu der Küche von heute, hat die türkische Kochkunst einen individuellen Charakter angenommen, der in der Anlage der Küche, den Kochgeräten, den Gerichten und Garmethoden, dem Anrichten von Speisen und in bestimmten Sitten zum Ausdruck kommt. Abwechslungsreichtum und Vielfalt werden auf jedem Gebiet der Kochkunst gleichermaßen gepflegt.

Freitag, 15. Juli 2011

Die Entstehung des Osmanischen Reiches

Sultan Süleyman I., der Prächtige, in einem
Ölgemälde, welches Tizian zugeschrieben wird, 1530


Heute möchte ich mal ein wenig Licht ins Dunkel der Geburt und der Ursprünge des Osmanischen Reiches bringen, denn vieles ist entweder unklar oder noch zu wenig erforscht um klare Aussagen treffen zu können, wie genau man sich die Entstehung des Osmanischen Reiches vorzustellen hat. Dennoch gibt es schon einige Erkenntnisse, die vielleicht bisher tradierte Geschichtsbilder ein wenig korrigieren könnten.

Dazu zitiere ich zwei einführende Standardwerke, die uns leider nur auf englisch aufklären. Beide sind sehr empfehlenswert, denn sie beinhalten viele neue oder veränderte Erkenntnisse der letzten forschungsintensiven Jahre:

Donnerstag, 14. Juli 2011

Wer macht mehr Angst, Salafiten wie Pierre Vogel oder Evangelikale?

"Gehorche Jesus oder stirb!"
Fundamentalistischer Missionar
auf einem Campus in den USA
Heute stolperte ich über ein Video auf Hennings Blog über Evangelikale beziehungsweise christliche Fundamentalisten, welches ich unten verlinke. Dabei fiel mir bei einer Szene am Brandenburger Tor, wo Evangelikale zu mehr als Zehntausend (!) ekstatisch und lautstark den Prediger folgten eines auf: Wo wird eigentlich mal in den üblichen Medien von der "Unterwanderung" Deutschlands durch diese rechten Evangelikalen diskutiert?
In den letzten Tagen hingegen finden wir immer wieder Berichte über islamistische Salafiten wie den ominösen Pierre Vogel, der eher eine Karikatur seiner selbst ist. Nicht nur wird damit er und seine Sekte oder islamistische Bewegung damit über Gebühr aufgewertet, nein, die Medien tragen auch Mitverantwortung dafür, dass diese Bewegung weiter Zulauf gewinnt. Dabei gibt es in Deutschland nur geschätzte 3000 - 5000 Salafiten, wie einige Experten hier und hier schätzen. Ein Bruchteil der geschätzten 1,3 Millionen Evangelikalen. Und lass es auch inzwischen 10.000 Salafiten in Deutschland geben, verglichen mit den Evangelikalen sind sie eigentlich nur eine absolute Randerscheinung - nur nicht in den Medien. Und von diesen Salafiten sind die meisten auch in der Praxis verfassungstreu, wenngleich sie am liebsten in einem "Gottesstaat" leben würden, wie viele der Evangelikalen in ähnlicher Weise ebenfalls. Nun mag man einwenden, dass von diesen zehntausend Salafiten durchaus wenige Hundert gewaltbereite Dschihadisten sein könnten. Richtig. Aber selbst wenn diese erfolgreiche Anschläge verüben würden, könnten sie Deutschland niemals verändern (abgesehen von einer dann einsetzenden Welle der Intoleranz Minderheiten gegenüber und starken Abbau von Persönlichkeitsrechten seitens der Politik nach Vorbild der Heimatschutzbehörde der USA). Ganz anders die Evangelikalen. Nicht nur haben sie ein starkes Wachstum an neuen Anhängern, nicht nur indoktrinieren sie gezielt die Jugend Deutschlands, sie betreiben nicht selten aggressives Missionarswesen, nein, einige Gruppen der Evangelikalen planen nichts geringeres als eine "Revolution" in Deutschland, wie der Protagonist der ersten Doku es unten beschreibt. Sie haben die Möglichkeit weit stärker zu wachsen, als es die Salafiten jemals könnten, sie haben die Möglichkeit unbemerkt Politik, Medien, Gesellschaft zu "unterwandern", wie es die Salafiten niemals könnten, sie haben die Möglichkeit ein anderes Deutschland zu schaffen, wo der liberalen Gesellschaft große Einschränkungen drohen würden.

Dabei möchte ich nochmals betonen: Die allermeisten Salafiten sind friedliche Menschen, die einfach nur nach ihrer rigiden Auslegung des Islams leben möchten, manche von denen betreiben aktives Missionieren, einige befürworten auch Gewalt zum Erreichen ihrer ideologischen Ziele, würden aber selber nie aktiv werden, und eine kleine Minderheit der Salafiten ist durchaus bereit selber zur Waffe zu greifen, vorwiegend im Ausland, z.B. Irak, Afghanistan, usw. und davon wiederum sind einige wenige bereit auch hierzulande Gewalt anzuwenden. Letzteres muss selbstverständlich auch erkannt, beobachtet und gegebenenfalls bekämpft werden.
Und bei den Evangelikalen sind die allermeisten ebenso friedliebende Menschen die Gewalt ablehnen, die auch in der Praxis verfassungstreu wie die meisten Salafiten sind, wenngleich beide nur die Autorität Gottes als letzte Instanz insgeheim oder offen akzeptieren. Etliche der christlichen Fundamentalisten betreiben aktives Missionieren und nur ein kleiner Teil befürwortet Gewalt zum Erreichen ihrer ideologischen Ziele.

Auch bei Kindern lösen gehirnwäschemäßige
Massenevangelisationsveranstaltungen tiefe Emotionen aus
Was diese Gruppe aber für uns alle zu einer vielleicht größeren Gefahr im Vergleich zu den Salafiten macht, ist einerseits, dass sie nicht als etwas "Fremdes" wahrgenommen wird, daher es leichter fällt Anhänger zu gewinnen, dass sie viel aktiver bei den Kindern und Jugendlichen missionieren als es die Salafiten können, dass sie überall in der Gesellschaft an den entscheidenden Schalthebeln unerkannt sitzen können, da sie weder Kopftücher noch Rauschebart und Häkelmützchen tragen, dass Teile der Evangelikalen Deutschland durchaus "revolutionär" verändern möchten, wie es die Salafiten nie könnten, selbst wenn alle Muslime Deutschlands (4% der Bevölkerung Deutschlands, nur mal zur Erinnerung) dieser Sekte folgen würden, dass allein deren hohe Anzahl doch schon eine größere Wirkmächtigkeit entfalten könnte als Linksextremisten, Rechtsextremisten und Islamisten gemeinsam, und letztlich, dass diese christlichen Fundamentalisten medial kaum einmal Erwähnung finden und daher ihre Aktivitäten und vor allem deren Hintergründe und deren Agenda der breiten Öffentlichkeit verborgen bleiben. Da hat man in den letzten Jahren schon eher mal etwas von der Gefahr die von Scientology ausgeht gehört.

Die Evangelikalen hätten durchaus die Macht Deutschland entscheidend in eine gewisse illiberale Richtung zu verändern. Die Salafiten werden diese niemals haben. Die Medienberichterstattung sollte dem einmal Rechnung tragen.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Koran ist nicht gleich Koran

Teil eines Verses aus der 48. Sure Al-Fath in einer Handschrift
aus dem 8. oder 9. Jahrhundert. Naher Osten oder Nordafrika. Abbasidisch.
Wusstet ihr, dass wenn ihr in Marokko, Algerien oder Tunesien einen Koran kauft, er nicht genau derselbe Koran ist, wie derjenige in Irak, Ägypten, Saudi-Arabien oder Syrien? Dazu unten mehr.

Manche Muslime haben ja die Vorstellung, dass der Koran, den sie heute in den Händen halten genau derselbe Koran wäre, der oben im Himmel verwahrt wird; oder zumindest ganz genau derselbe wäre, wie sie die Stimmen dem Propheten Muhammad diktierten. Dabei übersehen manche einerseits, dass es beim Tode Muhammads den fertigen schriftlichen Koran noch gar nicht gegeben hatte. Andererseits bedenken sie nicht, dass trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, in letzter logischer Konsequenz doch der Mensch der Schöpfer jedes einzelnen Buchstabens im Koran im Sinne eines Überträgers ist. Sicher: Muhammad hatte den Koran immer nur stückchenweise empfangen, damit er ihn sich besser merken konnte. Aber hier fängt schon das Problem an, denn Muhammad ist ja in islamischer Vorstellung letztlich nur ein Mensch, ein Gesandter zwar, ein auserwählter, aber letztlich nur ein Mensch, kein Gottessohn oder dergleichen. Und es lag manchmal zwischen Empfang einer göttlichen Botschaft und dem Berichten davon an andere Menschen in seiner Umgebung eine gewisse Zeit - besonders bei den ersten Offenbarungen, wo er noch nicht genau wusste, ob er nun eine Illusion hatte oder Gott zuhörte, und sich erst später seiner Ehefrau Chadidscha offenbarte. Dazwischen mögen eventuell schon einige Worte, Silben der empfangenen Offenbarung verloren gegangen sein? Wie dem auch sei, später wurden die Offenbarungen ja durch Muhammad möglichst schnell an seine Gefährten weiter gegeben, damit diese sich gleich ans Auswendiglernen machen konnten, damit möglichst nichts von Gottes Worten verloren geht. Aber wie das eben bei Menschen so ist: Hundertprozentiges gibt es bei uns eher nicht, obwohl die frühislamischen Menschen sicherlich im Memorieren trainierter als wir heutzutage waren. Daher hatten die frühen Muslime noch eine zusätzliche Absicherung ersonnen, nämlich als Gedächtnisstütze einige Verse auch auf Stein, Horn, Palmblätter, Knochen, Leder, Holz, etc. schriftlich festzuhalten. Dabei diente die arabische Schrift so, wie wir heute Steno benutzen - eben als Gedächtnisstütze, nicht zur "wissenschaftlichen" Fixierung eines sakralen Textes. Es gab also keinen schriftlichen Koran, auch keine abschließende "Zettelsammlung", oder "Knochensammlung", des gesamten Korans bei Muhammads Tod. Und das ist ein Problem, denn letztlich konnte man Muhammad bei strittigen Themen, wo vielleicht mehrere Menschen sich an etwas leicht Unterschiedliches erinnerten, nicht mehr befragen, an was sich denn Muhammad so erinnert. Dieses oder jenes Wort, welches war es denn noch einmal?

Tja. Irgendwie schon komisch. Einerseits wird Gott allmächtig gesehen, andererseits lässt er es zu, dass seine Botschaft noch gar nicht unmissverständlich so schriftlich fixiert wurde, dass es darüber keine Meinungsverschiedenheiten oder zumindest Variationen mehr entstehen können. Immerhin ist ja im Selbstverständnis der Muslime der Grund für einen weiteren Propheten der, dass eben Gott unzufrieden sein soll, dass die Menschheit die Worte der vorigen Propheten so verfälschten oder falsch deuteten, dass Gott sich dachte, so, jetzt mal Butter bei die Fische, ich diktiere euch Menschen lieber mal meinen Fahrplan ins Paradies, damit nix schiefgeht...
Aber wie viele Muslime so schön sagen: Allahu A'lam. الله أعلم. Zu deutsch: Gott weiß es besser...
Jedenfalls bleibt festzuhalten:
Der wichtigste Übertragungsweg (bis heute eigentlich) blieb immer die Rezitation, das Memorieren des Korans, also quasi "Stille Post".
Und da die frühen Muslime gleich sehr große Verbreitung fanden, entwickelten sich aus diesem Umstand verschiedene Lesarten des Korans.
So kam es, dass in diversen Regionen des riesigen Weltreiches der Kalifen unterschiedliche Koranausgaben geschrieben wurden.

Einige davon wurden als authentisch angesehen, andere verworfen. Näheres siehe unten.
Heutzutage kann man alle Versionen des Korans erwerben oder auftreiben, aber da die Version von Saudi-Arabien - durch Petrodollars begünstigt - oft verschenkt wurde, fand diese Version weltweite Verbreitung.

Siehe dazu den kurzen aber aufschlußreichen Artikel der Wikipedia:
Lesarten des Korans

Bevor hier aber nun einige (ggf. nichtmuslimische) Leser anfangen zu denken, der Koran wäre nach obigen Worten nur ein beliebig ausgedachtes zusammengestückeltes Machwerk von Muslimen weit nach Muhammads Tod, oder alle diverse Korane würden sich immens voneinander unterscheiden, so sei ihnen gesagt, dass trotz oraler Tradition, also "Stiller Post", die westliche Islamwissenschaft, wie auch (natürlich) islamische Gelehrte davon ausgehen, dass der Koran, wie er heute erstmals 1923 von der Al-Azhar Universität in Kairo verbindlich gedruckt wurde (in der östlichen Lesart), durchaus historisch und authentisch das Wort Muhammads (und für Muslime damit das Wort Gottes) wiedergibt - zumindest gibt es bis heute noch keine eindeutigen Beweise für das Gegenteil. Oben erwähnte Variationen sind inhaltliche Nuancen, wenn überhaupt. Keine grundlegenden Widersprüche und weit von den Schwierigkeiten entfernt, die beispielsweise die Bibeltexte dem Historiker oder Theologen mit ihrer hermeneutischen wissenschaftlichen Herangehensweise machen.
Die einzigen, die damit ein "Problem" haben oder hatten, sind bestimmte fundamentalistische (islamistische) Strömungen im Islam, die den Koran nicht sinngemäß, nicht wortwörtlich, nein, am liebsten sogar buchstabengetreu auslegen möchten, und die sich nur schwer an den Gedanken gewöhnen konnten oder können, dass selbst der Koran eine gewisse Variabilität besitzt, wie so vieles im Islam. Da Gott nun einmal diesen Weg der Übertragung seiner Worte ausgewählt hatte, ist es doch nur logisch, dass er damit der wortwörtlichen oder gar buchstabentreuen Auslegung oder Interpretation seiner Worte gleich einen Riegel vorschieben wollte, damit sich die Menschen eher mit dem Sinn seiner Worte im Koran befassen und sich nicht ständig den Kopf darüber zermartern, was nun dieses oder jenes Wort bedeutet, oder dieser oder jener Buchstabe. Auch sehen einige Gelehrte es als "List" Gottes, dass er so viele diverse scheinbare oder tatsächliche Widersprüche in den Koran einbaute, so viele schwer oder gar nicht verständliche Sätze. So ist der Mensch immer wieder gezwungen sich mit dem Koran zu beschäftigen und seinen Verstand zu gebrauchen um die jeweiligen Schlüsse und Interpretationen neu zu überdenken. Dieser eventuelle "Plan" Gottes ist voll aufgegangen, denn die Korankommentar-Literatur füllt seit den Anfängen des Islams ganze Bibliotheken und geben einen guten Beweis dafür, wie vielfältig die Meinungen darüber sind, was Gott wohl mit diesem oder jenen Suren gemeint haben dürfte. Wie groß der Bedarf an Erläuterungen war, wie groß das Bedürfnis war, den Koran zu erklären, da er so vieldeutig ist oder den Korankommentatoren erschien. Denn wäre jede Sure sonnenklar, hätte es niemals diese immense Zahl an Korankommentaren gegeben, denn es hätte schlicht niemand zusätzliche Erklärungen gebraucht.
Jedenfalls ist es nicht so simpel, wie es heutige Islamisten sehen, die meinen sie bräuchten nur den Koran und die Hadithe (=  überlieferte Sprüche und Taten von Muhammads), und mehr nicht. Auch sie interpretieren letztlich, selbst wenn sie wortwörtlich den Koran auslegen wollen.

Die Entstehungsgeschichte des heutigen Korans ist also nicht so einfach, wie es scheint, Gott gibt Muhammad die Suren, er schreibt sie in ein Buch und fertig ist der heutige Koran. So nicht.
Ich zitiere mal aus einer sehr guten Einführung in den Koran, dann wird die Entstehungsgeschichte dieses wirkmächtigen Buches deutlicher, als meine obigen Ausführungen:

Samstag, 9. Juli 2011

Medizin im Reich des Kalifen

Miniatur aus einem Werk des Chirurgen Şerafeddin Sabuncuoğlu,
das eine psychatrische Behandlungsmethode darstellt
osmanisch, 15. Jh.


Wie war eigentlich zur islamischen Blütezeit vor 1000 Jahren die ärztliche Versorgung im Nahen und Mittleren Osten?

Ein Brief als Exempel:

Lieber Vater! Du fragst, ob du mir Geld bringen sollst. Wenn ich entlassen werde, bekomme ich vom Krankenhaus einen neuen Anzug und fünf Goldstücke für die erste Zeit, damit ich nicht sofort wieder arbeiten muss. Du brauchst also von deiner Herde kein Tier verkaufen. Du musst aber bald kommen, wenn du mich noch finden willst. Ich liege auf der orthopädischen Station neben dem Operationssaal. Wenn du durch das Hauptportal kommst, gehst du an der südlichen Außenhalle vorbei. Das ist die Poliklinik, wohin sie mich nach meinem Sturz gebracht hatten. Dort wird jeder Kranke zuerst von den Assistenzärzten und Studenten untersucht, und wer nicht unbedingt Krankenhausbehandlung braucht, bekommt dort sein Rezept, das er sich nebenan in der Krankenhausapotheke anfertigen lassen kann. Ich wurde nach der Untersuchung dort registriert und dem Oberarzt vorgeführt, ein Wärter trug mich in die Männerstation, machte mir ein Bad und steckte mich in saubere Krankenhauskleidung.
Aber du lässt linker Hand auch die Bibliothek und den großen Hörsaal, wo der Chefarzt die Studenten unterrichtet, hinter dir. Der Gang links vom Hof führt zur Frauenstation, du musst dich also rechts halten und an der Inneren Abteilung und der Chirurgischen vorbeigehen... Wenn du Musik oder Gesang aus einem Raum vernimmst, sieh hinein. Vielleicht bin ich dann schon in dem Tagesraum für die Genesenden, wo wir Musik und Bücher zu unserer Unterhaltung haben.
Als der Chefarzt heute morgen mit seinen Assistenten und Wärtern auf Visite war und mich untersuchte, diktierte er dem Stationsarzt etwas, was ich nicht verstand. Der erklärte mir hinterher, dass ich morgen aufstehen darf und bald entlassen werde. Dabei mag ich gar nicht fort. Alles ist so hell und sauber hier. Die Betten sind weich, die Laken aus weißem Damast und die Decken flaumig und fein wie Samt. In jedem Zimmer ist fließendes Wasser, und jedes wird geheizt, wenn die kalten Nächte kommen. Fast täglich gibt es Geflügel oder Hammelbraten für den, dessen Magen es verträgt. Mein Nachbar hatte sich schon eine ganze Woche lang kränker gestellt, als er war, nur um die zarten Hühnerbrüstchen noch ein paar Tage länger genießen zu können. Der Chefarzt hat aber Verdacht geschöpft und ihn gestern nach Hause geschickt, nachdem er zum Beweis seiner Gesundheit noch einen Laib Brot und ein ganzes Huhn verzehren durfte.
Also komm, bevor mir mein letztes Huhn gebraten wird!

Freitag, 8. Juli 2011

Bestes neues Shoppingcenter Europas 2011 steht in Istanbul

das neue Gesicht von Istanbul - Boom an allen Ecken

Das beste neue Shoppingcenter Europas steht 2011 (unter anderem) in Istanbul / Türkei.

Mit den seit 1977 ein Mal jährlich verliehenen European Shopping Center Awards des International Council of Shopping Centers (ICSC) werden besonders erfolgreiche Bauprojekte im Bereich des Einzelhandels ausgezeichnet. Zum "Besten Neuen Einkaufszentrum Europas" (unter 20.000 m2)  wurde das "Kozzy" in Istanbul ausgewählt. ...
weiterlesen auf diepresse.com

Donnerstag, 7. Juli 2011

Die letzten Tage der Herzegowina - osmanische Erweiterungspolitik

osmanischer Janitschar beim Befüllen seiner Muskete

Das osmanische Reich entstand bekanntlich aus zahllosen militärischen Eroberungen. Aber nicht nur. Weniger bekannt ist, dass sich das osmanische Reich ebenfalls aus vielen weiteren Gründen erweitern konnte. Dabei spielte in den ersten Jahrhunderten Heiratspolitik durchaus eine Rolle, wie es in vielen anderen Reichen ebenfalls üblich war. Auch zwischen dem Sultan und christlichen Reichen. So sind einige Sultaninnen christlich-adeliger Herkunft. Hinzu treten aber auch Gebietsgewinne durch Kauf, durch Erbschaft, und andere diplomatische und unblutige Vorgänge.
Einer der Gründe für die enorme Langlebigkeit des Hauses Osman lag sicherlich in der Kunst der Staatsführung, denn ähnlich wie vielleicht im Römischen Reich, haben die Osmanen ihr Reich je nach Provinz unterschiedlich beherrscht, von einer direkten Einbindung in das Kernreich, bis hin zu relativ hoher Autonomie. Dabei wurde Loyalität mit Belassen einer größeren Autonomie belohnt. Viele Provinzen bzw. Vasallen sind beispielsweise nur deshalb unter direkter Kontrolle Istanbuls geraten, weil deren Statthalter sich nicht an die Verträge gehalten haben, Verrat begingen, und deshalb dann oft militärisch zur Rechenschaft gezogen wurden.
Daher greifen auch einige heutige Vorwürfe gegenüber den Osmanen nicht sehr weit, zum Beispiel die Rückständigkeit einiger Provinzen gegenüber Westeuropa. Etliche Provinzen hatten ja ein hohes Maß an Autonomie und es hinderte viele Provinzen kaum jemand daran, die wissenschaftlichen oder ökonomischen Entwicklungen von Westeuropa zu adaptieren. Insofern mag das osmanische Reich ein Faktor für die Rückständigkeit oder die Stagnation gewesen sein, aber nicht der entscheidende, wenn es keine oder kaum Unterschiede in der Entwicklung zwischen straff von Istanbul aus geführten Provinzen, und recht autonomen Provinzen gegeben hat - oder man gar außerhalb des osmanischen Reiches schaut und vergleicht, wie die Entwicklung in anderen osteuropäischen Regionen verlaufen ist, oder anderen Regionen der Welt.

Wie dem auch sei, ich möchte hier ein Beispiel vorstellen, wie das osmanische Reich erweitert wurde. Wie es Erbstreitigkeiten ausnutzte, wie es Schutz und Aufstieg anbot, wie ein Christ zum Islam übertrat und die Seiten wechselte - und warum. Vorher allerdings noch ein generelles Schema, wie das osmanische Reich einer Zwiebel gleich territorial und rechtlich aufgeteilt wurde. Beide unteren Teile dieses Postings wurden der Wikipedia entnommen, aus Artikeln an denen ich maßgeblich mitwirkte, und daher für sie (mehr oder minder) bürgen kann; zumindest bislang... :

Mittwoch, 6. Juli 2011

Antwort auf eine muslimische Konvertitin

Portrait eines Miniaturmalers, osmanisch, 15. Jh.


Es geht heute um eine Antwort auf den Erfahrungsbericht einer muslimischen Konvertitin, die davon schilderte, was sie so beschäftigt, ob der Koran wortwörtlich zu lesen sei, oder auch interpretiert werden könne. Außerdem schilderte sie ihre Erfahrungen in der muslimischen, Pardon, in ihrer muslimischen Gemeinde, oder ihrem Umfeld, in ihrer umma, die teilweise ihr gegenüber recht unduldsam wurde, als es um das Befolgen bestimmter muslimischer als existentiell angesehener Praktiken ging. Hier ihr Essay:

Konvertiert und Nachdenkend X – Der Qur’an: Wortwörtlich oder doch interpretierbar?

aus dem Blog:

Hannibal-Nur

Meine Antwort darauf:

Eine interessante und gute Notiz. Dir als Islamwissenschaftlerin brauche ich ja gar nichts erzählen, trotzdem sollte daran erinnert werden, dass im Koran die Stellen, die konkrete Anleitungen für den Lebensalltag beinhalten lediglich 6% (nach Prof. Falaturi) ausmachen. Das heißt, 94% des Korans legen gar nicht fest, ob man nun Kopftuch tragen soll, einen Bart tragen soll, Alkohol meiden soll, 5 mal am Tag beten soll, nur 4 Frauen haben soll, und so weiter. Hätte Gott auf all diese Dinge sooooooo viel Wert gelegt, wie einige Muslime, die bei Nichtbefolgung sofort starken Groll in ihren Herzen aufkommen lassen, meint ihr nicht auch, dass Gott dann wesentlich mehr von dieser Orthopraxie im Koran den Muslimen hätte zuteil werden lassen? Und wo er von Dingen spricht, die für den Alltag, die Lebensweise, usw. eines Teils der heutigen Muslime soooo immens wichtig sind, da spricht der Koran nicht nur einmal in Widersprüchen, beziehungsweise wenn nicht in Widersprüchen, so sind die Anweisungen doch zumindest recht vage gehalten, oder lassen Interpretationsspielräume. Wenn er ein Kopftuch, wenn er gar einen Gesichtsschleier für jede Frau gefordert haben soll, wieso sagt Gott dieses nicht unmissverständlich im Koran? (Siehe meinen Blogpost: Kopftuch im Koran) Wieso benutzt er nicht das altarabische Wort für Kopftuch im Koran, sondern umschreibt vielmehr in diversen Stellen diese heute für viele Muslime mehrheitlich obligatorische Pflicht?
Abgesehen davon, dass von den 6000 Versen im Koran nur 80 Verse rein juristische, also scharia-relevante Dinge enthalten. (Siehe dazu auch diese Einführung von Prof. Dr. Jürgen Paul.) Und abgesehen davon, dass wahrscheinlich die meisten praktischen Lebensanleitungen erst in den letzten Jahren der Offenbarungen Muhammads in Medina herabgesandt wurden, innerhalb von 23 Jahren also erst am Schluss kamen, und Gott viele, viele, viele andere Themen offensichtlich sehr viel wichtiger empfand und Muhammad diese denn auch bis zu 15-20 Jahre früher einflüsterte.

Dienstag, 5. Juli 2011

Verhältnis der Muslime und Nichtmuslime im Osmanischen Reich 3. Teil

Levni, osmanische Miniaturmalerei, 18. Jh.,
aus dem Surname-i Vehbi. Janitscharen beim Festbankett
Heute geht es weiter mit Belegen und Linktipps zu dem Verhältnis von Christen, Muslimen und Juden im Osmanischen Reich.

Die vorigen Teile kann hier nachblättern: 1. Teil und 2. Teil.

Ich hatte vorher schon darauf hingewiesen, dass das Osmanische Reich durchaus auch als Ziel von Flüchtlingen aus christlichen Reichen infrage kommen konnte. (Andersherum hingegen eher weniger - siehe meine Diskussion über: Islam eine Missionsreligion?) Dieses wäre nicht erfolgt, wenn das Osmanische Reich ein "barbarisches satanisches Reich" gewesen wäre, welches seine Untertanen mit "brutalster Grausamkeit" unterdrücken würde, wie es mitunter von christlicher bzw. kirchlicher Propaganda so im Abendland verbreitet wurde (siehe auch diese Dissertation zu Martin Luther). Manchmal kann man diese Kirchenpropaganda sogar noch heute als ferne Echos der Vergangenheit wahrnehmen, wenn man Äußerungen über das Osmanische Reich so liest. Die Propaganda diente nicht zuletzt dazu, die christliche (ständische) Ordnung im Okzident aufrecht zu erhalten, und nicht z.B. die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs als Denkmodell im Abendland etablieren zu lassen, wie es öfters in Berichten von erstaunten Orient-Reisenden gepriesen wurde. Für das Verständnis der damaligen Zustände ist es zudem wichtig zu erfahren, wie denn das Gruppenbewusstsein gewesen ist, also fühlten sich alle heutige Serben, Bulgaren, Griechen, usw. auch schon damals als zusammengehörige Serben, Bulgaren, usw.? Wie muss man daher Aufstände betrachten? Welchem Ziel dienten diese? Daher näheres am Ende dieses Postings zu dem Nationalismus.

Suraiya Faroqhi: Kultur und Alltag im osmanischen Reich. Vom Mittelalter bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. München 1995.:
Besonders in den nordafrikanischen Provinzen, aber auch in Istanbul, gab es außerdem Spanier, Italiener, Franzosen und Ungarn, die sich den Osmanen aus freien Stücken angeschlossen hatten. Das Motiv konnte religiöse Verfolgung im Heimatlande sein, wie etwa im Falle der kalvinistischen Ungarn, die im Habsburgerreich der Gegenreformation zahlreichen Repressalien ausgesetzt waren. Auch die Serben, die nach 1683 unter habsburgische Oberhoheit gerieten, zogen es oft vor, unter dem Sultan zu leben, weil dieser nicht versuchte, sie von ihrem orthodoxen Glauben zum Katholizismus zu bekehren. In Nordafrika geschah es häufiger, daß schlecht verpflegte und nicht bezahlte spanische Soldaten der dortigen Festungen (presidios) sich den örtlichen Janitscharen anschlössen. Auch waren besonders in den nordafrikanischen Provinzen, wo das Militär und die Besatzungen der Korsarenschiffe weitgehend aus Zugewanderten bestanden, die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs bedeutend größer als in den rigiden ständischen Gesellschaften des frühneuzeitlichen Europa.


Cardini, Franco: Europa und der Islam: Geschichte eines Mißverständnisses. München: Beck, 2000.:
Den Türken jedoch eilte ein ganz besonderer Ruf voraus. Sie galten als tapfere, tüchtige und disziplinierte Kämpfer. Verglichen mit dem desolaten Zustand der korrupten und ungeordneten europäischen Truppen des 16. und 17. Jahrhunderts war das Heer des Sultans ein Musterbild an Ordnung, Mäßigung und Disziplin. Die Türken galten zwar als grausam, man schrieb ihnen aber nicht jene barbarische Zerstörungswut zu, die die Europäer vor den Militärreformen des 18. Jahrhunderts an den Tag legten. Bald gab es nicht nur Chronisten aus dem militärischen Fach. Diplomaten, Kaufleute, Reisende und Gläubige – alle waren sich in einem Punkt einig: Die Türken, in der Schlacht so furchterregend und unerbittlich, in der Unterdrückung und in der Anwendung des Rechts so hart und streng, erwiesen sich im alltäglichen und privaten Leben als loyal, ehrenhaft, aufrichtig, mildtätig, bescheiden und gastfreundlich. Zahlreiche Berichte und Schilderungen von und über Renegaten popularisierten diese positiven Eigenschaften der Türken in einer Weise, daß der Übertritt vom Christentum zum Islam als nahezu plausibel und gerechtfertigt erschien. «Türke werden» – sei es aus Verzweiflung, aus Enttäuschung oder aufgrund äußerer Lebensumstände – wurde zu einem Leitmotiv der europäischen und mediterranen Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts.


Nette Sätze

Katze, Metallware, Iran, kadscharisch, 19. Jh., heute im Louvre, Paris


Folgende Sprüche werden dem Propheten Muhammad zugeschrieben. Wahrscheinlich hat er selbst durch zahlreiche Aussprüche zum Lernen und zur Wissensvermehrung aufgerufen, was vielleicht einer der Gründe gewesen sein mag, dass die frühen Muslime allen möglichen Wissensquellen, von Griechenland, Persien über Indien, bis nach China sehr aufgeschlossen gewesen waren:


  • Das Wissen ist das verlorene Gut eines Muslim. Wo immer er es findet, möge er es aufheben.
  • Erwerbt Wissen von der Wiege bis zum Grab.
  • Auch wenn das Wissen in China ist, geht es euch holen.
  • Das beste Erbe, das ein Vater geben kann, ist eine gute Bildung und Erziehung.
  • Der Wissenserwerb ist farz (koranisches Gebot) den Männern sowie den Frauen.
  • Gott hat keine Krankheit herabkommen lassen, ohne dass er für sie zugleich ein Heilmittel Herabkommen ließ.
  • Für alles gibt es Wege und der Weg zum Paradies ist der Wissenserwerb.
  • Es gibt keine schlimmere Armut als die Unwissenheit.
  • Der Rang der Wissenschaft ist der höchste Rang.
  • Ein Gelehrter unter den Unwissenden ist genauso wie ein Lebender unter den Toten.
  • Der Schlaf eines Gelehrten ist besser als das Gebet eines Unwissenden.
  • Die für die Wissenschaft Reisenden haben den Schutz der Engel.
  • Für diejenigen, die für den Wissenserwerb unterwegs sind, betet alles, bis zu den Fischen im Meer.
  • Jemand, der für den Wissenserwerb aufgebrochen ist, ist auf dem Weg ins Paradies.
  • Die Wissenschaft ist die Seele des Islam und Stütze des Glaubens.
  • Derjenige, der Wissen erwirbt, wird von Gott reich belohnt. Derjenige, der Wissen erwirbt und dieses auch anwendet, den lehrt Gott, was er nicht weiß.
  • Ein für den Wissenserwerb verbrachter Tag ist Gott lieber als 100 Kriege für Gott.
  • Die Tinte des Gelehrten ist heiliger als das Blut des Märtyrers.
  • usw.


(Es mag sein, dass einige Sprüche einer wissenschaftlichen quellenkritischen Überprüfung nicht standhalten. Ich hatte keine Zeit dem nachzugehen. Verzeiht.)

(Bildquelle: Wikimedia Commons)

Montag, 4. Juli 2011

Buchvorstellung: Thomas Bauer: Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams

Der Prophet Muhammad vor der Kaaba in Mekka,
aus dem Siyer-i Nebi, osmanisch, Ende 16. Jh.
Ich bin heute über ein Buch gestolpert, welches ich hier vorstellen möchte, obwohl ich es noch nicht selber gelesen habe. Es passt wie die Faust aufs Auge auf meine vorigen Artikelserien, bezüglich der Themen vom Islam als Missionsreligion, der Behandlung von Minderheiten, der Feststellung, dass im Nahen Osten über die meiste Zeit der Geschichte größere Pluralität im Vergleich zum Abendland herrschte, und auch das Verhältnis zu den anderen Religionen am Beispiel des Osmanischen Reiches.

Wieso es meist so einen offensichtlichen Unterschied der beiden Sphären diesseits und jenseits des Mittelmeeres gab, habe ich hier schon durch einige Thesen zu erhellen versucht. Nun kommt mit diesem Buch eine weitere These hinzu, die aber auch schon in den vorigen Thesen teilweise angeschnitten wurde:

Thomas Bauer: Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams. Berlin: Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag 2011, ISBN 978-3-458-71033-2.

Der Islamwissenschaftler Stefan Weidner schreibt in seiner Rezension vom Deutschlandradio, dass in der islamischen Geschichte die Mehrdeutigkeit, die Ambiguität, in allen Bereichen der Kultur, auch in der Religion, gepflegt wurde. Dieses hatte zur Folge, dass es meist nicht zu dogmatischen Exklusionen gekommen ist, sondern mehrere "Wahrheiten" nebeneinander existieren konnten. Damit auch scheinbare oder tatsächliche Widersprüche. Anders das Bild im Abendland, wo man wesentlich intoleranter war, und versuchte, diese Doppeldeutigkeiten immer zugunsten einer einzigen Sicht der Dinge aufzulösen, was zur Folge hatte, dass eben die andere Sicht bekämpft wurde, als falsch, fehlerhaft, oder ketzerisch angesehen wurde. Erst mit dem stärkeren Kontakt des Orients mit dem immer übermächtigeren Westen im 19. Jahrhundert, wurde die gesamte nahöstliche Welt und auch der Islam "verwestlicht". Stefan Weidner schreibt:
Der Islam, der uns heute begegnet, ist bereits ein verwestlichter, gleich ob es sich um den Reformislam oder um den Fundamentalismus handelt.
Der Rezensent ist davon überzeugt, dass dieses Buch hervorragend ist sowie auch heutige Irritationen zwischen dem Morgen- und Abendland erklären hilft, denn der Blick des Westens auf den Islam sei verzerrt:

Mit seinem bahnbrechenden Großessay über die "Kultur der Ambiguität" arbeitete Thomas Bauer die Ursachen für die verzerrte Wahrnehmung des klassischen Islams im Westen ebenso wie in der islamischen Welt kulturgeschichtlich auf. ...

... Mittels intimster Kenntnisse des klassischen islamischen Schrifttums entlarvt der Autor die frappante Unwissenheit der Orientalistik alten Stils und der Medien. Er nennt aber auch Gründe dafür, etwa die fehlende Edition maßgeblicher arabischer Literatur. In der Mischung aus überzeugender Grundthese und einschlägigen Beispielen entpuppt sich dieses Buch als eine der besten Einführungen in den Islam seit Langem. Es hat das Zeug zum kulturwissenschaftlichen Klassiker, der sich hinter Edward Saids "Orientalismus" (1978) nicht zu verstecken braucht.
Ich werde im Folgendem noch weitere Einblicke in das Buch geben, denn selbst wenn man es sich nicht kauft, lohnt es sich dessen zentralen Aussagen mal näher zu betrachten. Mehr Einblicke in das Buch vermittelt beispielsweise die Pressemitteilung der Universität Münster: